Trotz Demenz ein gutes Leben

Lokale Allianz plant neue Angebote für Betroffene und Angehörige

Die anhaltende, wieder verschärfte Pandemielage wirkt sich auch auf die Arbeit der Lokalen Allianz für Menschen mit Demenz in der Kreisstadt Bergheim aus. Nachdem der vorsichtige Start von Demenz-Cafés, Angehörigen-Gesprächskreisen, Workshops und anderen Hilfs- und Entlastungsangeboten Ende des Jahres wieder ein hoffnungsvoller Schritt in Richtung Normalität war, stehen im Januar 2022 schon wieder alle Zeichen auf Kontaktbeschränkungen und Veranstaltungsabsagen. Trotzdem hoffen die Netzwerkpartner, dass die 6. Demenzwoche im Rhein-Erft-Kreis vom 30. April bis zum 07.05.2022 in Präsenz stattfinden kann, und zurren bei ihrem Treffen im FuNTASTIK neue Projekte fest.

Geplant ist ein „Markt der Möglichkeiten“, bei dem sich die Allianz von 13 bis 17 Uhr im Bürgerzentrum FuNTASTIK (Meissener Str. 7, 50126 Bergheim) einen Überblick über Beratung und Unterstützung, Netzwerke & Quartiersarbeit, Prävention und Bewegung sowie kulturelle Teilhabemöglichkeiten vermitteln will. Parallel dazu findet ein Workshop mit Musikpädagogin und Gedächtnistrainerin Judith Schmitz zum Thema „Erinnerungskoffer – was ist das?“ statt, der pflegenden Angehörigen und in der Demenz-Arbeit-Tätigen eine Möglichkeit bietet, Menschen mit Demenz zu aktivieren und schöne Erinnerungen zu wecken. Vielfältige Erinnerungskoffer mit Alltagsgegenständen zu unterschiedlichen Themen stehen in der Stadtbibliothek Bergheim zur kostenlosen Ausleihe bereit und sind ein idealer Türöffner für Gespräche, zum Gedächtnistraining und zur Beschäftigung.

Erinnerungskoffer und Papiertheater

Ein weiterer Erinnerungskoffer, dessen interkultureller Inhalt speziell Menschen mit Migrationshintergrund ansprechen soll, wird auf Initiative der Lokalen Allianz in der Stadtbibliothek Bergheim gerade „gepackt“. Deutsche Märchen, traditionelle Volkslieder oder Weihnachtliches sprechen Menschen aus anderen Kulturkreisen nicht unbedingt an. Mit der Demenz verbundene zunehmende Orientierungslosigkeit und Gedächtnisverlust verstärken das Gefühl der Fremdheit und Verunsicherung. Erinnerungen an Vergangenes aus der Kindheit oder Alltägliches bleiben dagegen länger präsent und sorgen für frohe Momente und Zufriedenheit. Kommen zur Demenz auch noch Sprachbarrieren dazu, ist der Zugang zu den Patienten schwierig.

Betroffene und Angehörige zu erreichen, ist aufgrund der kulturellen Unterschiede ohnehin eine Herausforderung: In traditionellen türkischen Familien etwa werden die Alten bis zuletzt zu Hause gepflegt, Wissen über die Krankheit Demenz ist selten vorhanden, ambulante Unterstützungsangebote oftmals gar nicht bekannt. Doch auch an viele deutsche Familien „kommt man nicht heran“, so Anni Wilbertz von der Alzheimer Gesellschaft Bergheim. Aus Scham und Überforderung suchten viele Angehörige erst Hilfe, „wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“ – die Krankheit wird verdrängt, die Versorgung wird zur Last.

“Paules Lesepaten” nutzen das Kamishibai-Theater

Die Musikpädagogin, Gedächtnistrainerin und frisch zertifizierte freie Märchenerzählerin Judith Schmitz schafft mit ihren „Erlebnisreisen in Wort und Ton“ und anderen Angeboten kreativ Abhilfe. In der Stadtbibliothek Bergheim hat sie neben den Erinnerungskoffern eine weitere sinnvolle Beschäftigung für Menschen mit Demenz entdeckt, das Bildkarten-Theater Kamishibai. Das kleine Papiertheater stammt ursprünglich aus Japan und besteht aus einem  hölzernen Rahmen und einzelnen Bildkarten, die verschiedene Geschichten und Märchen illustrieren. Der Vorführer – der Angehörige zu Hause oder in der Seniorenarbeit-Tätige – liest die Geschichte vor und zeigt dazu die einzelnen Szenen. Ein Holztheater und 20 Bildkarten-Sets können in der Stadtbibliothek kostenlos von Kindertageseinrichtungen und „Paules Lesepaten“ ausgeliehen werden und sollen jetzt auch für pflegende Angehörige und Senioreneinrichtungen zum Einsatz kommen. Mit Unterstützung von zwei Übersetzerinnen sollen die Geschichten auch in Polnisch, Russisch und Türkisch übertragen werden.

Demenz macht Schule

Das Thema Demenz auch in die Schulen zu tragen, ist ein weiteres Jahresziel der Lokalen Allianz. Während sich viele Erwachsene erst mit dem Thema Demenz beschäftigen, wenn sie selbst, bzw. ihre Familie betroffen ist, gehen Kinder oft viel unvoreingenommener damit um. Die Schule ist ein wichtiger Ort für Aufklärung und Wissensvermittlung, Kinder und Jugendliche oft Multiplikatoren, die das Gelernte an ihre Familien weitergeben. Außerdem ist geplant, wieder Schulungen für Institutionen und Unternehmen in Bergheim anzubieten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung, Einzelhandel und ÖPNV im Umgang mit Menschen mit Demenz sensibilisieren. In Kooperation mit der Alzheimer Gesellschaft Deutschland will das Seniorenportal Bergheim zudem regelmäßige Demenz-Podcasts veröffentlichen, die Tipps und konkrete Unterstützung bei vielen Fragen geben. „Pflege für die Pflegenden“ – so das Motto der bevorstehenden Demenz-Woche – das heißt, dass An- und Zugehörige trotz Demenz ein erfülltes und glückliches Leben führen können, ohne sich aufzugeben oder auszubrennen.

 

 

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