… und plötzlich ist man Mama
Wünsche und deren Erfüllung sind manchmal recht schwierig. Je größer wir selbst – und damit meistens auch die Wünsche – werden, desto länger kann es mit der Erfüllung unserer Wünsche dauern. Oftmals scheint es, als würden sich verschiedene Wünsche nie erfüllen.
Bereits als Kind hatte ich einen Herzenswunsch: Ich wollte Mutter werden. Jahre später stellte sich nach einer Fehlgeburt heraus, dass sich dieser Wunsch wohl nicht erfüllen wird. Lange habe ich mit meinem Schicksal gehadert, bis ich eines Tages erkannte, dass ich einen Teil meine Lebensenergie an diesen Wunschtraum verschwende.
Nach dem Motto „Wenn das Schicksal mit mir etwas Anderes vorhat, dann muss ich das Beste daraus machen“, richtete ich von da an meine Aufmerksamkeit auf andere Dinge. Ich erhielt die Chance, mich beruflich zu verwirklichen und verbrachte einen Teil meiner Freizeit mit Kindern aus der Nachbarschaft und dem Freundeskreis.
Seit ich aus dem Berufsleben ausgeschieden bin, engagiere ich mich ehrenamtlich. In diesem Rahmen betreue ich schon seit geraumer Zeit eine irakische Flüchtlingsfamilie. Wir sehen uns mindestens einmal in der Woche und schreiben uns dank WhatsApp fast täglich. Irgendwann stand unter einer Nachricht „Mama“. Seitdem bin ich für die ganze Familie, die mir im Laufe der Zeit sehr ans Herz gewachsen ist, die Mama.
Seit Anfang des Jahres kümmere ich mich außerdem um einen jungen Mann aus Syrien. Ich begleite ihn im Bedarfsfall zu Behörden und kümmere mich um den Schriftwechsel. Er bittet mich um Rat und vertraut mir Ängste an. Auch wir schreiben uns regelmäßig und auch unter einer seiner Nachrichten stand dann plötzlich „Mama“.
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass mir mein Herzenswunsch aus Kinder- und Jugendtagen auf diese Weise doch noch erfüllt wird.
Inzwischen hat mich ein weiterer syrischer Flüchtling um meine Hilfe gebeten. Wer weiß, ob meine „Familie“ nicht weiteren Zuwachs bekommt.
von Christa Commer