„Tante Christa, Du brauchst unbedingt ein Smartphone!“ Mit dieser Aussage trieb mir vor zwei Jahren der Sohn meiner Cousine den Schweiß auf die Stirn. Viele Jahre lang hatte ich in friedlicher Eintracht mit meinem alten Klapphandy gelebt. Ich konnte damit zwar lediglich telefonieren, aber es war ja auch nur für den Notfall gedacht.
„Du weißt doch, dass ich es hasse, Gebrauchsanweisungen zu lesen“, erklärte ich. „Das brauchst Du ja auch nicht“, kam die prompte Antwort. „Wenn ich Dich besuchen komme, erkläre ich Dir alles.“
Egal, was ich noch an Argumenten vorbrachte, es nutzte nichts. Bei seinem nächsten Besuch brachte der junge Mann mir ein Smartphone mit und erklärte mir mit Begeisterung die wichtigsten Funktionen. Wichtig war für mich vor allem, dass ich Anrufe annehmen und tätigen konnte. Auch zeigte er mir, wie man mittels des Gerätes E-Mails und SMS-Nachrichten schreibt, versendet und liest.
Fröhlich erklärte er mir dann, dass man mit meinem Smartphone unter anderem auch Fotos machen könne. Ich wehrte ab: „Das brauche ich doch nicht. Ich fotografiere nicht, das weißt Du.“„Okay, das üben wir, wenn ich wiederkomme“, meinte mein „Lehrer“ und lachte.
Das Austauschen von Nachrichten fand und finde ich zugegebenermaßen immer noch richtig toll. Weitere Funktionen meines Gerätes will und muss ich nicht kennen!
Doch in der vergangenen Woche kam ich arg ins Schwitzen. Mein Smartphone gab mir bislang unbekannte Geräusche ab und auf dem Display erschien die mysteriöse Nachricht, dass ein WhatsApp-Videoanruf eingeht. Ratlos starrte ich auf den Text. Was sollte das denn? Was war jetzt zu tun? Wo befindet sich der entsprechende Knopf? Inzwischen hatte der Anrufer wieder aufgelegt. Ich atmete auf. Allerdings wiederholte sich das Ganze nach wenigen Minuten. Ich dachte schon, die Angelegenheit hätte sich nun erledigt, aber das war ein Irrtum. Eine Stunde später schrieb mir mein Nachbar: „Hast Du meinen Videoanruf über WhatsApp bekommen? Man kann sich beim Telefonieren über WhatsApp auch sehen. Dafür musst Du bei WhatsApp eingeben… (es folgte eine Auflistung).
Verblüfft starrte ich auf die Nachricht. Warum ein Videoanruf? Wenn mein Nachbar das Bedürfnis hat, mich zu sehen, kann er das doch einfacher haben. Ich wohne lediglich zwei Etagen über ihm. Er braucht bloß hochzukommen. Eine andere Möglichkeit wäre, mich entweder telefonisch oder schriftlich zu bitten, hinunterzukommen. Wir begegnen uns auch des Öfteren im Hausflur. Für alle Fälle kann er auch ein Foto von mir aufstellen. Abgesehen davon: Da der Sohn der Beiden in Norddeutschland wohnt, gehe ich grundsätzlich einmal in der Woche zu meinen Nachbarn hinunter und erkundige mich, ob alles in Ordnung ist.
Vor zwei Tagen telefonierte ich mit dem Sohn meiner Cousine und schilderte ihm unter anderem diese Begebenheit. Er amüsierte sich köstlich und meinte zu mir: „Ick schmeiß ma wech! Darüber müsste man mal einen Sketch schreiben!“
von Christa Commer