Gut aufgepasst …

Anlässlich meines wöchentlichen Besuchs bei der von mir betreuten irakischen Flüchtlingsfamilie haben wir immer allerlei zu besprechen. An manchen solcher Tage erfahre ich einiges von den schlimmen Taten, die der IS im Heimatdorf der Familie begangen hat. Es kommt auch vor, dass mir von der Flucht, die völlig überraschend und Hals über Kopf stattfinden musste, erzählt wird. Auch die fünfjährige Tochter berichtet ab und zu, dass sie immer schlimme, beängstigende Träume hat.

Um alle auf andere Gedanken zu bringen, spielten wir das Spiel „Ich sehe was, was Du nicht siehst…“ Nach einiger Zeit ging dann der Papa mit seinem Sohn spazieren, während die Mama und die kleine Tochter mit mir beisammensaßen. Während der Unterhaltung bemerkte ich, dass die junge Frau mit ihren Gedanken immer wieder abschweifte und meinte zu ihr: „Wenn das Wetter besser ist, fahren wir einmal in die Salzgrotte. Dort kannst Du entspannen. Das ist wichtig, damit auch der Kopf wieder frei wird.“

„Darf ich mit?“, fragte sofort die Fünfjährige. Ich musste lachen. „Ja“, erklärte ich, „Du kannst mitfahren, aber eines musst Du wissen: Man muss dort ganz ruhig sein und darf fast eine Stunde lang nicht sprechen.“ Mit großen Augen schaute sie mich an. Ich fragte: „Meinst Du, dass Du es aushalten kannst, so lange nichts zu sagen?“ Immerhin weiß ich ja, dass sie immer viel zu erzählen und zu fragen hat.

Keine Antwort! In der Annahme, dass sie mich nicht richtig verstanden hat, stellte ich meine Frage noch einmal. Wieder keine Antwort! Besorgt erkundigte ich mich: „Was ist los? Sprichst Du nicht mehr mit mir?“ Empört schaute sie mich an und meinte: „Ich übe doch schon!“

von Christa Commer

 

HTML Snippets Powered By : XYZScripts.com