Glessen wird zum Laufsteg für die Kunst

Offene Ateliers locken zahlreiche Besucher

Glessen ein neues Worpswede? Maler waren es, die das kleine norddeutsche Bauerndorf im ausgehenden 19. Jahrhundert in eine weltbekannte Künstlerkolonie verwandelten. Bei den Glessener Kunsttagen am 6. und 7. Oktober zeigten die Kreativen, was sie zu bieten hatten und öffneten ihre Häuser, Gärten und Höfe. 23 Aussteller waren dem Aufruf der Künstlergruppe Art of 5 gefolgt und präsentierten Gemälde, Skulpturen, Mode, Fotografie, Taschen und Schmuck an 14 Orten im Dorf. Das offene Konzept des Orga-Teams aus Marie-Thérèse Breyer, Robert Budka, Ulrike Klerx und Ursula Schmelzer war aufgegangen: Neben den „Profis“ waren bewusst auch Hobbiekünstler eingeladen. „Wir wollten uns nicht anmaßen zu beurteilen, was Kunst ist und was nicht, das soll jeder für sich entscheiden“, so Ulrike Klerx.

„Ich wusste gar nicht, was hier für ein Potential im Ort ist“, zeigte sich Gerda Born beeindruckt, die mit ihrer Gymnastikgruppe durch die Häuser zog. Das vielfältige Programm kam an: Täglich lockten eine Modenschau, Musik und eine Tombola zum 10jährigen Jubiläum der Glessener Malschule. Es lohnte sich, überall vorbeizuschauen und über eine Laufkarte Stempel zu sammeln – unter den Teilnehmern wurden am Ende verschiedene Kunstobjekte verlost. Spektakulär war auch die Aktion, die schon Wochen vorher auf das Event aufmerksam machte: Pinke Stühle als farbiges Markenzeichen an Straßen und Hauswänden machten neugierig und luden die Gäste zum Verweilen ein.

Dass Glessen etwas ganz Besonderes hat, war Neubürgerin Juliane Bittl schnell klar geworden. Inspiriert von der täglichen Kaffeepause druckt sie ihre Werke auf Trinkbecher. „Ich bin sehr dankbar für die professionelle Unterstützung und stolz dabei zu sein.“ Die Glessener lieben ihr Dorf mit Domblick in allen möglichen Varianten – dahin gehaucht als zartes Aquarell, auf Fotos gebannt, auf Taschen genäht oder als buntes Schmuckstück. Technik ist das eine, „manchmal muss man aber auch einfach Glück haben“, erklärt Gisela Müller. Ihre Werke aus Acryl und Silikonspray sind Zufallsprodukte, aber manchmal zeigt sich eine Gans, ein Fisch oder Ähnliches im Farbverlauf. Die Mediengestalterin Carolin Hohmann braucht keine teure Kamera, um ihre tollen Landschafts- und Architektur Motive kunstvoll in Szene zu setzen. „Es ist der Blick auf die ganz alltäglichen Dinge, das Licht und der richtige Moment.“ Auch für den Fotografen Jürgen Libertus, sonst eher in den sozialen Netzwerken und in Foren unterwegs, war es die erste Ausstellung: „Nichts, überhaupt nichts, kann ein Gespräch mit den Menschen ersetzen, die vor deinen Bildern stehen und sie kommentieren. Das ganze Liken ist dagegen irgendwie wertlos.“

Wie im Märchen konnten sich die Zuschauer der Modenschau im Tal 1 fühlen – auf dem Laufsteg kamen Models aus dem Freundes- und Bekanntenkreis zum Einsatz. Edelmodedesignerin und Kostümbildnerin Lydia Stüpp schneidert aufwändige Themenkostüme aus Materialien, die scheinbar nicht zusammenpassen –Stoff, Folie, Tüll und Pelz. Der glorreichen „Imperette“ hatte sie frisches Gras als Kopfschmuck verpasst – sehr vergänglich, aber wunderschön. Die Bergheimerin Claudia Bethscheider verwandelt edle Stoffe und Spitzen, funkelnde Steine, echte Federn und exklusive Materialien zu fantasievollen Hutkreationen. Über eines sind sich die Organisatoren einig: die Glessener Kunsttage wird es in zwei Jahren auf jeden Fall wieder geben.

 

 

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