Zwischen Vernunft und Verführung

Der Capri wird 50

Mein Vater war eher ein Opel Fan, aber als sein Schwager ihm günstig seinen silbernen Ford Capri abtrat, konnte er nicht nein sagen. Mein kleiner Bruder und ich waren schwer beeindruckt, als der schicke Flitzer in unserer Einfahrt stand. Ich weiß nicht, was ich schöner fand – die todschicke, weinrote Innenausstattung, die lange Schnauze, das dramatisch geschwungene Heck, die hübschen Kulleraugen. Ich weiß auch nicht, was der Grund war, warum er unsere Familie letztendlich wieder verlassen musste – hätten wir ihn behalten, hätten wir heute einen echten Klassiker.

“Ein außergewöhnliches Fahrzeug für einen gewöhnlichen Markt” – so kündigte Ford vor 50 Jahren seinen Capri an – einen echten Volkssportler, der auch in Köln vom Band lief. Im Januar 1969 hatte das neue Auto seine internationale Publikumspremiere auf dem Brüsseler Automobilsalon und wurde noch im gleichen Monat in der Bonner Beethovenhalle der deutschen Fachpresse vorgestellt. Ursprünglich hätte der Capri übrigens Colt heißen sollen. Aber wie sich herausstellte, führte bereits ein fernöstlicher Hersteller diesen Namen in seinem Modellportfolio.

Der Capri ist mehr als ein mittelgroßer Kompromiss zwischen Sport-Coupé und Familienwagen. Gemessen an Sportwagen-Standards ist er überaus geräumig und hatte Platz für vier Personen samt Gepäck. Unter seiner Motorhaube schlummern Eigenschaften, die einen echten Sportwagen auszeichnen – bis auf den Preis. Erfunden hat diese Mischung aus „Vernunft und Verführung“ der US-Designer Philip T. Clark, der auch Schöpfer des legendären Ford Mustangs war.

Träume mit Bodenhaftung

Der Capri hat es geschafft, im Verlauf von fünf Jahrzehnten ohne Verlust von Anmut und Spannkraft vom populären Alltagssportwagen für Jedermann zum begehrten Klassiker zu reifen. Nach ausführlichen Marktforschungen rechneten die Modellplaner mit einem deutlich überwiegenden Anteil junger Käufer in der Altersspanne 18 bis 29 Jahren. Die Marketingexperten vergaßen natürlich nicht, auch reifere Jahrgänge anzusprechen. Und weil die Älteren meist doch mehr von Vernunft gelenkt werden als von Adrenalinstößen, wurden auch Familienkompetenz und Nutzwert des Capri herausgestellt.

1973 war das erfolgreichste Jahr der gesamten Capri-Historie: In kürzester Zeit stürmte das Auto mit den Kölschen Wurzeln die Herzen seiner Zielgruppe, denn schon zur Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt/M. des Jahres 1969 konnte Ford vermelden: Inzwischen sind in Köln rund 75.000 Capris gebaut worden. Und obwohl die Produktion dieses Modells seit Januar ständig erhöht wurde, gelang es nicht, mit der ungewöhnlich lebhaften Nachfrage Schritt zu halten.

DER Ford Capri schlechthin aus Sicht vieler Enthusiasten, Fans und Motorsportfreunde war und ist bis heute der Ende 1970 vorgestellte 2600 RS – das bis dato sportlichste Modell der Marke überhaupt. Für schlanke 15.800 DM erhielten sportlich ambitionierte Fahrer ein Auto mit sechs Zylindern, Kugelfischer-Einspritzung, tiefergesetztem Sportfahrwerk und 150 munteren Pferden unter der mattschwarzen Motorhaube, dessen markantes Doppelscheinwerfer-Gesicht in Motorsport-Konfiguration schon bald auf Augenhöhe mit der erfolgsverwöhnten Porsche-Phalanx auftauchen sollte.

Die zweite Generation – Der Ford Capri II

Den günstigsten Zeitpunkt, mögliche Kunden mit einem Schuss ins Herz zu “erlegen”, hatte Diana, die Göttin der Jagd, in Gestalt des Ford Capri II (Projektname: “Diana”) im Februar 1974 nicht wirklich erwischt. Im Jahr zuvor, 1973, hatte die sogenannte Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten und Geschwindigkeits-Beschränkungen ein politisches Klima heraufbeschworen, das sportliche Fahrzeuge fast wie Verirrungen erscheinen ließ. Dass der zweiten Generation des Erfolgsmodells trotzdem die Herzen zuflogen, lag wohl auch daran, dass sie Vernunft-Argumente noch lässiger zu bedienen vermochte als der Vorgänger.

Lange Motorhaube, niedrige Dach- und Gürtellinien, knackig-kurzes Hinterteil – dies waren Kennzeichen auch des Ford Capri II. Mit großflächigen, in die Karosserielinie einbezogenen Rechteck-Scheinwerfern samt integrierten Blinkleuchten sowie glatten Oberflächen und einer geradlinig durchgezogenen Stoßstange vermittelte der Ford Capri II noch mehr Sachlichkeit und Klarheit. Schlanke, weit nach hinten gezogene Seitenfenster streckten zudem den Aufbau und ließen ihn graziler wirken, während hübsche Details wie die kleine Erhebung auf der Motorhaube oder ein schwarzer Frontgrill die Baureihe mit sportlichen Akzenten weiter aufwerteten.

Die dritte und letzte Modell-Generation des Ford Capri stellte sich im März 1978 der Öffentlichkeit vor und reckte stolz eine neu gestaltete Bugpartie mit Halogen-Doppelscheinwerfern und einen Fronthauben-Überhang mit integriertem Spoiler in den Wind. Das war kein Imponiergehabe, sondern eine Maßnahme zur Verbesserung der aerodynamischen Effizienz.

Insgesamt wurden bis 1986 rund 1,9 Millionen Ford Capri-Exemplare produziert – ein überaus erfolgreiches Kapitel deutscher und europäischer Automobilgeschichte.

Quelle: Pressemitteilung der Ford Werke

 

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