Im Urlaub kalt erwischt – Corona in Indien

Foto indische Tänzerinnen
In Kumbakonam sehen wir durch Zufall die Aufführungen verschiedener Tanzgruppen im Rahmen eines Musikfestivals.

Unsere Reise durch Südindien hatten wir über ein halbes Jahr lang geplant. Wir hatten uns gründlich vorbereitet und alle empfohlenen Impfungen absolviert. Auch unsere Reiseapotheke war für einige mögliche Notfälle gerüstet. Schließlich wollten wir ja eigenständig etwas mehr als 6 Wochen durch das Land reisen und dabei möglichst nah an die Menschen kommen. Mit allem hatten wir gerechnet aber nicht damit, auf den letzten Drücker vor dem Einstellen des Flugbetriebs von Indien nach Hause zu müssen. Nun aber der Reihe nach:

Entspannter Urlaubsbeginn nach langer Vorfreude

Unser Flug nach Chennai startete am 13.2.2020. Karneval stand kurz bevor und in Bayern hatten sich die ersten Personen mit dem Corona-Virus infiziert. Es hieß, das wäre nicht schlimmer als die Grippe. Vor dem Abflug checkte ich die Karte des John Hopkins-Instituts auf Corona-Fälle in Indien – kein Infizierter. Also konnte es unserer Meinung nach in Indien nur besser sein als zu Hause.

Aufgrund der vielen neuen Eindrücke in Indien verdrängten wir das Thema komplett und lasen auch keine Nachrichten.

Erste Informationen über Corona in anderen Ländern

Erst nach ca. 14 Tagen drang das Thema wieder in unser Bewusstsein, als wir von den Fällen in Gangelt hörten. Aber wir waren nicht in Gangelt gewesen und machten uns keine Gedanken. Nach und nach erreichten uns dann Nachrichten von zu Hause, dass Toilettenpapier, Nudeln und Hefe nicht mehr zu kaufen wären. In Indien waren die Geschäfte voll und ich fragte spaßeshalber meine Geschwister und unsere Kinder, ob ich Toilettenpapier schicken sollte. Unser Sohn antwortete: Ja, bitte faxen. Dann hörten wir von Italien, Frankreich und Spanien. Da merkten wir, dass die Sache nicht spaßig war. Aber in Indien war von Corona keine Spur und wir fühlten uns dort sicher.

Die Lage in Indien verändert sich

Wir waren fast 4 Wochen in Indien unterwegs, als die ersten beunruhigenden Anzeichen für eine Verschlechterung der Lage auftauchten: Wir wurden von einem Vermieter angeschrieben, dass er uns die Ferienwohnung, die wir in 3 Tagen beziehen wollten, auf Grund von Corona kündigen würde. Alle Hinweise darauf, dass wir schließlich schon 4 Wochen im Lande unterwegs wären und keine Anzeichen einer Infektion hätten, nützten nichts. Schnell fanden wir im Internet eine Alternative und buchten diese. Wir taten dies als Überreaktion eines besorgten Inders ab.

Bis dahin waren die Menschen uns gegenüber sehr neugierig und wollten auch gerne mit uns und von uns fotografiert werden.

Foto Frauen beim Abwasch
Die Menschen in Südindien lassen sich gerne fotografieren.

Dann tauchten die ersten Masken auf den Straßen auf. Ein Tuktuk-Fahrer brachte uns unaufgefordert zu einer Apotheke, damit wir uns dort Masken kauften. Es war zwar keine Vorschrift, aber er meinte, es wäre besser für uns. Insgesamt klapperten wir vier Apotheken ab, wurden aber nicht fündig. Ein Taxifahrer, der uns von unserem Zimmer abholte, trug eine Maske. Er sagte, sein Chef hätte sie ihm vorgeschrieben. Es wäre aber kein Problem, wenn wir keine hätten. Zu dem Zeitpunkt waren wir in Kerala unterwegs und in diesem Bundesstaat gab es lt. offiziellen Zahlen 14 Infizierte.

Ein vorzeitiges Urlaubsende zeichnet sich ab

Wir fuhren dann nach Ooty in Tamil Nadu. Hier überschlugen sich die Ereignisse: Am 17.3. machten wir einen organisierten Ausflug in die Teeplantagen. Der Ausflug startete ganz normal. Dann hieß es plötzlich, dass Sehenswürdigkeiten aufgrund von Corona geschlossen wären. Unser Reiseleiter wusste davon nichts und es wurde ein verkürztes Programm organisiert. Die Einheimischen waren teilweise nicht mehr so nett und ab und zu hörte man das Wort „Corona“, wenn sie uns sahen. Am Abend kam dann unsere Überlegung, den Aufenthalt in Indien zu verkürzen, wenn doch alle Sehenswürdigkeiten geschlossen sind. Hier in den Bergen war es aber sehr schön und die Temperaturen waren angenehm.

Foto Teeplantage
Hier in den Teeplantagen ist es ruhig und die Temperaturen sind angenehm.

Deshalb wollten wir noch ein paar Tage dort bleiben und unser restliches Besichtigungsprogramm streichen. Kurzentschlossen buchten wir unseren Rückflug vom 28.3. auf den 23.3. um. Die bereits gebuchten Unterkünfte konnten wir in den entsprechenden Internetportalen auf Grund von Corona kostenlos stornieren.

Die Ereignisse überschlagen sich

Eine halbe Stunde nachdem wir den Flug umgebucht hatten, klopfte es an unsere Zimmertüre. Der Manager des Hotels brachte uns die Nachricht, dass die Offiziellen des Kreises Ooty entschieden hätten, alle Hotels zu schließen. Wir müssten am anderen Tag bis 8 Uhr das Hotel verlassen haben. Wir waren geschockt und erst einmal ratlos. Dann las ich im Internet, dass Macron gefordert hatte, die Schengen-Grenzen zu schließen. Der Premierminister von Indien, Narendra Modi, hatte sich mit einer Reihe anderer Staatsoberhäupter der Region beraten und drängte auf eine schnelle Schließung der Grenzen dieser Länder in Südasien. Diese sollte erfolgen, sobald in einem Land mehr als 100 Personen infiziert wären. Inzwischen waren in ganz Indien, einem Land mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern, 117 Personen infiziert. Dies sind natürlich immer nur die offiziellen Zahlen. Wir hatten extra für die Reise einen Newsletter des Auswärtigen Amtes speziell für Indien abonniert. Bisher war nur auf die allgemeine Gefahrenlage in Indien hingewiesen worden. Nun kam die Aufforderung, sich für eine evtl. Evakuierung registrieren zu lassen. Das funktionierte aber nicht, weil der Server des Auswärtigen Amtes völlig überlastet war. Da wurde uns mulmig. Uns war klar, dass das Gesundheitssystem in Indien nicht mit dem in Deutschland vergleichbar ist und ein Abwarten auf ein Ende der Pandemie in Indien keine wirklich gute Idee wäre.

Foto Mann im Fluss
In den Backwaters bei Kerala leben die Menschen am und im Wasser.

Kurzentschlossene Fahrt zum Flughafen

Am anderen Morgen, nach einer unruhigen Nacht, entschieden wir uns, auf dem schnellsten Weg nach Bangalore zum Flughafen zu fahren und von dort so schnell wie möglich nach Hause zu fliegen. Eigentlich hatten wir für diese Etappe zwei Tage geplant, aber nun pfiffen wir auf Gemütlichkeit und wollten nur so schnell wie möglich aus Indien raus. Die Strecke vom Hotel zum Flughafen war etwas mehr als 370 km lang. Als Fahrtzeit wurden mindestens 7,5 Stunden durch unseren Rezeptionisten angegeben. Er vermittelte uns dann einen Fahrer, der uns sehr sicher und souverän durch den doch etwas „anderen“ indischen Verkehr in etwas mehr als 8 Stunden zum Flughafen fuhr.

Am Flughafen dann die Überraschung: Es gab keinen Schalter unserer Fluggesellschaft. Überhaupt kommt man in das Terminal nur mit einem gültigen Ticket. Also im Lärm vorm Flughafen die Hotline der Fluggesellschaft angerufen. Nach mehreren Runden durch die Warteschleife und automatisierte Ansagen war ich hochgradig genervt. Endlich ein Mensch am Telefon. Ein Flug am Freitag, den 20.3. war noch für einen akzeptablen Aufpreis verfügbar. Den nehmen wir! Dann suchten wir uns im Internet ein Hotel für die nächsten zwei Nächte.

Beim Einchecken im Hotel wurde bei uns Fieber gemessen. Das Hotel hatte einen schönen Innenpool – leider geschlossen wegen Corona. Das hoteleigene Restaurant war ebenfalls wegen Corona geschlossen genauso wie die Bar. Aber wir konnten uns etwas kochen und aufs Zimmer bringen lassen. Der Koch schien nur noch für uns da zu sein. Im gesamten, großen Gebäude, sahen wir am 1. Tag  nur noch 2 andere Gäste. Dafür hatten wir auf unserem Balkon Besuch von einer Horde Affen, die diesen vollkommen selbstverständlich für sich in Besitz nahmen.

Foto zwei Affen auf Geländer
Eine Affengruppe nimmt ganz selbstverständlich unseren Balkon in Beschlag. Wir schauen uns das Ganze lieber von innen an.

Funktioniert die Rückreise?

Am Freitag standen wir früh auf. Bis dahin war die große Ungewissheit, ob unser Flug wirklich gehen würde. Die Spannung hielt sich, bis wir im Flieger nach Dubai saßen. Die Maschine, eine Boeing 777, war nur mit geschätzt 60 Passagieren besetzt.

Foto fast leeres Flugzeug
Auf dem Rückflug von Banaglore nach Dubai ist die Boeing 777 fast leer.

In Dubai stiegen wir dann in einen A 380 nach Düsseldorf um. Die Maschine ist für etwas mehr als 500 Passagiere ausgelegt. Gefühlt waren alle Plätze besetzt. Nur wenige Menschen trugen Mund-Nasen-Schutz. Alle Crew-Mitglieder trugen diese aber. Eigentlich hatten wir uns gedacht, dass wir spätestens beim Einsteigen nach irgendwelchen Symptomen gefragt würden und evtl. Fieber gemessen werde. Nichts davon war der Fall.

In Düsseldorf landete der Flieger überpünktlich. Auch hier keine Gesundheitskontrolle. Im Gegenteil: Wir standen mehr als 1 Stunde zusammen mit den anderen Passagieren, die aus allen möglichen Ländern kamen, am Gepäckband und warteten auf unser Gepäck. Zuhause angekommen, begaben wir uns für 14 Tage in freiwillige Quarantäne. Am Montag, den 23.3. wurde der Flugbetrieb von und nach Indien komplett eingestellt. Wir hatten richtig Glück gehabt! Trotz der Dramatik am Schluss hatten wir einen wunderschönen Urlaub mit sehr vielen neuen Eindrücken, die wir so schnell nicht vergessen werden. km

Impressionen aus Indien – ein Land für alle Sinne