Heimentgelte und Bewohnerbeirat

Heimentgelte die Black-Box für Bewohner und Einrichtungs-/Pflegedienstleitung.

Dies in der Zeit der fehlenden Pflegekräfte, der steigenden Zahlungen für Bewohner, der fehlenden Plätze bei gleichzeitig unverminderter Konzentration auf wenige Großbetreiber und internationale Investoren.  Seit Anbeginn sieht das Pflegeversicherungsgesetz (SGB) XI verschiedene Beteiligungen der Interessenvertretung der Bewohner in der Einrichtung vor, so auch bei der Entgelterhöhung.

Nutzen wir wenigstens die gesetzlich gegebenen Möglichkeiten.

Der Träger entwickelt, aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht, nach vorgegebenen Kriterien seine zukünftigen Forderungen und reicht diese der verhandlungsführenden Landes-Pflegekassen ein. Einrichtungsträger verhandeln direkt oder über ihre Verbandsvertreter. Den Betreibern der Einrichtungen werden die Verhandlungsergebnisse zur Umsetzung übermittelt. Die einzelnen Kosten-Positionen bleiben für den Betreiber oft im Dunkeln. Der Träger entnimmt seine Erlöse für Kosten der Zentrale (Overhead) aus der Einrichtung.

Das derzeitige Verfahren zur Vergütungsfindung ist von einer Reihe Defiziten geprägt. Hier nur drei, die für jeden nachvollziehbar sein sollten.

Erstens führt die Zusammensetzung der Vertragspartner zu Repräsentationsproblemen. Die Pflegekassen verhandeln über Vergütungszuwächse, die sie nicht selbst finanzieren müssen. Die überörtlichen Sozialhilfeträger, Landschaftsverbände in NRW, müssen nur den Teil der Vergütungszuwächse finanzieren, der auf die Sozialhilfeempfänger entfällt. Die pflegebedürftigen Bewohner, als Zahler, sind in den Verhandlungen nicht repräsentiert.

Zweitens führt die Berücksichtigung heimindividueller Kosten bei den Verhandlungen zu Anreizproblemen. Aufgedeckte Kostensenkungen durch Rationalisierung einer Periode führen in der nächsten Periode zu Budgetkürzungen, so werden den Einrichtungen Anreize zur Effizienzsteigerung genommen.

Drittens die Zahlenwerte müssen nicht mit den effektiven Werten übereinstimmen. Es werden keine testierten Bilanzzahlen abgefordert. Die Einsichtnahme in die Pflegebuchführung unterbleibt, vielleicht weil eine Ahndungsvorschrift fehlt.

Nach den Verhandlungen gelten die Ergebnisse für und gegen den Bewohner. Das notwendige Erhöhungsverlangen gegenüber dem jeweiligen Bewohner hat Formen zu beachten. Bis es soweit ist, gilt es für den Träger formal noch andere Hürden zu überwinden. 

Die Verhandlungsergebnisse fallen nicht vom Himmel; es gelten eingeübte Spielregeln. Jedes Bundesland hat eine eigene Landes-Pflegesatz-kommission. Die Pflegekassen handeln mit den 5 Wohlfahrtsverbänden und mit dem Verband der Privaten Anbieter Nachweise und Berechnungskriterien zur einheitlichen Leistungsfindung nach den geltenden Gesetzen und Verordnungen aus. Auf dieser Grundlage bereiten die Einrichtungsträger ihr einrichtungsspezifisches zukünftiges Verlangen nach den aktuell geltenden Formalien auf.

Die gesetzliche Vorabkontrolle der Interessenvertretung der Bewohner in der Einrichtung ist in der Öffentlichkeit unbekannt. Dem Bewohnerbeirat wird seine Mitwirkung spätestens bei seiner notwendigen Unterschrift bekannt. Kennen die derzeit Gewählten die Tragweite und können sie wirklich die Plausibilität zwischen Ist und Forderung ohne weiteres prüfen.  Die überwiegende Mehrheit unterschreibt, des lieben Friedens willen. Einzelne lassen sich im Nachhinein aufklären.

Kontrollinstanz Bewohnerbeirat

  • 85 Sozial-Gesetz-Buch (SGB) XI Absatz 3 Satz 2 letzter Halbsatz ist die Grundlage der Interessenvertretungen; es heißt:“.. es hat außerdem die schriftliche Stellungnahme der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen.“

Die landesrechtlichen DurchführungsVerordnungen nehmen Bezug auf die Grundlage und formulieren unterschiedliche Teilhabe.

  • 12 Abs.1 Nr.2 Wohn und Teilhabe Gesetz (WTG)-NRW Durchführungsverordnung- nennt: Mitwirkung des Beirates (Beratung und Mitsprache) bei der Entscheidung
  • 24 RP-LWTG-–-Durchführungsverordnung-

Aufgaben und Rechte

(3) Der Vertretung der Bewohnerinnen und Bewohner ist bei vorgesehenen Änderungen der Entgelte der Einrichtung rechtzeitig Gelegenheit zu geben, die Angaben des Einrichtungsträgers durch Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen zu überprüfen. Der Einrichtungsträger ist verpflichtet, die Vertretung der Bewohnerinnen und Bewohner rechtzeitig vor der Aufnahme von Verhandlungen über Vergütungsvereinbarungen mit den Leistungsträgern anzuhören (umfasst Mitteilung der entscheidungserheblichen Tatsachen) und ihr unter Vorlage nachvollziehbarer Unterlagen die wirtschaftliche Notwendigkeit und Angemessenheit der vorgesehenen Änderungen der Entgelte in leicht verständlicher Form zu erläutern. Der Vertretung der Bewohnerinnen und Bewohner ist auch Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme zu geben.

Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

§ 85 SGB XI Pflegesatzverfahren

(1) Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze werden zwischen dem Träger des Pflegeheimes und den Leistungsträgern nach Absatz 2 vereinbart.

(2) Parteien der Pflegesatzvereinbarung (Vertragsparteien) sind der Träger des einzelnen zugelassenen Pflegeheimes sowie

  1. die Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger,
  2. die für die Bewohner des Pflegeheimes zuständigen Träger der Sozialhilfe sowie
  3. die Arbeitsgemeinschaften der unter Nummer 1 und 2 genannten Träger,

Zwei Parteien verhandeln in unterschiedlicher Stärke

Einrichtungsträger

Pflegekassen

 

Sozialhilfeträger

 Werden die Bewohner vertreten?

§ 85 SGB XI Absatz 3 Satz 2 letzter Halbsatz

(3) Die Pflegesatzvereinbarung ist im Voraus, vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode des Pflegeheimes, für einen zukünftigen Zeitraum (Pflegesatzzeitraum) zu treffen.

Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen; es hat außerdem die

schriftliche Stellungnahme

der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen.

Der Bewohnerbeirat ist gefordert

Soweit dies zur Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer Vertragspartei zusätzliche Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Hierzu gehören auch pflegesatzerhebliche Angaben zum Jahresabschluss entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflegebuchführung, zur personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten sowie zur tatsächlichen Stellenbesetzung und Eingruppierung. Dabei sind insbesondere die in der Pflegesatzverhandlung geltend gemachten, voraussichtlichen Personalkosten einschließlich entsprechender Erhöhungen im Vergleich zum bisherigen Pflegesatzzeitraum vorzuweisen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren.

Die Pflegebuchführungsverordnung beinhaltet eine gesonderte Nachweispflicht der Kosten und Erlöse mit Verbuchungsvorschriften nach Kostenstellen, sie ist der KrankenhaushausbuchführungVO nachgebildet. Der Ansatz zeigt deutlich, dass der Bewohner nicht als Mensch, sondern als Erlös- und Kostenfaktor abgebildet wird. Nur was dokumentiert ist, kann abgerechnet werden.

  • Pflegebedürftige Menschen sind aber keine Produkte, die einmal abgestellt, sich erst bewegen, wenn sie es dürfen.
  • Pflegekräfte können sich nicht nur auf einen Bewohner allein konzentrieren. Sie müssen viele Tätigkeiten gleichzeitig und mehrfach bei verschiedenen Bewohnern verrichten.

Die größte Kostenposition sind die Personalkosten.

Eine Pflegeeinrichtung bringt die Leistungen eines Hotels (Unterkunft &Verpflegung (U&V) und Investition (I)) und zusätzlich die Pflege in unterschiedlicher Intensität. Die Einrichtungen unterscheiden sich durch die selbst definierte Qualität als Mindeststandard ihrer Leistung. Das dazugehörige interne Qualitätsmanagement refinanziert sich in der Industrie selbst durch die Optimierung der Abläufe. In der Pflege wird Qualität gefordert und auch durch die Bewohner zusätzlich refinanziert. In den Standards wird von eigenständigen Einrichtungen mit einer Verwaltungs-(Betriebs) Leitung und einer verantwortlichen Pflegedienstleitung ausgegangen und refinanziert. Hat ein Träger mehrere Einrichtungen mit einer zentralen Geschäftsführung, könnten keine höheren Kosten (Overhead), sondern es sollten durch die Optimierung geringere Kosten für eine Einrichtung anfallen und verrechnet werden. Die Optimierung der Kosten findet betriebswirtschaftlich statt, wird an die Bewohner aber nicht adäquat weitergegeben, siehe oben Zweitens. Auch so erklären sich jährliche Reingewinne von über 10 Prozent bei den Betreiberketten.

Der Abgleich vor Ort kann nur erfolgen, wenn die verhandelten Werte bekannt sind. Die Kosten für die Kaltmiete, die Investitionskosten (I), werden von der zuständigen Landesbehörde als Verwaltungsakt für die Einrichtung beschieden und können überwiegend außerhalb der Betrachtung bleiben. Das Hauptaugenmerk soll den Personalkosten (PK) gelten, die sich einerseits an dem vorgegeben Personalschlüssel des Landes und den gezahlten Gehältern orientiert. Die Anhaltswerte beziehen sich jeweils auf eine Vollkraft (VK) mit einer reinen Jahresarbeitszeit von 1.600 Stunden, inklusiv Arbeitgeberkosten von circa 25 Prozent.

Personalschlüssel

Rahmenvertrag nach § 75 SGB in Rheinland-Pfalz

Pflegegrad abhängig

Pflegekräfte

Pflegegrad 1

1:7

Pflegegrad 2

1:4,07

Pflegegrad 3

1:3,23

Pflegegrad 4

1:2,56

Pflegegrad 5

1:1,8

Heimplatzabhängig

Soz. Dienst/Ergotherapie

= 1:50

verantwortliche PflegeKraft pro Einrichtung

plus 1,0

 

 

Praxisanleitung

= 1:7

Qualitätsmanagement

1:200 max. 1,0 VK

Heimleitung

ab 30 HP = 1,0 VK

Verwaltung

1:35

• bis 75 Heimplätze

1:37,5 (wg. SGB XI 1:30)

• bis 120 Heimplätze

1:40,0 (wg. SGB XI 1:35)

Pforte

 

Küche, Hauswirtschaft, HWL Reinigung

1:6,74

 

 

 

Wäscherei

1:30

Hausmeister

1:50

Gewinnung Ehrenamtlicher

 

Bis 50 = 0,5

Max 1,0

Für den Bewohnerbeirat drängen sich immer die gleichen Fragen auf.

  • Welche Jahrespersonalkosten werden für die Positionen hinterlegt/berechnet?
  • Welche Positionen werden anteilmäßig in Pflege und U&V aufgeteilt?
  • Welches zukünftige Stellen-Soll (VK) mit welcher Steigerung bei den (PK)
  • bei welcher erwarteten Belegung je Pflegegrad soll verhandelt werden?
    Wichtig zu wissen: Die Vergangenheitsdaten werden als Grundlage zur Plausibilität der Datengrundlage genommen.

Hauptkritikpunkt am System

Der Träger wird nicht veranlasst, testierte Vergangenheitszahlen zu belegen. Ein Abgleich zwischen Ist- und Sollwerten findet nicht statt. Die Plausibilität wird damit immer gegeben sein. Strafbestimmungen fehlen.

Wenn Bewohnerbeiräte ungeprüft Unterschriften für das Verhandlungspapier mit den Pflegekassen leisten, wird das Gesetz zu Lasten der Bewohner umgangen.

Nach über 20 Jahren von Heimentgeltverhandlungen muss ein Bundesgericht auf die Einhaltung des Gesetzes pochen.

Bundessozialgericht stärkt Heimbeirat

mit Urteil vom 26.09.2019 – B 3 P 1/18 R. Der Tenor lautet: Der Interessenvertretung der Heimbewohner/innen muss zwingend die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu der Forderung nach Erhöhung der Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung eingeräumt werden, und zwar grundsätzlich schon vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen.

War die Mitwirkung und Mitbestimmung in der Bonner Republik beim Wiederaufbau unverzichtbar, hat sich die Mentalität des Alleinherrschers in den Unternehmen und Einrichtungen wieder breit gemacht. Die Mitarbeiterführung ist gerade in Zeiten der Personalknappheit ausschlaggebend.

Aufsichts- und Verwaltungsräte oder Beiräte haben die verantwortungsvolle Aufgabe die Unternehmensleitung zu beraten und zu überwachen; der Wirtschaftssektor weist hier eine lange und gefestigte Tradition auf. In den letzten Jahren haben auch die Träger von Krankenhäusern, Pflegeheimen sowie anderer Einrichtungen und Leistungserbringer im Gesundheitswesen begonnen, ihre Management-Strukturen, Betriebsformen und Aufsichtsgremien den wachsenden wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen anzupassen.

Nicht jammern über fehlende Pflege bei hohen Kosten, aktiv werden.

Es wird hier auch auf die kostenlose Dialogveranstaltung am 7.4.2020 in Bonn hingewiesen, eine Anmeldung ist unter www.biva.de erforderlich.  – Veranstaltung verschoben Neuer Termin wird eingestellt!! –

Die BIVA bietet In-house Schulungen an. Dieser Beitrag wurde nach einer Bewohnerbeiratsberatung erstellt. Die erstellte Präsentation zur Vertiefung >> hier <<

Beitrag „Heim-Beirat“ wird fortgeführt! 

Bei Interesse wird für 2021 eine Schulung a) von Freitag 17:00 Uhr bis Sonntag 15:00 Uhr oder b) von Montag 10:oo Uhr bis Freitag 15:00 geplant und durchgeführt.

Gerne gehen wir auf Ihre Anregungen und Fragen ein, schreiben Sie uns

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