Internationale Finanzinvestoren übernehmen immer mehr deutsche Pflegeheime
Jährlich werden in Deutschland 23 Milliarden Euro für stationäre und weitere 11 (elf) Milliarden für ambulante Pflege ausgegeben. Ein wachsenden Teil des Kuchens schneiden sich private Unternehmen ab. So investierten Finanzinvestoren 2018 in Europa 10,9 Milliarden Euro in der Pflegebranche. Der Großteil entfällt auf deutsche Altenheime.
Nordic Capiital übernahm den Pflegeheimbetreiber Alloheim Senioren-Residenzen für 11,3 Milliarden Euro. Der jüngste Deal ist noch ganz frisch: Am Donnerstag kaufte der französische Investor Primonial ein Portfolio des Pflegedienstleisters Charleston aus 20 Pflegeheime mit knapp 2000 Betten in sechs Bundesländern. Details wurden nicht genannt. Marktexperten schätzen den Wert auf rund 250 Millionen Euro. Klar ist: Es ist eine der größten Transaktionen mit Pflege – und Gesundheitsimmobilien in diesem Jahr.
Damit gelingt den Franzosen ein Coup auf dem immer härter umkämpften Markt. Das Geschäft mit Pflegeheime in Deutschland fristete viele Jahre ein Nischendasein. Investoren scheuten die Risiken der Personalkosten, Immobilien, und deren Erfolgsaussichten vor allem vom Geschick der Betreiber abhängen. Doch in Zeiten von Niedrigzinsen und Angebotsknappheit auf dem Immobilienmarkt haben sich Altenheime und Gesundheitsimmobilien zu einem Trend entwickelt. Es locken hohe Renditen und das Versprechen guter Geschäfte in Deutschland, die die alternde Gesellschaft mit sich bringt. Der Trend lässt sich an den Zahlen ablesen. Allein im ersten Halbjahr 2019 wurden 840 Millionen Euro am deutschen Markt für Altenheime und Gesundheitsimmobilien umgesetzt.
Lange Zeit wäre das schon ein respektables Jahresergebnis gewesen. Der Vergleich zum Vorjahr fällt nur deshalb so mager aus, weil 2018 von großen Deals geprägt war. So hat Primonial eine Beteiligung an einem vorwiegend aus Altenheimen und Reha-Kliniken bestehenden Portfolio gekauft, das allein so viel wert war wie das komplette Halbjahresergebnis 2019.
Gesicherte Mieten in Deutschland
Am gesamten deutschen Investmentmarkt, der sich im gleichen Zeitraum auf 30 Milliarden Euro beläuft, macht das Segment bislang nur einen kleinen Anteil aus. Die Nachfrage aber steigt seit Jahren. Das Volumen hätte noch deutlich höher ausfallen können, doch es gibt zu wenig Angebote auf dem deutschen Markt.
Die Mieten seien gesichert, weil bei Selbstzahlern im Zweifel die Sozialhilfe und somit die Kommune einspringt, oder aber die Angehörigen. Den Großteil des Marktes machen Pflegeimmobilien aus, deren Anteil Experten auf 80 Prozent schätzen. Die Grundlagen für diese Immobilien scheinen wegen der alternden Bevölkerung vielversprechend.
Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln wird sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von heute 3,4 Millionen Menschen bis 2030 auf rund vier Millionen erhöhen. Der Zentrale Immobilienausschuss, der Lobbyverband der Immobilienbranche, rechnet mit 30 Milliarden Euro an Investitionen, die bis dahin für neue Einrichtungen nötig sind. Weitere 40 Milliarden müssten in die Erhaltung der bestehenden Heime investiert werden. Die Pflege ist in Deutschland ein heiß diskutiertes Thema. In einem Gastbeitrag im ZDF kritisierte Gesundheitsminister Jens Spahn, zweistellige Renditeerwartungen im Pflegebereich. Vor allem private Betreiber stehen am Pranger. Laut Pflegestatistik stellen sie 52 Prozent der verfügbaren Plätze. Tendenz weiter steigend: 2003 waren es erst 30 Prozent. Auch Minister Spahn sagte, dass die privaten Anbieter einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Milliardeninvestitionen in Pflegeheime stemmen zu können. Hier hat der Minister leider nicht unterschieden zwischen den großen bundesweiten Privat-Anbietern und Betreibern, wie Korian Gruppe (Platz 1 mit 26.600 Plätzen), Alloheim (Platz 2 mit 20.200 Plätzen); Victors Group (Platz 3 mit 15.000) und deren ausländischen Großinvestoren und den sogenannten Kleininvestoren und Fonds. Auch die Fonds finanzieren auf 25 Jahre, auch den (Ersatzneu-) Bau kommunaler Einrichtungen, mit Inflationsschutz gesicherten Mieten, dies in der heutigen Zeit bei 0,8 % Zinsen auf 20 Jahren. Der Bürger erfährt davon nichts, er darf als Pflegebedürftiger die Miete zahlen. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn die Räte die laufenden refinanzierten Investitionen zum Erhalt des Objektes aus Eigenmitteln einfordern.
Markus Bienentreu, Geschäftsführer des auf Sozialimmobilien spezialisierten Beratungsunternehmens Terranus, weist den Vorwurf zu hohe Gewinne zurück: Bei den Betreibern liege die Nettoumsatzrendite zwischen drei und fünf Prozent, bei den Immobilienverpächtern zwischen drei und sechs Prozent.Eine Umfrage der Ratingagentur Scope zufolge plant ein Drittel aller Fondsanbieter in den kommenden drei Jahren weitere Ankäufe in diesem Bereich Pflegeimmobilien. Keiner plant Verkäufe. Die zunehmende Konkurrenz bekommt auch Marc – Philipp Martins Kuenzel zu spüren. Er verwaltet die Gesundheitsimmobilien Fonds für Swiss Life Asset Managers. Im Grunde suchen alle nach dem gleichen Produkt: Neubauten mit 80 bis 120 Pflegeplätzen, Entsprechend hart wird der Markt umkämpft, sagt Martins Kuenzel. Das erkläre auch, warum Investoren zunehmend auf Gesundheitsimmobilien und Pflegeheimimmobilien ausweichen. Zu ihnen zählt der Fondsanbieter Immac. Seit mehr als zwanzig Jahren bietet er Kapitalanlegern die Möglichkeit, über geschlossene Fonds in Pflegeheime und andere Gesundheitsimmobilien zu investieren. Die Ankaufsfaktoren und erzielbaren Renditen haben sich in Dimensionen entwickelt, die wir nicht mehr für gut halten können, sagt Thomas Roth, Vertriebsvorstand bei Immac.
Reiche Privatanleger als Zielgruppe
Zuletzt ist Immac daher ausgewichen und hat einen Pflegefonds mit irischen Immobilien aufgelegt. In diesem Herbst (2019) soll zwar ein weiterer Deutschlandfonds auf den Markt kommen, der sich aber an gehobenere Einkommensklientel richtet: Die Mindestanlagesumme liegt bei 200.000 Euro. Im rund 90 Fonds umfassenden Portfolio der Immac gibt es aber auch einige, die eine Einstiegssumme ab 10.000 Euro oder 20.000 Euro vorsahen. Zielgruppe sind vermögende Privatanleger.
Unterschätzte Risiken
Nach Ansicht von Immac- Vorstand Roth werden die Betreiberrisiken des Pflege und Sozialimmobilienmaktes allerdings nicht mehr adäquat bepreist. Waren früher über 10% Rendite für den Anleger gesichert, sind es zur Zeit um die 5% . Der Investor ist der Bauherr, der Bauträger. Im Moment sind Investoren am Markt, die die Risiken offenbar nicht kennen oder missachten. Wer in Pflegeimmobilien investiert, ist darauf angewiesen, dass der Betreiber der Immobilie weiß, was er tut. Die Großinvestoren hinter den großen Betreibern halten ihr Investment für überschaubare und planbare 5 Jahre und veräußern dann mit Gewinn weiter. Die neuen Mieten werden gesichert refinanziert. Wer einen Aufschrei der Bürger, gar der Räte erwartet, wartet vergebens.
Entscheidend für den Erfolg eines Pflegeheims sind laut Bienentreu von Terranus drei Dinge, der richtige Standort, das Konzept des Hauses und eine Miethöhe, die einerseits die Bewohner nicht überfordert und dem Betreiber andererseits Raum für Marge und Instandhaltungen gibt.
Das gelte aber nicht nur für die großen Investoren, sondern auch für Anleger, die sich für ein klassisches Investment entscheiden und ein einzelnes Pflegeappartment kaufen. Diese sind in der Regel ab 100.000 Euro aufwärts zu erhalten. Sogenannte Aufteiler verkaufen die Betten in Pflegeheimen einzeln. Bienentreu schätzt, dass allein auf diesem Markt im vergangenen Jahr 500 Millionen Euro umgesetzt wurde.
Auch hier gebe es einen hohen Anlagedruck. Im Moment stehen die Renditen für privat Kapitalanleger zwischen 3,5 bis 4,0 Prozent. Teilweise werden diese Apartments verkauft, als gäbe es die Betreiberrisiken gar nicht. Wer ein solches Apartment kauft, dem drohen Mietausfälle, wenn das Bett nicht belegt werden kann.
Nicht verschwiegen werden soll, dass Kleineinrichtungen mit weniger als 50 Bettplätzen durch den Kostendruck Insolvenz anmelden müssen. Die Wirtschaftlichkeit ist ab 80 Bettplätzen bei kaufmännischer Führung gegeben.
Risiko Fachkräftemangel
Zudem drohen Investitionsnachforderungen, wenn das Heim saniert oder modernisiert werden muss eine Entscheidung , die in der Kompetenz des Betreibers liegt oder durch gesetzliche Auflagen ausgelöst werden kann. Außerdem gibt ein solches Apartment keine Garantie für einen Heimplatz im Alter. Wenn das Bett belegt ist, ist es belegt. Manche Heime bieten jedoch an, dass Eigentümer auf den ersten Platz der Warteliste rücken, sollten sie bedarf haben.
Das aktuell größte Risiko ist allerdings der Fachkräftemangel. Im Pflegebereich gilt eine Fachkraftquote von 50 Prozent. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge waren Ende 2018 allein in der Altenpflege 24,000 Stellen unbesetzt, Es gebe Heime, in denen ganze Etagen leer stehen, weil es nicht genügend Fachkräfte gibt. Bis zum Jahr 2035 werden in der stationären Altenhilfe rund 307.000 Pflegekräfte fehlen und mit dem Krankenhaus 500.000.
Nur wenn Pflegekräfte tariflich entlohnt werden, kann sich die Situation entspannen. Pflege gehört zur Daseinsvorsorge. Die privaten Gewinne fehlen zur adäquaten Entlohnung. Ein Umdenken kann ein Umsteuern bewirken. Nicht das materielle Pflegeergebnis nach Aufwand, die Würde des Menschen muss an erster Stelle stehen.
Die letzte Station geht uns alle an!
Bauminister Groschek hat einen „Mietendeckel“ für die Investitionskosten in Höhe der tatsächlichen Erstellung und Unterhaltungskosten gesetzlich festgeschrieben. Die Regierung Laschet (CDU/FDP) hat die Begrenzung aufgehoben; es gilt „Privat vor Staat“!
Der Bürger zahlt die sicheren Gewinne als „Sozialkosten“, das muss nicht sein!