Sexualität im Heim (k)ein Tabu

Sexualität ist ein Aufreger im Heim, nichts funktioniert besser als die „stille Post“.

Wie kann man nur in dem Alter.

Wir wollen den Beitrag: „Sexualität in der Pflege“ wieder aufnehmen und der Frage nachgehen, welche Einflussmöglichkeiten könnten die gewählten Mitglieder des Beirates haben. (Nachfolgende Ausführungen beziehen sich auf die Grundlagen für NRW, siehe unten, und gelten sinngemäß auch in anderen Bundesländern, siehe unter BIVA.)

Ein konkreter Aufreger im Alltag ist oft der Ausgangspunkt, wenn sich der Beirat mit der Sexualität in der Einrichtung auseinandersetzt. Hilfreich ist es, wenn sich die Mitglieder des Gremiums schon im Vorfeld mit der Problematik befasst und im Sinne aller und zum Schutze einzelner Bewohner die Angelegenheit diskutiert.

Sexualität im Alter – die Lust bleibt

Der, die Vorsitzende sollte die Diskussion im Gremium strukturieren. Vielleicht hilft zum Einstieg die Sendung ca. eine Stunde. Als erstes ist zu prüfen, ist es ein Problem, welches in das Spektrum der Aufgaben fällt. Ein Blick in die Verordnung gibt die Hilfestellung:

Der Bewohnerbeirat hat nach § 10 der NRW WTG-Durchführungsverordnung folgende Aufgaben:

  1. Maßnahmen bei der Einrichtungsleitung, der Leistungsanbieterin oder dem Leistungsanbieter zu beantragen, die den Nutzerinnen und Nutzern dienen,
  2. Beschwerden und Anregungen an die Einrichtungsleitung weiterzugeben und mit ihr darüber zu verhandeln,

Nach welcher der beiden Ziffern könnte die Diskussion geführt werden. Was ist der Anlass?

Haben sich Bewohner über das Verhalten eines anderen Bewohners beschwert, kann sich der Vorfall nur im öffentlichen Bereich abgespielt haben. Was sagt dazu

  • die Hausordnung?
  • die Einrichtungsleitung?

Wir suchen nach den Stichpunkten Hausordnung und Einrichtungsleitung in der Verordnung. Unter § 11 Ziffer 3 WTG-NRW DVO, es heißt:  zur Gestaltung der Hausordnung. Zur Umsetzung der Mitbestimmung informiert die Einrichtungsleitung den Beiratsvorsitz schriftlich über die mitbestimmungspflichtige Fragestellung.

Gut zu wissen ist:

  • Jedes Bewohnerzimmer ist, wie jede Wohnung, nach dem Grundgesetz Artikel 13 „Unverletzlichkeit der Wohnung“ geschützt. 
  • Mitbestimmen und gestalten kann man nicht im Nachhinein.

Zu den wesentlichen Lebensvollzügen des Menschen gehört nicht zuletzt seine Sexualität, als ein Teil seiner freien Entfaltung. Diese endet nicht mit dem Umzug in eine Einrichtung. In seinem bisherigen Leben war es in der Regel möglich, seine Sexualität entsprechend seinen Neigungen und Wünschen zu leben, geschützt durch Privatheit und Intimsphäre, in die kein anderer ohne seine Zustimmung einzudringen hatte. Dies hat weiterhin zu gelten. Auch hier hilft ein Blick in das Grundgesetz. In Artikel 2 heißt es bereits in Absatz eins, zweiter Halbsatz: „soweit er nicht Rechte andere verletzt“. Es gilt nicht das Recht des vermeintlich Stärkeren. Pflegekräfte sind nicht schutzlos. Übergriffe sind von diesen nicht zu dulden.

Die Einrichtungsleitung hat die Bewohner und die Mitarbeiter zu schützen.

Für die Diskussion im Beirat und darüber hinaus, ist die Handreichung der Barmherzigen Brüder zu Trier „Umgang mit Sexualität in den Einrichtungen“[1] als allgemeiner Einstieg in die Materie hilfreich. Heime an dem die sexuellen Bedürfnisse der Bewohner ernst genommen werden, ist die Maxime. Die Broschüre gibt einen Überblick und eine Handreichung für die Einrichtungsleitung. Die notwendige Mitwirkung der Bewohner wird nicht angesprochen.

Die Hausordnung ist eine formale, allgemeingültige Norm des Zusammenlebens, eine Ausgestaltung und Konkretisierung. Aus der Sicht des Heimbeirates ist zu prüfen, nimmt sie aktuell Rücksicht auf die Belange der Bewohner, Angehörige, Bekannte und Freunde oder sieht sie Einschränkungen zum optimalen Ablauf der Pflege vor oder missachtet die Hausordnung gar die Unverletzlichkeit der Wohnung. „Art. 13 GG sichert also das Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerin bzw. des Bewohners darüber, wer wann unter welchen Bedingungen Zugang zur eigenen Wohnung haben soll. Das gilt auch für die spezifische Situation der Einrichtung, wenn und soweit die betreffende Bewohnerin bzw. der betreffende Bewohner Kontakte nach außen pflegt oder pflegen will.“ Siehe weiter unter BIVA[2].

Die Hausordnung ist selten das Mittel der Einflussnahme. Warum nicht aktiv die Wünsche formulieren und den sozialen Aspekt des miteinander allgemein fördern.

Die Fragen der Mitwirkung nach § 12 NRW WTG-DVO haben die Landtagsabgeordneten erkannt und festgehalten in den Ziffern:

  1. die Gestaltung der Grundsätze von Unterkunft und Betreuung,
  2. Maßnahmen der sozialen Betreuung und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft,

Unter Betreuung kann vieles verstanden werden. Geben Sie das Stichwort allein bei BIVA ein, erhalten Sie Beiträge auf 14 Seiten an. Wie kann gewährleistet werden, dass es nicht nur bei allgemeinen Lippenbekenntnissen bleibt. „Den Menschen macht über das rein physische Dasein hinaus ein ungeheurer Reichtum an Fähigkeiten, Emotionen, Phantasie, Religiosität, Werten, Entwicklungsmöglichkeiten, Denkinhalten und vielem mehr aus“. Jeder versteht unter dem Begriffe Betreuung etwas anderes und vor allem welche Qualität[3] ist damit gemeint. Wir wollen an einem Beispiel auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten hinweisen. Hier verweisen wir auf den ersten Beitrag und den Hinweis auf die Umsetzung des Snoezeln[4]. Dies war bereits in den 90iger Jahren ein Qualitätsmerkmal für gute Einrichtungen. Die beiden Ziffern sind gemeinsam zu betrachten.

Eine Umsetzungsmöglichkeit wird durch Ziffer 8 durch die Benennung konkreter Maßnahmen am ehesten zum Ziel führen. Die Gestaltung von Grundsätzen wird der Träger für alle Einrichtungen in dem Qualitätshandbuch beschreiben. Diese werden laufend intern überprüft. In den wenigsten Fällen haben Beiräte Einblick, geschweige werden sie informiert oder gar gefragt. Zu einem gedeihlichen Miteinander gehört auch Vertrauen und Transparenz. Wenn dem Bewohnerbeirat ein PC mit Internet und Intranet zur Verfügung steht, wäre auch das jeweils aktuelle Qualitätshandbuch einsichtbar. Qualitätshandbücher sind Teil der optimalen Organisation und zeigen die Sicht der des Betreibers auf. Zur Optimierung der Qualität wird auch das Beschwerdemanagement genutzt. Warum nicht auch die Sicht der Bewohner durch Mitbestimmung und Mitwirkung als der Form der Transparenz nutzen. Serie Bewohnerbeirat wird fortgeführt. 

Ihre Anregungen, Fragen und Hinweise sind erwünscht. Nutzen Sie die Möglichkeit.

[1] https://www.bbtgruppe.de/media/docs/broschueren/Umgang-mit-Sexualitaet-Einrichtungen-SD_BBT-Leitlinie.pdf
[2] https://www.biva.de/beratungsdienst/hausrecht-in-heimen
[3] https://www.biva.de/wie-foedern-beiraete-betreuungsqualitaet 
[4] http://www.pflegeportal.ch/pflegeportal/Snoezelen.php