Der Staat stand bisher als zuverlässiger, sozialer Schutzschild der Gesellschaft bereit, um am Ende die schlimmsten Schäden zu reparieren.
Wer wird zahlen?
Es waren sehr unterschiedliche Katastrophen, die das tatsächliche Scheitern des neoliberalen Glaubens auf jeweils spezielle Weise vorgeführt haben. Die Weltfinanzkrise und ihre Folgen 2008 haben die verheerenden Defizite des Marktes scharf umrissen und bloßgelegt, gerade in seiner finanzkapitalistischen Variante mit ihren vermeintlich perfekten Risikopolstern mehr denn je. Die immer noch unbeherrschte Klimakrise macht täglich sichtbar, wie unterregulierte Märkte ganze Gesellschaften in den Abgrund reißen können; und nun lenkt der große Spiegel der Corona-Pandemie unseren Blick aus ganz unerwarteter Richtung wiederum auf den Staat und seine öffentlichen Güter als Retter in der Not.
In der Krise zeigen sich die wahren Kosten des Marktvertrauens. In den Zeiten guter Konjunktur lebenswichtige öffentliche Güter, wie den Gesundheitssektor, die Pflege, werden nach der Logik von Kostensparen und Gewinn um jeden Preis nicht ausgesetzt. Diese Krise zeigt die wirklichen Existenzbedrohten, Arbeitnehmer, Selbstständigen und Rentner. Entlarvt für viele gleichzeitig auch die große Illusion von den Segnungen der marktgetriebenen Globalisierung, die bisher als Wunderwaffe gegen fällige Regulierungen und für pauschales Marktvertrauen sowie problematische Sozialkürzungen zum Einsatz kam.
Mit dem vorgegeben Schutz, vornehmlich der Senioren, werden gesetzliche Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung verfügt. Die Führer der Großkonzerne werden, als vernünftig handelnde Stützen der Gesellschaft, ihrer Eigenverantwortung überlassen.
Betrifft aus der Sicht der Regierungen und Parlamente die Pandemie nur die Freizeit und Privatheit?
Wir waren im Zusammenhalt schon weiter. Schon einmal haben drei vorausgegangene und miteinander verbundene Katstrophen – Weltwirtschaftskrise, Faschismus und Weltkrieg – das Gewissen der Gesellschaften geschärft, ihre Vernunft angeregt, die Furcht vor der drohenden Wiederholung genährt.
Alle Bürger fühlten sich aufgerufen anzupacken, mitzumachen. Die gesellschaftliche Vernunft endet nicht vor dem Werkstor. Die Montanmitbestimmung war das äußere Zeichen. Spätestens 1999 endete die formale Einheit. Was nutzen formale Rechte, die nicht wahrgenommen werden wollen oder können.
Die Krisen haben sich langfristig angekündigt.
- Der Club of Rome warnte bereits 1968 vor der Klimakrise und forderte für 2000 eine neue Weltordnung.
- Die heutige Pandemie wurde 2011 ausführlich im Parlament diskutiert. Die notwendigen Schritte wurden unterlassen.
Die nach dem Krieg gegründeten Einheitsgewerkschaften verhalten sich systemkonform. Die Mitglieder sehen die Notwendigkeit der Interessenbündelung vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr ein. Die ausgleichende Macht in den Betrieben schwindet. Die Parteien übernahmen nicht den notwendigen Ausgleich, Übernahmen nicht die grundgesetzliche Aufgabe (Art.21 GG) bei der notwendigen Bildung der Bürger mitzuwirken.
Vakuum der gesellschaftlichen Bildung
Wer die Zusammenhänge im Gemeinwesen kennt, kann sich entsprechend bewusst und eigenverantwortlich für die Gemeinschaft einbringen und empfindet sich nicht als nützlicher Idiot für die Interessen anderer.
Zur (Weiter-)Bildung ist jeder fähig
Jeder macht tagtäglich seine eigene Erfahrung, die es in die gesellschaftlichen Gegebenheiten einzuordnen gilt. Ein bloßes Abfinden mit der Situation bringt nicht weiter. Fragen wir doch einen Freund, einen Nachbarn. Lernen wir dem Gegenüber zu zuhören, fragen nach, prüfen unser Verständnis und bilden uns in der Diskussion eine Meinung. Warten wir nicht weiter auf eine interessengeleitet Aufklärung! Nehmen wir unsere Bildung, unser Recht, selbst in die Hand, damit wir uns in die Gesellschaft bewusst einbringen können.
Meinungen, Parolen, Versprechungen ungeprüft zu folgen, führen ins Verderben. Retten wir das Erreichte, geben wir es nicht leichtfertig in fremde Hände.
Für die Sicherung der Menschenwürde und der materiellen Voraussetzungen für ein selbst bestimmtes Leben aller sind die öffentlich weniger sichtbaren und anscheinend unspektakulären, tatsächlich aber bahnbrechenden Fortschritte im Arbeitsrecht von gleichrangigem Gewicht. Dies merken die SPD und CDU durch die Minister Heil und Spahn kurz vor Ende der Legislatur. Pflege braucht anständige Löhne. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen dürfen nicht weiter Gewinn- und Spekulationsobjekte sein.
Die Verantwortung für die staatliche Gesundheits-, Daseinsvorsorge geht uns alle an.
Mit unseren Beiträgen wollen wir unter verschiedenen Aspekten mit unterschiedlichen Beispielen zur Diskussion anregen und können vielleicht auch Veränderungen anstoßen. Schreiben Sie uns ihre Kritik und Anregung, teilen Sie den Beitrag.