Zugang zu Pflegeleistungen für Menschen mit Demenz

Es wird nicht mehr nach Defiziten, es wird nach „Fähigkeiten“ beurteilt und die nachvollziehbaren Minuten entfallen.

Wann ist ein Mensch pflegebedürftig?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn Pflegebedürftigkeit hat ganz unterschiedliche Gesichter. Der neue, deutlich weiter gefasste Pflegebedürftigkeitsbegriff, der mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz eingeführt wurde und ab dem 1.1.2017 gilt, wird dieser Tatsache gerecht. Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff verschwindet die unterschiedliche Behandlung von körperlich bedingten Beeinträchtigungen auf der einen Seite und geistig beziehungsweise seelisch bedingten Beeinträchtigungen auf der anderen. Bezog sich Pflegebedürftigkeit bis dahin vor allem auf körperliche bedingte Beeinträchtigungen, werden jetzt auch geistige und psychisch bedingte Beeinträchtigungen stärker berücksichtigt. Es kommt also nicht mehr wie bisher nur vorrangig auf den zeitlichen Hilfebedarf bei körperlichen Verrichtungen an, sondern was zählt, sind der einzelne Mensch und das Ausmaß, in dem er seinen Alltag in den sechs dafür zentralen Lebensbereichen alleine bewältigen kann. Statt drei Pflegestufen und der zusätzlichen Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz zum Beispiel aufgrund einer Demenz, gibt es ab 1.1.2017, fünf Pflegegrade, die separaten Zuschläge für Demenz sind eingearbeitet. ES heißt: Die Begutachtung führt zu einer differenzierteren Einstufung, denn sie berücksichtigt genauer und umfassender als bisher die Beeinträchtigungen und Fähigkeiten der Menschen. Verschwiegen wird oft, es ist eine Systemwechsel in der Beurteilung. Die Aufzeichnungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), werden durch die jeweilige Pflegekasse in einen Bescheid, einen Verwaltungsakt, gegossen.

Die Nachricht, insbesondere für Menschen mit einer Demenzerkrankung. Sie erhalten damit den gleichen Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung wie Pflegebedürftige mit körperlichen Einschränkungen.

Um Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können, muss zunächst ein Antrag bei der Pflegekasse gestellt werden. Die Pflegekasse ist bei der jeweiligen Krankenkasse angesiedelt. Den Antrag können Betroffene selbst, aber auch Familienangehörige, Freunde oder der gesetzliche Betreuer stellen, wenn die betroffene Person dies nicht mehr selbst organisieren kann und deswegen eine andere Person eine entsprechende Vollmacht hat. Privat Versicherte stellen einen Antrag bei ihrem privaten Versicherungsunternehmen.

Nach der Antragstellung beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder andere unabhängige Gutachter mit der Begutachtung zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit. Bei privat Versicherten erfolgt die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst von MEDICPROOF.

Ab dem 1.1.2017 kommt bei der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit ein neues Begutachtungsinstrument zum Einsatz. Es geht von der individuellen Pflegesituation aus und orientiert sich an Fragen wie: Was kann der oder die Pflegebedürftige im Alltag alleine leisten? Welche Fähigkeiten sind noch vorhanden? Wie selbstständig ist der oder die Erkrankte? Wobei benötigt er oder sie Hilfe?

Grundlage der neuen Begutachtung ist der überarbeitete Pflegebedürftigkeitsbegriff: Im Mittelpunkt steht der einzelne Mensch mit seinen Beeinträchtigungen und Fähigkeiten unabhängig davon, ob er körperlich, geistig oder psychisch erkrankt ist. Diese Begutachtung wird an Demenz erkrankten Personen und ihrem besonderen Pflege und Betreuungsbedarf wesentlich besser gerecht als das bisherige Verfahren, das vor allem auf körperliche Beeinträchtigungen zugeschnitten war und den Hilfebedarf in Minuten feststellte.

Die jeweilige Gutachterin oder der jeweilige Gutachter kommt ausschließlich nach vorheriger Terminvereinbarung in die Wohnung oder die Pflegeeinrichtung es gibt keine unangekündigten Besuche. Zum Termin sollten idealerweise auch die Angehörigen oder Betreuer des erkrankten Menschen, die ihn unterstützen, anwesend sein. Aufzeichnungen des Hausarztes und der Hilfen über den Tag sind hilfreich. Das Gespräch mit ihnen ergänzt das Bild des Gutachters davon, wie selbstständig der Antragsteller noch ist beziehungsweise welche Beeinträchtigungen vorliegen. Der Gutachter wird dabei nach dem neuen Begutachtungsinstrument folgende Lebensbereiche näher betrachten.

Mobilität: Der Gutachter schaut sich die körperliche Beweglichkeit an: Kann die betroffene Person zum Beispiel alleine aufstehen und vom Bett ins Badezimmer gehen? Kann sie sich selbstständig in den eigenen vier Wänden bewegen, ist Treppensteigen möglich?

Geistige und kommunikative Fähigkeiten: Dieser Bereich umfasst das Verstehen und Reden: Kann sich der Betroffene zeitlich und räumlich orientieren? Versteht er Sachverhalte, erkennt er Risiken und kann er Gespräche mit anderen Menschen führen?

Verhaltensweisen und psychische Problemlagen:Hierunter fallen unter anderem Unruhe in der Nacht oder Ängste und Aggressionen, die für die pflegebedürftige Person, aber auch für ihre Angehörigen, belastend sind. Auch wenn Abwehrreaktionen bei pflegerischen Maßnahmen bestehen, wird dies hier berücksichtigt.

Selbstversorgung: Kann sich der Antragsteller selbstständig waschen, anziehen, die Toilette aufsuchen sowie essen und trinken?

Selbstständiger Umgang mit krankheits oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie deren Bewältigung: Der Gutachter klärt, ob der Betroffene zum Beispiel Medikamente selbst einnehmen, den Blutzucker eigenständig messen kann, ob er mit Hilfsmitteln wie Prothesen oder einem Rollator zurechtkommt und einen Arzt aufsuchen kann.

Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Kann der Betroffene zum Beispiel seinen Tagesablauf selbstständig gestalten? Kann er mit anderen Menschen in direkten Kontakt treten oder die Skatrunde ohne Hilfe besuchen?

Zusätzlich werfen die Gutachter einen Blick auf außerhäusliche Aktivitäten und die Haushaltsführung. Die Antworten in diesen Bereichen werden nicht für die Einstufung der Pflegebedürftigkeit herangezogen, weil die hierfür relevanten Beeinträchtigungen schon bei den Fragen zu den sechs Lebensbereichen mitberücksichtigt sind. Allerdings helfen diese Informationen den Pflegeberaterinnen und beratern der Pflegekasse, wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde. Sie können den Pflegebedürftigen mit Blick auf weitere Angebote und Sozialleistungen beraten und einen auf ihn zugeschnittenen Versorgungsplan erstellen. Auch für eine Pflegeplanung der Pflegekräfte sind die Informationen als Ergänzung sehr hilfreich.

Charakteristisch für eine Demenzerkrankung ist, dass Betroffene sehr unterschiedliche Tagesformen haben können. Auf Tage, in denen sie relativ präsent sind, folgen solche, an denen sich Gedächtnisstörungen stark bemerkbar machen und umgekehrt. Die Gutachterinnen und Gutachter wissen das. Daher beziehen sie neben den Antworten der Betroffenen auch Schilderungen ihrer Angehörigen in ihre Einschätzung mit ein.

  • Für die Einschätzung der Pflegebedürftigkeit ermitteln die Gutachterinnen und Gutachter jeweils, in welchem Ausmaß der Pflegebedürftige bei einzelnen Handlungen oder Fähigkeiten beeinträchtigt ist und deswegen die Hilfe anderer Personen benötigt.
  • Dabei werden Punkte vergeben, die Ergebnisse werden unterschiedlich gewichtet.
  • Auf der Basis des Gesamtpunktwertes erfolgt die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade.
  • 20 – 25 % der Antragsteller erhalten keine Pflegestufe; es müssen 12,5 Punkte erreicht werden.
  • Jedem zweiten Widerspruch wird abgeholfen.

War der Beitrag informativ, teilen Sie ihn.