OECD verreißt deutsches Rentensystem.
Frauen erhalten in Deutschland im Durchschnitt 46 Prozent weniger Rente als Männer.
Die Industrieländerorganisation kritisiert die Rentenpolitik der Bundesregierung als völlig unzureichend. Selbst wer sein ganzes Leben Vollzeit arbeitet, beziehe in Deutschland deutlicher weniger als im OECD-Durchschnitt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht erheblichen Reformbedarf im deutschen Rentensystem. Nachbesserungen sind nach der jüngsten Fortschreibung der Studie (Rente auf einen Blick) vor allem bei der Alterssicherung sogenannter atypisch Beschäftigter notwendig, also von Selbständigen, Angestellten in Teilzeit oder mit befristeten Verträgen. Wegen der schnellen Alterung der Bevölkerung sieht die OECD außerdem die finanzielle Tragfähigkeit des deutschen Rentensystems unter Druck.
Frauen verdienen weniger als Männer
Die Rentenlücke ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen 30 Staaten am größten. Demnach ist die Rente bei Frauen über 65 Jahre heute im Schnitt um 46 Prozent niedriger als bei Männer. In Estland sind es 2 Prozent, in der Slowakei sind es 8 Prozent, in Dänemark sind es 8 Prozent, in Tschechien sind es 12 Prozent, in Lettland sind es 15 Prozent, in Litauen sind es 16 Prozent, in Polen sind es 20 Prozent, in Finnland sind es 22 Prozent, in Norwegen sind es 23 Prozent, in Schweden sind es 28 Prozent, in Griechenland sind es 28 Prozent, in Portugal sind es 31 Prozent, in Spanien sind es 32 Prozent, in Italien sind es 32 Prozent, in Frankreich sind es 33 Prozent, in Großbritannien sind es 35 Prozent, in Österreich sind es 39 Prozent, in der Niederlande sind es 42 Prozent, in Deutschland sind es 46 Prozent.Und im OECD-Schnitt sind es 25 Prozent. Am geringsten ist diese Lücke mit zwei Prozent in Estland. Deutschland ist Schlusslicht. Das kommt nicht aus dem Rentensystem, sondern aus dem Arbeitsmarkt. So arbeiten Frauen in Deutschland besonders häufig in Teilzeit und erwerben dadurch geringere Ansprüche. Aber auch die großen Lohnunterschiede sind dafür mitverantwortlich. So liegt der Lohnabstand zwischen Frauen und Männer über dem Schnitt der OECD-Industriestaaten. Dem Statistischen Bundesamt zufolge beträgt er 21 Prozent.
Dies alles führt dazu, dass zukünftige Rentenansprüche von Frauen voraussichtlich weiterhin hinter denen von Männern zurückbleiben werden, schreibt die OECD. Die Gefahr von Altersarmut ist daher groß. Davon könnten künftig mehr Menschen bedroht sein, insbesondere diejenigen mit atypischen Arbeitsverhältnissen oder unterbrochenen Erwerbsbiografien wie etwa alleinerziehende. Sorgen macht sich die OECD auch über die Absicherung vieler Selbstständiger mit geringem Einkommen in Deutschland, insbesondere von Menschen, die über Internetplattformen beschäftigt sind. Die Absicherung über die gesetzliche Rente für Selbstständige ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten besonders niedrig. Vorsorgepflicht für Selbstständige um drohende Altersarmut zu bekämpfen, empfiehlt die OECD eine weitgehend einheitliche Rentenabsicherung für Arbeitnehmer, Beamte und Selbstständige, wie es bereits in vielen anderen Ländern existiert. Dies würde dazu beitragen, die Rentenabdeckung für gefährdete Gruppen zu erhöhen und Ungleichheiten in der sozialen Sicherung zu beseitigen.
Geringverdiener bekommen in Deutschland im Alter einen kleineren Teil ihres Gehalts durch die Rente ersetzt als in den anderen Industriestaaten. Sie können nur mit einer Ersatzrate von 56 Prozent rechnen, während es im Durchschnitt der Mitgliedstaaten 68 Prozent sind. Die von der Großen Koalition beschlossene Grundrente könnte das Problem zum Teil abmildern, das Problem der Altersarmut aber nicht grundsätzlich lösen .Die vorgesehene Leistung werde die Rentenaussichten einiger Geringverdiener verbessern, aber nicht das Altersarmutsrisiko von Geringverdienern mit größeren Karriereunterbrechungen verbessern. Letzteren fehlt es an den erforderlichen Beitragszeiten für die Auszahlung der Grundrente.
Deutschland ist in der OECD Studie führend bei der Erhöhung der Beschäftigungsrate der 55- bis 64-Jährige, die einen beeindruckenden Anstieg um 34 Prozentpunkte von rund 37 % auf 71 % seit der Jahrtausendwende verzeichnet. Der Eintritt geburtenstarker Jahrgänge in die Rente in den kommenden Jahrzehnten wird erwartungsgemäß die Bevölkerung im sogenannten erwerbsfähigen Alter (20-64) bis 2050 um 21 % reduzieren. Eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung älterer Bevölkerungsgruppen insbesondere nach dem 65. Lebensjahr, wo die Beschäftigung noch sehr niedrig sind, und mehr Vollzeitbeschäftigung von Frauen würde den zunehmenden Druck auf die Arbeitsmärkte lindern. Für deutsche Frauen, die derzeit unter der größten Geschlechter spezifischen Rentenlücke leiden, wegen eine überdurchschnittliches geschlechtsspezifisches Lohngefälle und der hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigung führen dazu, dass zukünftige Rentenansprüche von Frauen voraussichtlich weiterhin hinter denen von Männern zurückbleiben werden.
Eine Gerechte einheitliche Retenabsicherung für Frauen in Deutschland, würde dazu beitragen, die Rentenabdeckung für gefährdete Frauen zu erhöhen und Ungleichheiten in der sozialen Sicherung zu beseitigen. Niedrige Renten gefährden das selbstbestimmte Leben vieler Frauen und führen immer öfter zu Altersatmut. Die Folgen sind einschneidend, alleine in Deutschland leben heute bereits jede zehnte Rentnerin in Armut.
In der Rente gibt es eine klare Trennung der politischen Lager. Auf der einen Seite stehen CDU/CSU und FDP, die eine Verbesserung oder auch nur Stabilisierung des Rentenniveaus für Frauen klar ablehnen. Auf der anderen Seite fordern SPD, Grüne und die Linke zumindest eine deutliche Anhebung des Rentenniveaus für Frauen.
Es besteht damit die Gefahr, dass trotz einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit der Rentenfortschritt nich vorankommt!