Nichtige Heimentgelte!?

Alle klagen über fehlende Pflegekräfte, schlechte Entlohnung. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag noch vor der Bundestagswahl soll helfen. Der Arbeitgeberverband Pflege -Private Betreiber – laufen gegen die vorgesehene 26 % Personalkostenerhöhung bis 2023 Sturm und gehen formal juristisch gegen die Gewerkschaft Ver.di, nicht gegen Hubertus Heil den Bundesarbeitsminister vor. Die öffentlichen Einrichtungen, die Diakonie und Caritas zahlen bereits mehr. 

Ein Scheingefecht, ein Ablenkungsmanöver?

Die Heimentgelte in privaten Einrichtungen müssten danach bis zu 26 % preiswerter sein? Unabhängig von Preis und Leistung können bestehende Heimentgeltvereinbarungen wegen Formfehler beim Beschluss der gesetzlich gewählten Interessenvertretung der Bewohner nichtig aber mindestens angreifbar sein.

So wurde der neu gewählte Bewohnerbeirat bereits in der konstituierenden Sitzung vom Einrichtungsträger mit der Unterschriftsleistung zum Erhöhungsverlangen gegenüber der Pflegekasse konfrontiert, sie wurde geleistet. Andere Einrichtungen lassen die Unterschrift seit Jahren von Obleuten ausführen. Selten lassen sich Bewohnerbeiräte unabhängig vor dem notwendigen Beschluss beraten.

Solange die Pflegekassen nur einen Festbeitrag je nach Pflegegrad zahlen, werden die zu erwartenden Gehaltserhöhungen von rund 26 Prozent bis 2023 für Pflegekräfte von den Bewohner getragen. Dies bei einer Nullrunde 2021 in der gesetzlichen Rentenversicherung und wahrscheinlich ohne Qualitätsverbesserung.

Vergessen, auch in der Fachöffentlichkeit, und unbeachtet ist die Mitwirkung der demokratisch gewählten Interessenvertretung der Pflegeheimbewohner. Die Verhandlungsführer der Pflegekassen haben bisher keinen Kontakt zu den gewählten Gremienvertretern oder sehen gar eine Notwendigkeit diese einzubinden, sei es zur Akzeptanz und Transparenz der Vereinbarung.

Mitwirkung ein Unwort

In der 12jährigen Diskussion zum Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) 1994/95 blieb ein Halbsatz aus der Mitbestimmungsdiskussion übrig:

  • 85 Absatz 3 SGB XI „Die Pflegesatzvereinbarung ist im voraus, … Satz 2 Das Pflegeheim hat rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen; …, es hat außerdem die schriftliche Stellungnahme der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen.“

Die Pflegesatzvereinbarung zwischen dem Einrichtungsträger einerseits und den Pflegekassen und den Sozialbehörden andererseits ist ein Vertrag zu Lasten Dritter, hier der Bewohner der Einrichtung. Damit kommt eine Heilung von Verfahrens- und Formfehlern nach § 41 SGB X, der auf Verwaltungsakte abstellt, nicht in Betracht.

Die verhandlungsführende Pflegekasse prüft formal, ob eine Unterschrift geleistet wurde. Erst beim Vorliegen des Revers mit einer Unterschrift wird die Vereinbarung durch die Pflegekassen und Sozialbehörde unterzeichnet. Kann bei einer „Besprechung“, wie im Revers ausgewiesen,  von der rechtsverbindlichen Unterschrift ausgegangen werden. Das Zustandekommen einer ordnungsgemäßen Unterschrift des Gremiums wird nicht geprüft. Es tauchen weitere Fragen auf. Ob die wenigen Stellungnahmen in der Entgeltfindung berücksichtig wurden, wird den Bewohnerbeiräten bisher nicht übermittelt. Das Gesetz spricht von Stellungnahme und nicht von Unterschrift.

Wo kein Kläger, da kein Richter!

Die Pflegekassen werden argumentieren es liegt kein besonders schwerwiegender Fehler vor und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände konnte vom rechtmäßigen Zustandekommen ausgegangen werden. Doch hat die Pflegekasse die erforderliche Sorgfalt gegenüber den Versicherten und Pflege bedürftigen Bewohner eingehalten. Diese Frage stellt sich spätestens nach dem Bundessozialgerichtsurteil vom 26.9.2019 (3 P 1/18 R).

Die verwendeten Revers zeigen nicht die Grundlage der Mitwirkung nach § 85 Abs.3 SGB XI auf, verlangen nicht die Vorlage der gesamten Vergütungskalkulation oder gar einen Beschluss. Reicht eine unverbindliche Besprechung.

Der Verdacht kommt auf, Pflegekassen vergessen, dass sie stellvertretend für die Versicherten und ihre Leistungsempfänger handeln. Die Leistungsempfänger selbst sind bei den Vereinbarungen weder über den Pflegeanteil noch über den Hotelkostenanteil direkt beteiligt, zahlen den größten Geldanteil. Der Bewohnerbeirat, als gesetzlicher Vertreter der Bewohner, hat deren Interessen wahrzunehmen und muss bei den Verhandlungen zugegen sein.

Wer schon einmal die Zahlen und Daten zu einer Entgeltverhandlung gesehen hat, wird feststellen, dass buchhalterische Kenntnisse erforderlich sind. Der Bundesgesetzgeber hat zudem eine eigene Pflegebuchführungsverordnung erlassen, die ständig angepasst wird. Ein Beschluss des Gremiums über die zu leistende Unterschrift unter das Erhöhungsverlangen der Einrichtung kann nur nach Prüfung und Diskussion erfolgen. Das Diskussionsergebnis ist der Beschlusstext und kann mit der geforderten Stellungnahme nach dem Gesetz gleichgesetzt werden.

Wir konnten hier nur stichwortartig bestehende Problempunkte aufzeigen. Für Nichtjuristen scheinbar eine schwere Kost. Dies muss nicht so bleiben; alles lässt sich verständlich in der Diskussion für und mit jeder Person erarbeiten.

Seien wir unsere eigenen Sachwalter als Versicherte und eventuell betroffene Pflegebewohner oder Angehöriger einer Einrichtung. Informieren Sie sich als Bewohnerbeirat, Angehöriger, Betreuer, Seniorenbeirat. Eine Leseprobe-Bewohnerbeirat ein erster Leitfaden aus Sicht der Betroffenen

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