Die verdorbene Demokratie

Demokratie durch Lobbyismus in Gefahr?

Wer nimmt politischen Einfluss in Berlin? Lange ist man in der deutschen Politik einer ernsthaften Debatte über die Risiken und Nebenwirkungen des Lobbyismus ausgewichen. Doch mit der Zahl der potenten Lobbyisten hat auch die Besorgnis vieler Bürger zugenommen. Die wechselnden Regierungen richten sich stärker an etablierte Teilinteressen der Industrie, der Wohlfahrtsverbände als dem Allgemeinwohl aus. Dieser Glaube ist sehr weit verbreitet. 67,7 Prozent der Bürger sind der Auffassung, dass die Interessen der Industriegruppen bevorzugt im Mittelpunkt stehen, das artikulierte Gemeinwohl der Bürger wird nicht wahrgenommen. Die zahllosen Lügen und Halbwahrheiten, die sich fast alle medienpräsenten Politiker in Deutschland leisten, wenn es um die Waffenlobby geht, sind ein dauerhaftes Ärgernis. Es handelt sich um Verhaltensweisen, die einer Demokratie mit einer Berufsarmee gar nicht gut zu Gesicht stehe. Und ist eine Schande für die politische Kultur. 

Die Methoden der Rüstungslobby

Für diese Art der Einflussnahme ist die Rüstungsindustrie bekannt und berüchtigt. Zum Teil kann sie auf die Reflexe regionaler Abgeordneter setzen: Da gibt es zum einen Parlamentarier von CSU und CDU aus Bayern und Baden-Württemberg, in denen der Airbus-Konzern mehrere Standorte hat. In München sitzt überdies der Hersteller des Kampfpanzers Leopard, Krauss-Maffei Wegmann. Als eher SPD geprägt gilt die sogenannte Küstenmafia. Ihr werden Politiker zugeschrieben, die die Werften in Bremen, Hamburg oder Kiel dabei unterstützen, ihre Schiffe und U-Boote zu vermarkten. Aber Rüstungslobbyisten können mehr, als an den alltäglichen regionalen Standortwettbewerb zu appellieren.

So gehört Airbus beziehungsweise EADS zu den regelmäßigen Sponsoren von Parteitagen. Der Konzern ist einer der größeren Parteispender im Land und verteilt immer wieder auch Gelder auf noch komplizierten Umwegen. EADS ließ wichtigen Bundestagsabgeordneten in der Vergangenheit auch schon mal eine Fünf-Liter-Flasche edlen Weins zukommen oder Abgeordnete des Haushaltsausschusses wurde kollektiv zum Abendessen in ein teures Restaurant eingeladen, Besucht man im Sommer 2013 in der Debatte um das Euro-Hawk-Debakel Abgeordnete aus dem Verteidigungsausschuss in ihren Büros, waren diese häufig mit detailgetreuen und hochwertigen Plastikmodellen von Drohnen oder Flugzeugen dekoriert, Präsente von Herstellern wie EADS.

Immer wieder lädt der Konzern Parlamentarier und Militärs zu Abendveranstaltungen ein, etwa unter dem vornehm klingenden Titel EADS Salon. Ort der Festivitäten war in jüngere Zeit gerne mal das vornehme Kronprinzenpalais Unter den Linden.

Verteidigungsministerium

Auch im Verteidigungsministerium wäre das soziale Leben ohne den Rüstungsmulti jahrelang sehr viel ärmer gewesen. Dort finanziert der Konzern regelmäßig Empfänge, Bälle und Essen für Ministerialbeamte, Bundeswehr und ihre Gäste. Gegen Aufträge? (Zuständig das Bundesamt für Wehrtechnik) Auffällig viele Beamte wechseln überdies aus dem Verteidigungsministerium zu Unternehmen, mit denen sie zuvor dienstlich zu tun hatten. In keinem anderen Ressort war deren Zahl größer, wie sich aus Zahlen ergeben, die die Bundesregierung herausgab. Danach waren es zusammengenommen 38 Beamte aus dem Wehrressort, die in diesem Zeitraum bei neuen Arbeitgebern anheuern wollten, mit denen sie bereits auf ihren alten Dienstposten zu tun hatten. Fast immer wurde das übrigens von Verteidigungsministerium genehmigt.

Bälle, Essen Empfänge gegen Hersteller Haftung?

Die beiden Herstellerfirmen hatten Klauseln im Vertrag durchgesetzt, die ihre Haftung im Fall von Mängeln deutlich begrenzen, womöglich auf magere 25.000 Euro. Der Hintergrund ist die Firmenkonstruktion, die die Hersteller wählen. Das Verteidigungsministerium ist bereit, auf direkte Verträge mit den beiden Unternehmen zu verzichten, Auftragnehmer ist stattdessen die eigens von ihnen gegründete Euro Hawk GmbH in Immenstaad am Bodensee. Der Grund: Weder Northrop Grumman noch EADS wollten als Auftragnehmer alleine die Projektverantwortung für den Euro Hawk übernehmen, erläutert ein Ministerialer aus der Rüstungsabteilung seinen Kollegen in einer internen Mail von 31.August 2011. Welche Probleme das mit sich bringt, fällt im Sommer mehreren Juristen im Bundeswehrbeschaffungsamt in Koblenz wie auch im Verteidigungsministerium auf. Zu dem Zeitpunkt sind Bundeswehr und Industrie dabei, einen Zusatzvertrag für die Lieferung von Ersatzteilen zu schließen. Die hierfür vorgesehenen Haftungsregelungen kommen mehreren Hausjuristen zu lasch vor, offenkundig aber auf eben den Verträgen, die bereits 2007 geschlossen wurden. Am 24.August 2011 fasste ein Ministerialer den entscheidenden Schwachpunkt so zusammen: Als Gesellschaft mit beschränkter Haftung steht eine GmbH grundsätzlich nur mit ihren Einlagen von 25.000 Euro gerade, ja im schlimmsten Fall, sogar nur mit ihrer Mindesteinlage, die nur halb so groß sein muss. Um die Schwächen der GmbH-Konstruktion auszugleichen, hatten die Mütter EADS und NGC zwar eine sogenannte Patronatserklärung abgegeben und damit Verantwortung für das Drohnen-Projekt übernommen. Doch diese Erklärung garantierte dem Ministerium nun lediglich, das die kleine Gesellschaft am Bodensee ihre Managementfunktionen erfülle, wie schon im April 2009 in einem Schreiben des Beschaffungsamt der Bundeswehr an das Verteidigungsministerium hieß. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Hauptauftragnehmer für den gesamten Leistungsumfang oder für Ansprüche der Bundesregierung sei hingegen trotz aller Bemühungen in den Vertragsverhandlungen einfach nicht erreichbar gewesen. Wollte das Verteidigungsministerium z. B. keine Konzernbürgschaft? Grundsätzlich sollte bei einer solchen Vertragsgestaltung eine Sicherheit gefordert werden, die ausreichend ist, um bei Insolvenz des Vertragspartners die möglichen Schadensersatzansprüche abzufedern. Eine Juristin des Beschaffungsamts weigerte sich damals sogar zunächst, den anstehenden Zusatzvertrag über die Ersatzteile abzuzeichnen, auch weil die Patronatserklärung ziemlich ins Leere gehe. Am Ende gibt sie dann auf Druck doch grünes Licht. Aktenvermerk: Wenn das so gewollt ist, ok, schreibt sie!

Versteckspiel nach von der Leyen geht weiter

Und auch unter van der Leyen geht das Drama um eine mögliche Haftung der Hersteller weiter. Seit Oktober 2013 liegt dem Ministerium dazu das Gutachten einer Anwaltskanzlei vor. Doch erst ein Jahr später rückt die Behörde mit den angeblichen Ergebnissen heraus: Eine gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Euro Hawk GmbH oder deren beiden Eigentümerfirmen sei aufgrund ganz erheblicher Prozessrisiken nicht zu empfehlen, heißt es in einer Antwort des Ministeriums an den Bundestag.

Alles Lügen, oder?

Etwas später wird sich herausstellen, dass die externen Anwälte dem Verteidigungsministerium sehr wohl dazu geraten hatten, rechtliche Schritte zu erwägen, auch weil die Hersteller des Euro Hawk objektiv falsche Angaben über die Verkehrszulassung der Drohne gemacht hätten. Bis Ende 2013 hätte das Ministerium die Chance gehabt, Klage einzureichen oder zu versuchen, eine Fristverlängerung zu erreichen. Doch die Behörde unter von der Leyen Führung, ließen ihre Ansprüche verjähren.

Das Versagen

Die ganze Dimension des Debakels begreift aber nur derjenige, der sich in die vertrauliche Langfassung des KPMG-Gutachtens vertieft, dessen Kernergebnisse die Ministerin präsentiert. In diesem Papier steht Erstaunliches: Die Bundeswehr habe es versäumt, sich im Entwicklungsvertrag für die Drohne die vollen Rechte an dem ISIS-System zu sichern. 270 Millionen Euro hat die Bundesregierung dafür bezahlt, dass die Aufklärungstechnik geschaffen wird, aber das Ergebnis gehört immer noch dem Hersteller? Ja selbst im Verteidigungsministerium räumt man ein die Existenz eines Restrisikos ein, dass man nicht vollständig auf die Rechte der Unterauftragnehmer der Euro Hawk GmbH zugreifen könne. Letztere wiederum scheut sich im Jahre 2014 nicht, ihrerseits so vermerkt das KPMG-Gutachten Schadensersatzansprüche sowie Nebenforderungen gegenüber der Bundesregierung zu erheben. Der Vorwurf der Hersteller: Das Verteidigungsministerium verweigert die Abnahme der vertragsmäßig angebotenen Entwicklungsleistungen.

So schließt sich der Kreis

Die Drohnenproduzenten drohen mit zusätzlichen Forderungen und ausgerechnet das könnte mit erklären, warum die Ministerin van de Leyen ihnen entgegenkommen will, indem sie den Euro Hawk durch den fast baugleichen Triton ersetzt. Sucht sie also eine gütliche Einigung mit der Industrie, um das Eingeständnis zu vermeiden, dass sich das Verteidigungsministerium zuvor gewollt über den Tisch ziehen ließ. Ihr Ministerium bestreitet das. Die Beschaffung der Gewehre (G36) , der Panzer passt aktuell in die Aufstellung. Die Verspätung, die Mehrkosten legen die Vermutung der Grenzüberschreitung von Lobby und Korruption nahe.

Fazit:

Interessenvermittlung gehört zur Demokratie wie der Kolben zum Zylinder. Gleichzeitig ist es aber auch legitim darüber zu streiten, wie weit der Einfluss von Interessengruppen gehen soll, und ob nicht doch infolge von Interessenvertretung am Parlament vorbei das Gemeinwohl in Gefahr ist. Lobbying hat zwei Seiten.

  • Auf der einen Seite ist Lobbying Kämpfen und Kungeln, es steht für politische Skandale, wie den Rücktritt van de Leyen die Euro Hawk und Berater Affäre, Parteispendenskandal oder das Beziehungsdickicht mit der Wirtschaft.
  • Auf der anderen Seite ist Lobbying ein Sammelbegriff  für eine Reihe von Tätigkeiten, die für die Vermittlung gesellschaftlicher Interessen im demokratischen System sorgen.

Wenn Verbände und Firmen große Summen für das Einwirken auf die Politik investieren, liegt es nahe, dass sie sich entsprechend wirtschaftliche Vorteile erhoffen, oder dass sie meinen, nur so vergleichbare Einbußen verhindern zu können. Auf Kosten der Bürger und zum wohle der Politiker.  Vorgenannte Lobbyisten sind der Staat im Staat, und was faul stinkt im Staat, sind sie. Sie, ungewählt, doch mit der Macht des Kapitals ausgestattet, verkörpern den ärgsten Feind der Demokratie. Wer denkt da nicht an Korruption?

Durch die Forderung nach dem zwei Prozent (2%) Ziel der NATO ist die Sicherheit der Umsätze der Rüstungsindustrie gegeben. So stieg der reine 

  • Verteidigungshaushalt 2020 gegenüber 2019 um 4,3 % auf 45.100.000.000 €. Der staatliche Haushalt des
  • Gesundheitsministers verminderte sich in der gleichen Zeit um -4,7 % auf 15.400.000.000 €.
  • Der Gesamthaushalt stieg von 2019 auf 2020 um 6.000.000.000 € auf 362.000.000.000 €.

Es ist eine Stärke der Demokratie, dass Skandale überhaupt ans Licht kommen. Gegen Vertrauensverlust gibt es ein Mittel: mehr Transparenz!

 

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