Ortung von Dementen

Mit einem starken Bewegungsdrang irren Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung oft Ziel- und orientierungslos umher.

Die sogenannte „Weglauftendenz“ ist deshalb ein typisches Symptom. Daraus können gefährliche Situationen entstehen. Ein GPS-Ortungsgerät, wie es heute jedes Handy bietet, kann dabei helfen, schnell und unkompliziert den Angehörigen aufzufinden. Sind die Einsichtsfähigkeit und Einwilligung der betroffenen Person gegeben, kommen keine weiteren Fragen auf. Der Verlauf der Krankheit wird dazu führen, dass das Handy verlegt oder nicht mehr getragen wird und damit kein zuverlässiges Hilfsmittel mehr ist. Jeder Einzelfall ist gesondert zu betrachten.

Mit digitalen Mitteln Kompetenz stärken

Zwei Sichtweisen beim Einsatz von Ortungsgeräten können eingenommen werden und erklären die unterschiedlichen Urteile auf Zustimmung der Ortung. Die gleichen Überlegungen gelten, wenn das Ortungsgerät als Hilfsmittel nach § 33 SGB V durch die Krankenkasse oder als Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs 1 S 1 Alt 2 SGB XI anerkannt werden soll.

Ist durch den Einsatz des technischen Hilfsmittels

a ) eine Beeinträchtigung in der Freiheit gegeben oder

b) überwiegt der Schutz auf freie Beweglichkeit.

Bei Weglauftendenz und Orientierungslosigkeit muss der Aufenthalt des Angehörigen streng überwacht werden, was in der Praxis dazu führt, dass der Bewegungsradius auf verschlossene Räume beschränkt wird. Bedacht werden muss, dass das Einsperren als die schärfste aller freiheitsentziehenden Maßnahmen zwangsläufig in die Isolation führt, ein Schaden kann auch bei zeitweiligem Freiheitsentzug entstehen.

Wenn sich eine demenzkranke oder geistig behinderte Person von ihrem Wohnort entfernt und ziellos durch die Gegend streift, kann das schnell gefährlich werden. Nicht selten werden dadurch Verkehrsunfälle ausgelöst. Auch ist es möglich, dass die Betroffenen nicht wieder nach Hause finden und Angehörige nicht wissen, wo sie nach ihnen suchen sollen. Ortungssysteme sind eine mögliche Lösung, um Angehörige oder Pflegende zu beruhigen und gleichzeitig ein wenig Freiheit für Demenzkranke zu erhalten.

GPS-Produkte werden immer beliebter

Besonders für Familien ist es eine enorme Erleichterung, immer zu wissen, wo sich ihr demenzkranker oder geistig behinderter Angehöriger gerade befindet. Die Demenz-Expertin Herlind Megges von der Berliner Charité schätze, dass pro Jahr 10.000 Geräte verkauft werden.

Diese GPS-Varianten gibt es

Um einen Angehörigen per GPS zu orten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Ortung kann zum Beispiel über das Smartphone erfolgen. Voraussetzung ist, dass Ihr Angehöriger ein Smartphone besitzt, auf dem Sie eine entsprechende Funktion einrichten können. Sie selbst können sich dann auf Ihrem Computer oder Smartphone anzeigen lassen, wo sich Ihr Angehöriger befindet. In der Regel ist die Ortung über das Smartphone sogar kostenlos. Doch das Ganze hat auch Nachteile: Angehörige können nicht zu hundert Prozent sichergehen, dass der Demenzkranke oder geistig Behinderte das Smartphone immer bei sich trägt. Vielleicht vergisst er es oder weigert sich sogar dagegen, es mitzunehmen. Auch beim Verlust des Handys kann die Ortung nicht mehr zuverlässig erfolgen.

Für Demenzkranke und geistig Behinderte mit Weglauftendenz eignen sich deshalb eher spezielle Ortungsgeräte. Es gibt mobile Notrufknöpfe mit integrierter GPS-Ortung, die direkt am Körper getragen werden können. Zum Beispiel

  • als Halskette
  • als Armband
  • als Schlüsselanhänger
  • an der Kleidung befestigt

Außerdem gibt es spezielle GPS-Notruf-Uhren, die auch Alarm auslösen können, wenn der Träger einen bestimmten Bereich verlässt. Sie haben den entscheidenden Vorteil, dass sie ständig am Körper getragen werden können und die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass der Betroffene sie vergisst oder verliert. In Extremfällen können sie auch am Handgelenk fixiert werden. In Pflegeeinrichtungen werden auch RFID Etiketten benutzt, wie Sie sie aus den Warenhäusern kennen. Der Alarm wird beim Verlassen des Grundstückes ausgelöst. Bedenken Sie: allein das Wort „Dement“ läßt den Angebotspreis steigen. Suchen Sie nach handelsüblichen Ortungssystemen, z.B. einen Schlüsselanhänger. Fragen Sie nach Folgekosten. Lassen Sie sich beraten.

Unter Umständen übernimmt die Krankenkasse die Kosten

Eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Ein GPS-Gerät kann als notwendiges Hilfsmittel gelten. Am besten sprechen Sie im Vorfeld mit Ihrem Arzt und bitten ihn, die Notwendigkeit zu bestätigen. Im Anschluss wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse und bitten um die Kostenübernahme für das Hilfsmittel.

Das Urteil des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 17.09.2020, L 16 KR 182/18 befasst sich mit einer GPS-Notfalluhr für einen 19-jährigen Mann mit geistiger Behinderung und Weglauftendenz. Die Krankenkasse wurde zur Kostenübernahme verpflichtet.

Übrigens: Wenn ein Pflegegrad vorliegt, erhalten Betroffene einen pauschalen Zuschuss für Notrufgeräte, egal ob Hausnotruf oder mobiler Notruf. Die Pflegekasse zahlt 23 Euro im Monat. Für einen einfachen Hausnotruf reicht das meist schon aus. Die Kosten eines mobilen Notrufs liegen etwas höher. Dennoch können Pflegebedürftige mit dem Zuschuss mehr als die Hälfte der Kosten sparen – je nach Modell und Vertrag. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die Kostenübernahme gesondert übernommen werden muss.

Wichtig: Niemals ohne Zustimmung orten

Bevor Sie Ihren Angehörigen per GPS orten, sollten Sie sein Einverständnis einholen. Besonders bei Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung ist das manchmal leichter gesagt als getan. Versuchen Sie trotzdem, in einem klaren Moment mit Ihrem Angehörigen über die Ortung zu sprechen und ihm das Thema verständlich näherzubringen. Zeigen Sie auch Ihre Nöte auf. Die Wünsche und Bedürfnisse können sich später ändern. Dazu kommt, dass kurz nach der Diagnose meist andere Sorgen und Gedanken überwiegen.

Nimmt die Urteilsfähigkeit ab und bedarf die demenzkranke Person zunehmend Betreuung, weil sie etwa alleine nicht mehr nach Hause findet, befinden sich Angehörige oft in einem Dilemma: Was ist zulässig? Bei Freiheitsentzug ist der Richter am Familiengericht gefragt. Eine einheitliche Rechtsmeinung über die Zulässigkeit von Ortungsgeräten ist nicht zu erkennen, es zählt allein der Einzelfall und die notwendige Begründung des mildesten Mittels. Ist die Person nicht selbst einwilligungsfähig, muss die Genehmigung einer freiheitseinschränkenden Maßnahme beim Betreuungsgericht (Art. 104 GG i.V.m. § 1906 Abs. 4 BGB) durch den gesetzlichen Betreuer/die Betreuerin mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmung oder Unterbringung eingeholt werden.


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