Goldgrube Pflegeeinrichtung
Eine Pflegeeinrichtung muss mehr sein als ein Hotel mit Pflege. Die Pflegekosten sind oft nur die vermeintlichen Kostentreiber. Auch hier gilt: bezahlbarer Wohnraum lässt sich nur durch politische Steuerung erreichen.
Bürger zahlen die Quittung für politische fehlende oder Fehlentscheidungen. Viele Städte und Länder haben, getrieben von Geldnot, dem langjährigen neoliberalen Zeitgeist, Zehntausende von Wohnungen in ihrer öffentlichen Hand an private Investoren verkauft. Dies ist nur eine Facette der Ökonomisierung der Gesellschaft und Zerstörung nicht marktlicher Elemente in der Gesellschaft.
Vergessen wir nicht:
mit der Pflegeversicherung (SGB XI) 1995 konnten die Privatanbieter in den Pflegemarkt eindringen, den die Kommunen mit 25% und Wohlfahrtsverbände mit 75% besetzt hatten. Bis 2021 haben sich die Privaten Anbieter bereits über 50 Prozent des deutschen Pflegemarktes mit weiter steigender Tendenz gesichert. Der zweitgrößte Investor Nordic Capital aus Schweden steht hinter dem Betreiber Alloheim Senioren Residenzen S.E. mit dem Hauptsitz in Luxemburg, dem Verwaltungssitz in Düsseldorf mit 239 Einrichtungen und 23.400 Bettplätzen. Durch die Gestaltung des Geflechtes entfallen Steuern für die Gruppe in Deutschland. Größer ist die französische Korian Deutschland AG mit Sitz in München mit 250 Pflege-Einrichtungen und 27.048 Bettplätzen.
Es wird immer nur pauschal von den Pflegekosten gesprochen, eine Differenzierung der Leistungspakete, Pflege, Unterkunft und Verpflegung, Kaltmiete (Investitionskosten) findet nicht statt. Angegeben werden auf den Seiten der Einrichtungen, wenn überhaupt, Monatspreise (verhandelte Tagespreise * 30,42). Warum sich sehr selten aufgeschlüsselte Preise finden, zeigt die fehlende Transparenz und den fehlenden Markt.
Zum Verständnis und weiteren Vergleich die pflegetäglichen Werte einer diakonischen Einrichtung im Rheinland:
2001 kostete die Pflege (in Stufe 1) täglich: 37,62 €uro (73,59 DM)
Für die Hotelkosten (Unterkunft & Verpflegung und Investition) zahlten alle Bewohner 36,51 €uro (71,40 DM), inklusiv Vollverpflegung bei 4 Mahlzeiten 15,80 €uro (30,91 DM). Zum weiteren Verständnis und Vergleich ergibt sich im Jahr 2001 ein hälftiges Kostenverhältnis Pflege (37,62) zu Hotel (36,51) .
2020 Pflegegrad 2
Pflege 59,36 € Differenz 21,74 € Steigerung 57,79 % jährlich 2,89 %,
Hotelkosten 56,36 € Differenz 19,85 € = 54,37 % jährlich 2,72 %.
Die Monatskosten belaufen sich bei der Einrichtung auf (59,36+56,36)*30,42 = 3,520,20 €
Durch die Einführung des Einrichtung-Einheitlichen-Entgeltes (EEE) für die Pflege, zum Vorteil der Einrichtung, stieg die monatliche Zahllast der Bewohner der Einrichtung, unabhängig vom Pflegegrad, in den östlichen Bundesländern erheblich. Im Jahr 2020 waren die Zahllast der Bewohner im Durchschnitt 2.750,20 €. Der Pflegekassenanteil von 770,00 € ist bereits abgezogen. Der Bewohner zahlte den 28fachen Betrag im Verhältnis zur Pflegekasse, ist aber nur indirekt über den Bewohnerbeirat nach § 85 Abs. 3 S. 2 SGB XI) an der Entgeltvereinbarung beteiligt. Das gegebene Berechnungsbeispiel kann nicht verallgemeinert werden. Die Preise in NRW lagen immer über dem Bundesdurchschnitt und variieren von Kommune zu Kommune.
Wir haben aktuell die 17 Einrichtungen von Mülheim / Ruhr über den den AOK-Pflegenavigator befragt, es ergibt sich ein Mittelwert von 2.685,84 €. Erwähnenswert ist der Maximum-Wert den Bewohner im Monat zu entrichten haben; der liegt bei 3.300,00 €uro.
Mit der Pflegeversicherung (SGB XI) 1995 wurden Privatinvestoren als Betreiber zugelassen. 25 Jahre später ist jedes zweite Heim in Trägerschaft privater Investoren. Die Investitionskosten (Kaltmiete) werden formal weiterhin per Verwaltungsakt genehmigt, damit ein Pflegewohngeld, als Subjektförderung, in NRW gezahlt werden kann.
Die Marktmacht der Privatinvestoren ist so groß, dass nicht mehr alle Einrichtungsträger ihre vertraglich steigenden Mietkosten als Investitionskosten genehmigen lassen und damit formal die Bedingungen für Pflegewohngeld entfallen.
- Kommunen sehen sich gezwungen die überdurchschnittlichen Investitionskosten auf Mietpreisbasis aus Not zu bezahlen.
- Das Land erhöht die mögliche Refinanzierung der Investitionskosten um 25%, zugunsten des Mietmodells.
Mietmodell
Die privaten Betreiber haben sich dem Mietmodell verschrieben. Der Eigentümer erstellt die Immobilie und vermietet oder verpachtet diese an den Betreiber zu einem festen oder variablen Zinssatz von 4 und mehr Prozent. Die wahren Erstellungskosten pro qm bleiben im Dunkeln.
Ministerpräsident Armin Laschet hat den „Mietendeckel“, von SPD-Bauminister Groschek eingeführt, als erstes mit Sozialminster Karl Laumann für Pflegeeinrichtungen aufgehoben. Einen Deckel haben Niedersachsen und andere Länder und gilt auch unter Ministerpräsident Söder in Bayern weiter, er besagt, dass Investitionskosten nur im Verhältnis der effektiven Baukosten, bei gegebenen Höchstkosten, refinanziert werden.
Ein Beispiel eines Trägerwechsel in Mülheim an der Ruhr zeigt die Auswirkungen einer Übernahme der Einrichtung eines anderen Investors. Der Veräußerer, Maternus verlangt-von Bewohnern ab dem 1.1.2020 an die Charlestongruppe 41,8% höhere Investitionskosten zu zahlen. Bei der aktuellen Überprüfung im AOK Pflegenavigator werden 0,31 €uro ausgewiesen? Im Alloheim in der Stadtmitte 0,61 €uro. Diese beiden Werte werfen Fragen auf.
- Stehen die Betten auf der Straße?
- Hat sich ein Gönner gefunden, wie im Mittelalter in Augsburg das Geschlecht der Fugger?
- Oder ist der ausgewiesene Wert nur ein Merkposten?
Die Investitionskosten unterscheiden sich größtenteils durch das Baujahr und die Abschreibungszeiten und variieren von Bundesland zu Bundesland und Träger. Die Refinanzierungskosten der AfA sollen immer zum dauerhaften Erhalt der Immobilie dienen. Damit der Zeitwert erhalten bleibt, wird auf den jeweiligen Landesbauindex fortgeschrieben und refinanziert. Bei kaufmännischer und betriebswirtschaftlicher Führung kann die Substanz auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Eine Kontrolle oder gar eine Sanktion findet nicht statt.
Investitionskosten sind:
- Abschreibungen (AfA) und
- Zins und
- laufende Unterhaltungskosten
- Fortschreibungen von
- Gebäude und b) Inventar. Näheres unser Beitrag
Es wird immer auf eine pflegetägliche Bemessung abgestellt und für den Monat mit dem Faktor 30,42 multipliziert. Ein Euro in der täglichen Differenz schlägt sich mit über 30 € monatlich nieder.
Privatisierung ist das tückische Zauberwort;
je weniger Staat, desto besser für Investoren. Die Bürger bleiben auf der Strecke.
Die Zahl der Anspruchsberechtigten steigt die nächsten 10 – 15 Jahre weiter. Es werden, nach bestehenden politischen Vorgaben, viel zu wenige Einrichtungen gebaut. Die notwendige und gesetzliche Planung nach § 7 APG NRW unterbleibt überwiegend. Bestehende Einrichtungen werden von den Privaten, wie Korian, Alloheim u.a. auf indexierter Mietbasis übernommen. Weiter ist zu beobachten, die Pflegekonzerne entziehen sich weiter der Kontrolle und stellen immer öfter die Investitionskosten frei kalkuliert, ohne Prüfbescheid der entsprechenden Landesstelle in Rechnung. Dies hat in NRW den großen Nachteil, dass kein Pflegewohngeld mehr gezahlt wird und die Bewohner direkt in die Sozialhilfe fallen. Sozialhilfeträger werden regelrecht erpresst.
Können die Investitionskosten separat betrachtet werden?
Im Pflegesatz dürfen nach § 82 Abs. 2 SGB XI keine investiven Aufwendungen enthalten sein. Die Länder sind nach § 9 SGB XI für die Vorhaltung der notwendigen Struktur verantwortlich. Sofern die Länder die Aufwendungen nicht tragen, können die Träger die betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen auf den Bewohner oder den Sozialhilfeträger, nach § 82 Abs. 3 und 4 SGB XI, umlegen.
Damit der Sozialhilfeträger die Kosten ganz oder teilweise übernimmt, ist nach §§ 75ff SGB XII eine Vereinbarung zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Einrichtungsträger zu treffen. Ein Anspruch, der schon heute nicht nur im Investitionsbereich auf dem Papier existiert und wegen fehlenden Sanktionsmöglichkeiten nicht durchgesetzt werden kann.
Hat ein Träger mehrere Einrichtungen, so kann und wird er durch geschickte Aufnahmepolitik sich aus der Fessel der öffentlichen Kontrolle entziehen. Die Kommunen sind durch die fehlende Planung und Steuerung in der Notlage den Forderungen der Einrichtungsträger nachzukommen. Das Bundessozialgerichtsurteil vom 13.7.2017 Az B 8 SO 11/15 läuft damit ins Leere.
Die Bandbreite der monatlichen Investitionskosten lässt sich aus dem Vergleich von Einrichtungen in Rheinland-Pfalz an der Landesgrenze zu NRW erkennen, entnommen aus „Der Bewohnerbeirat“. Der Mittelwert betrug 2019 451,98 € bei 11 Einrichtungen. Dabei war der niedrigste Wert 231,85 € und der höchste 675,32 €. Um 800 Privateinrichtungen in NRW zu retten, wurden die Vorschriften rechtzeitig für 2021 geändert. Sie finden sich in § 8 APG DVO NRW. Aus § 2 APG DVO NRW ergibt sich, dass pro Bettplatz nun ein um 25% erhöhter Wert von 2.378,16 €/qm gilt. Bei 53 qm werden Kosten von 126.042,48 € (Bettenwert) ohne Küche und Park refinanziert.
Eine Auswertung Unternehmensberatung KPMG über die Länder NRW Rhein-Pfalz Saarland und Sachsen zeigt, dass die Kommunalen und Gemeinnützigen Einrichtungen in allen Ländern nahe beieinander liegen. Die Privaten Einrichtungen waren jeweils höher. In NRW lagen die Gemeinnützigen bei 483,68 €, die Privaten bei 598,67 € am preiswertesten war es in Sachsen. Die Gemeinnützigen Träger mit 250,66 € und die Privaten bei 430,75 €.
Kennen Ihre Ratsvertreter, Seniorenbeauftragten die aktuellen Investitionskosten der Einrichtungen in Ihrem Kreis / Stadt?
Nach dem Alten- und Pflegegesetz (APG) des jeweiligen Landes liegt die Planungshoheit in den Kreisen und Städten. Ebenso besteht eine Beratungspflicht zur Vorbereitung der eigenen Pflegebedürftigkeit. Auch Angehörige sind nach § 6 APG NRW zu beraten.
Vergleichen Sie Ihre jetzige Kaltmiete mit den geforderten monatlichen Investitionskosten der Heime in Ihrer Umgebung. Dazu kommt: viele Bürger leben in den eigenen, überwiegend abbezahlten Vierwänden oder einer preiswerten Mietwohnung. Niemand wird sich freiwillig in eine hochpreisige kleinere Wohneinheit begeben, schon gar nicht, wenn die Kaltmiete durch eine verminderte Pflege kaschiert wird. Aber nicht immer lässt sich die Aufnahme in einer der wenigen Einrichtungen vermeiden. Sei es nach einem Krankenhausaufenthalt, Unfall oder anderem Schicksalsschlag.
Die Landespolitiker sind nach § 9 SGB XI zur Vorhaltung notwendiger Strukturen gefordert. Eine Ablenkung von der fehlenden Daseinsvorsorge der pflegebedürftigen Bürger durch die Bildung einer Pflegekammer zu Lasten der examinierten Pflegekräfte hilft nicht weiter.
Kann jeder Interessierte die Investitionskosten einer Einrichtung im Vorhinein erkennen oder muss er sich vom Vertrag überraschen lassen?
Eine Abhilfe und Korrektur zum Vorteil der Bürger kann erfolgen, wenn
- die bevorzugte Sachleistung bei der Pflege nach dem Pflegeversicherungsgesetz entfällt. Zur Begründung unser Beitrag.
- anerkannte Pflegeeinrichtungen Miete als Investitionskosten nur berechnen können, soweit sie in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe derjenigen Aufwendungen stehen, die bei Personenidentität zwischen Einrichtungsträger und Eigentümer des entsprechenden Anlagevermögens entstanden wären,
- es verboten wird, Investitionsgelder für den laufenden Betrieb oder als Gewinn zu entnehmen,
- Zuschüsse und Landesdarlehen für Neubauten von Pflegeeinrichtungen nur an gemeinnützige Träger vergeben werden dürfen.
Wie wollen wir gemeinsam Älterwerden.
Bestehende Gesetze müssen für alle gleichermaßen gelten und konsequent angewandt werden. Wir brauchen eine Zukunftsdiskussion, um endlich einen Weg aus dem Notstand in der Pflege zu finden. Mit dem Beitrag wollen wir Licht in den abgeschotteten Pflegemarkt mit Insider Wissen bringen und aufzeigen, am Geld kann es nicht scheitern. Wir müssen uns aktiv kümmern.
Bringen Sie sich ein im Seminar: „Sorglos und unbeschwert im Alter leben“ vom 18. bis 20. Juli 2022 in Königswinter. Anmeldungen können bereits erfolgen. Das Seminar wird als Bildungsurlaub anerkannt. Wir brauchen eine breite Diskussion, laden Sie Bekannte und Interessierte ein.
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