Unternehmen im Gesundheitswesen sind gewollt undurchsichtig

Sie fokussieren die wesentlichen Herausforderungen des Unternehmens auf die optimale Gewinnerzielung. Nutzen die Not der Pflegebedürftigen und Arbeitnehmer, sehen nicht ihre soziale und ökologische Verantwortung. Der Notstand in der Pflege ist hausgemacht.

Dieser Artikel folgt auf: Nachhaltigkeit in Pflegeeinrichtungen Fehlanzeige

Die drei größten Krankenhausbetreiber Fresenius Helios, Asklepios und San Kliniken behandeln in ihren 197 Akutkliniken mit 176.730 Mitarbeiter 9,6 Mio. Patienten. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlten pro Versicherten bis zu 3.000 € in 2020. Die Gesundheitsausgaben 2021 von Deutschland sind rund 5.762 Euro pro Kopf. Der Großteil dieser Ausgaben finanziert sich durch Sozialversicherungsbeiträge. Im Jahr 2019 waren das laut Statistischem Bundesamt etwa 65 Prozent. Hierzulande machen die Gesundheitsausgaben mit ungefähr 480 Milliarden Euro rund etwa 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Die 10 größten Altenheimbetreiber in Deutschlang allein haben einen Mindestjahresumsatz von 13 Mrd. €: Die Pflegekassen, zur Entlastung der Sozialhilfe auf Kosten der Arbeitnehmer eingeführt, zahlen einen Festbetrag, rund 25 % der Heimentgelte. Der Rest muss von den Bewohnern bezahlt werden. Reichen die Renten nicht aus, wird Sozialhilfe gewährt. Orpea ist insgesamt aber der größte Player. Die Zahlen sind Schätzwerte; durch die Verschachtelungen in Holding (Mutter; Tochter Enkel) nicht verifizierbar. Die öffentlichen Bilanzen haben keine Aussagekraft.

Die Konzerne stellen die Gesamtbilanzen auf. Die Pflegeentgeltverhandlung für jede Einrichtung verlaufen nach Treu und Glauben. Pflegekassen haben keinen Einblick. Notwendige Berichterstattung Fehlanzeige. Wie sollen Heimbeiräte die geforderten Heimentgelte bewerten und die Unterschrift nach § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB XI leisten?

Die Berichterstattung

verpflichtetet Unternehmen,  angesichts der Defizite der Berichterstattung über Environmental (Umwelt), Social and Governance“-Aspekte (ESG-Aspekte) und der gestiegenen Informationsbedürfnisse seitens der Kapitalgebern, neben der Beschreibung des Geschäftsmodells mindestens Angaben zu den folgenden Aspekten in der nichtfinanziellen Berichterstattung offenzulegen (vgl. § 289c, Abs. 2 HGB):

• Umweltbelange,
• Arbeitnehmerbelange,
• Sozialbelange,
• Achtung der Menschenrechte und
• Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

Unternehmen im Krankenhaus- und Altenhilfebereich nutzen die Befreiung zur Berichterstattung von sogenannten nichtfinanziellen Berichten oder nichtfinanziellen Erklärungen, die – ähnlich wie die schon länger existierenden Nachhaltigkeitsberichte – Auskunft über die Nachhaltigkeitsleistungen des Unternehmens geben. Warum sollen nur die (Fremd-)Kapitalgeber geschützt werden und nicht auch die Arbeitnehmer, Bewohner und Patienten, damit das Sozialsystem?

Der Umkehrschluss muss erlaubt sein.

Sie handeln nicht nach dem Konzept des nachhaltigen Unternehmens („sustainable company“) und richten das Unternehmen, seine Strategie und Aktivitäten nicht so weit wie möglich an ökologischen Anforderungen und sozialen Gesichtspunkten aus. Sie saugen das Gesundheitssystem, finanziert von den Arbeitnehmern, aus.

Sie gründen Tochterunternehmen

Die nichtfinanzielle Berichtspflicht betrifft in erster Linie das Mutterunternehmen. Tochterunternehmen sind von der eigenen Berichtspflicht befreit, wenn das Mutterunternehmen einen nichtfinanziellen Bericht oder eine nichtfinanzielle Erklärung veröffentlicht. Es bietet sich für die Arbeitnehmervertretungen in Tochterfirmen an, nachzufragen, welche Informationen an das Mutterunternehmen geliefert werden und ob die Berichterstattung tatsächlich alle Unternehmensteile abdeckt.

Sie missachten Menschenrechte, Sozial- und Arbeitnehmerbelange

Menschenrechte können von Arbeitnehmern und von Bewohnern und Patienten verletzt werden. Ein Indiz der Verletzung von Bewohnerrechten in der stationären Altenhilfe kann der Einsatz von Transporten ins Krankenhaus sein, z.B. wegen Dehydrierung, Dekubitus oder Stürzen.

Sozialbelange

• Dialog auf kommunaler und regionaler Ebene
• Maßnahmen zur Sicherstellung des Schutzes und der Entwicklung im lokalen Bereich

Arbeitnehmerbelange

• Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung
• Arbeitsbedingungen
• grundlegende Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
• Achtung der Rechte der Arbeitnehmer*innen sowie Gewerkschaften
• Gesundheitsschutz
• Sicherheit am Arbeitsplatz

Alle reden vom Pflegenotstand durch fehlende Pflegekräfte.

Wären sich die Betreiber ihrer gesellschaftlichen Aufgabe bewusst und würden Sie die Verantwortung nach Artikel 14 Grundgesetz mittragen, müsste es auch in ihrem Interesse sein, ihre Einnahmequelle auf Dauer zu sichern.

Es kann nicht sein, dass wir die die -Bereiche SGB V; SGB IX und die SGB XI weiterhin trennen. Man kann nicht am grünen Tisch berechnen wie lange eine behandlungspflegerische Maßnahme dauert. Es bedarf einer zeitbezogenen Vergütung. Stundensätze und zeitbezogene Vergütung bringt die notwendige Zeit für die Patienten und die Kundengespräche, wie es seit 2016 in den Niederlanden bereits üblich ist. Die Zufriedenheit der Bewohner/Patienten und der Pflegekräfte kann damit wiederlangt werden.

Der Gesetzgeber ist nach 25 Jahren gefordert, das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) verfassungsgemäß neu zu gestalten.

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