„Nicht mehr Geld, mehr Eigenverantwortung und wesentlich höhere Effizienzen im System“.
Wieder wird eine Reform angekündigt. Im Koalitionsvertrag heißt es in Zeile 3350: „Ziel ist es, die Finanzsituation zu stabilisieren und eine weitere Belastung für die Beitragszahlerinnen und -zahler zu vermeiden.“
Weiter Zeile 3358ff: „Für diese Aufgabe werden wir eine Kommission unter Beteiligung von Expertinnen und Experten und Sozialpartnern einrichten. Wir wollen, dass die Kommission die gesundheitspolitischen Vorhaben dieses Koalitionsvertrags in der Gesamtwirkung betrachtet und bis zum Frühjahr 2027 Ableitungen trifft und konkrete weitere Maßnahmen vorschlägt.“
Geld allein bringt keine Qualität
Die Anbieter der gewerblichen Pflege sind wieder lautstark. Der Vorsitzende der Ruhrgebietskonferenz Pflege, Ulrich Christofczik, fordert für den Arbeitgeberzusammenschlusses:
„Das ist die zukunftssichere Ausfinanzierung von bedarfsgerechter und für die Betroffenen bezahlbare Versorgung. Dazu muss das ganze System rigoros vereinfacht werden. Wir fordern nicht umsonst seit Jahren ein durchlässiges Ordnungs- und Leistungsrecht. Wir fordern nicht umsonst sektorenübergreifende Versorgungsformen und die Deregulierung von alternativen Wohn- und Betreuungsformen. Der sektorenübergreifende Personal- und Ressourceneinsatz wäre ein wichtiger Beitrag zur Behebung des Arbeitskräftemangels in der Langzeitpflege und würde zu erheblichen Effizienzgewinnen führen.“
Ist es eine Drohung der Anbieter: „Wir machen halt auf niedrigerem Niveau weiter, aber für die Betroffenen werden die Versorgungslücken immer größer.“ Und weiter: „Die Pflegekasse bräuchte dringend mehr Geld aus dem Bundeshaushalt, ansonsten steigen die Beiträge wohl weiter.“
Ist mit Effizienz mehr Gewinn gemeint?
Wenn es den gewerblichen Pflegeanbietern gut geht. Muss es nicht notwendigerweise den zahlenden Pflegebedürftigen in der Einrichtung gut gehen. Wo bleiben die 85% anerkannt Pflegebedürftigen in der Häuslichkeit? Die Sozialpartner sehen den Gewinn und die Beitragsstabilität, nicht die eigenverantwortliche Leistung in der Häuslichkeit.
Wer setzt sich für die Versicherten und Pflegebedürftigen ein.
Die bisherige Bundepflegebevollmächtigte und examinierte Pflegefachkraft Frau Moll, setzte sich mit Sachverstand ein. Die neue Gesundheitsministerin, studierte Juristin, wird sich voraussichtlich nicht auf eine Praktikerin aus dem Pflegebereich stützen können. Beide werden von Lobbyisten Verbänden beeinflusst werden, die über Manpower und Geldmittel verfügen.
Die gewerblichen Anbieter im Pflegebereich sind gut vernetzt. Dies gilt für die Privaten und auch die fünf Wohlfahrtsverbände. In der Presse geben sich diese auch als Anwälte der Betroffenen aus, doch sie wollen Ihre Erlöse sichern. Die Qualität scheitert oft an den fehlenden Fachkräften. In allen Pflegeeinrichtungen sind Bewohnerbeiräte zu wählen. Wer nach den Gewählten im Internet sucht, wird sehr selten fündig. Wer vor Ort in der Einrichtung fragt oder gar Kontakt aufnehmen will, wird argwöhnisch beäugt. Es besteht die große Gefahr, dass die notwendige Mitwirkung, von Norbert Blüm bewusst im SGB XI verankert, gestrichen wird. Der CDU-Gesundheitsminister von Baden-Württemberg Herr Lucha hat den Versuch bereits unternommen. Wenn schon in den Einrichtungen keine direkte Interessenvertretung gegeben ist, wie sieht es in der Häuslichkeit aus?
Aus Sicht der Betroffenen könnte man im Internet nach Pflegeverbänden suchen. Doch welcher Wirrwarr. Die Eingrenzung „Pflegeverband für Angehörige“ oder „Verein pflegende Angehörige“ ist notwendig. Es erscheinen:
- Deutscher Pflegeverband e.V. Wer den Vorstand findet, sieht, die Mitglieder vertreten nicht direkt die Angehörigen.
- Bundesverband pflegender Angehöriger, wir pflegen e.V., 2008 gegründet mit derzeit 7 Landesverbänden. Wird gefördert nach 45d SGB XI vom GKV Spitzenverband.
- Pflegeschutzbund BIVA e.V. ein reiner Mitgliederverband seit 50 Jahren.
- Pflegende Angehörige e.V. Die breite Mitgliederschaft, könnte eine starke politische Kraft sein. Im Falle der Auflösung des Vereins fällt das Restvermögen an die Mitinitiatoren.
- „WIR! Stiftung pflegender Angehöriger“, Vorsitzende Frau Brigitte Bührlen
Die Hilflosigkeit der pflegenden Angehörigen wird am deutlichsten in der Beschreibung der Motivation des Netzwerkverbundes „Pflege in Bewegung e.V.“ (PiB).
Die Unterstützung von betriebswirtschaftlich geführten Einrichtungen darf nicht länger überwiegend Aufgabe und auf Kosten der Versicherten ohne deren echte Mitwirkung sein. Das Missverhältnis der Unterstützung der gewerblich Anbieter und den An- und Zugehörigen ist zu beenden. Derzeit werden jährlich über 66 Mrd. Euro in die Pflegkassen eingezahlt. Die gewerblichen Einrichtungen erhalten für die rund 800.000 Pflegebedürftigen 42 %, die anerkannt 5.300.000 Pflegebedürftigen in der Häuslichkeit müssen sich mit 48 % zufriedengeben.
Pflege ist nicht gleich Pflege
Grundpflege und hauswirtschaftliche Tätigkeiten, ist häusliche „Pflege“ und wird von Pflegehelfern ausgeführt. Die Pflegeversicherung (SGB XI) ist Teil-Kostenträger.
Pflegefachkräfte sind vor allem für die medizinische Pflege zuständig und dürfen auch Spritzen setzen oder Rezepte verlängern. Hier gilt die Krankenversicherung (SGB V).
Klare Regeln und Verantwortung, bringen Transparenz und verhindern Missbrauch. Die vereinbarten Personalmengen und -Gehälter (Qualifikationen) sind nicht erkennbar. Soll etwa etwas geheilt werden, wenn es in der Forderung der „Ruhrgebietskonferenz Pflege“ heißt: „Der sektorenübergreifende Personal- und Ressourceneinsatz wäre ein wichtiger Beitrag zur Behebung des Arbeitskräftemangels in der Langzeitpflege“. Es werden Sollvereinbarungen unter Qualitätsaspekte für die Zukunft getroffen, die nachträglich nicht belegt und verifiziert werden.
Wie können Angehörige ihr Recht ein fordern?
Angehörige opfern sich für die Pflege auf. Können die gesetzlich gegebenen Unterstützungsmöglichkeiten selten wahrnehmen und werden nicht einmal als Pflegehilfskräfte mit dem gesetzlichen Mindestlohn von 15,50 € pro Stunde entlohnt.
Alle Pflegebedürftigen haben den gleichen Anspruch auf menschenwürdige Grundpflege.
Der Blick einer Reform muss sich endlich auf die Unterstützung in der Häuslichkeit richten. Es darf nicht länger sein, dass über 10 Millionen Pflegebedürftige und Angehörige zu Lasten von 800.000 Heimbewohnern, mit bescheinigter Heimbedürftigkeit, vergessen werden. Angehörige müssen, auch im Hinblick von „Singl-Haushalten“, so gestellt werden, wie die gewerblichen Anbieter von Service- /Betreutes Wohnen.
Das Projekt „Community Nursing“ in Trägerschaft von 116 Kommunen bundesweit ist 2024 ausgelaufen und bedarf der flächendeckenden Umsetzung.
Im Folgebeitrag: „Die Pflege verlagert sich in die Häuslichkeit“ begründen wir, warum die Unterscheidung in Leistungs- und Geldleistungen nicht mehr zeitgemäß ist.
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