Bewohner(bei)rat (k)ein Aufreger

Versagen einzelne Beiratsmitglieder oder das System?

Entgelterhöhungen in den Einrichtungen müssen BSG Urteil – 26.09.2019 – B 3 P 1/18 R vor dem Einreichen bei der Pflegekasse vom Heimbeirat gegengezeichnet werden.

  • Die Unterschrift für Leistungs- und Vergütungsverhandlungen werden den Pflegekassen vor der Verhandlung zu Unterschrift vorgelegt.
  • Welcher Heimbeirat hat die komplexen Unterlagen verstanden oder geprüft. Zu einer Prüfung gehört die Einsichtnahme in die Kalkulation, die Finanzbuchhaltung. Näheres im Beitrag „Heimentgelte und Bewohnerbeirat

In jeder stationären Alteneinrichtung ist alle zwei Jahre ein Bewohnerbeirat zu wählen. Ein Beirat kann viel erreichen. Wie sich Bewohner/Angehörige mit ihren Ideen, Vorstellungen und Meinungen einbringen können, regelt das jeweilige Landesgesetz.

Ziel ist es, Mitbestimmung in der Einrichtung möglich zu machen. Die Formalien prüft die WTG-Aufsicht (früher Heimaufsicht) bei den Begehungen. Doch wie wird geprüft? Die Ordnungsbehörde sieht sich größtenteils als Beratungsstelle für die Einrichtungen. Die im Internet veröffentlicht Ergebnisberichte lassen keine andere Interpretation zu, wenn es hier unter Ziffer 13. überwiegend heißt: Beachtung der Mitwirkungs- und  Mitbestimmungsrechte: keine  Mängel oder auch nicht geprüft. Im gleichen Haus findet sich dann:

Informationen und Mitbestimmung

Jeder Mieter bekommt Informationen. Es gibt keine Beschwerden. Alle, die wir befragt haben, sind zufrieden. Die Heimaufsicht kann jeder anrufen. Zum Beispiel bei Beschwerden. Die Telefon-Nummer muss jeder kennen. Die Telefon-Nummer müssen die  Mitarbeiter weiter geben. Das ist nicht passiert. Das ist ein kleiner Fehler. Der Fehler wurde behoben.

Bei anderen steht in gleicher Rubrik:

  • Es gibt einen Beirat. Der Beirat wurde im Mai 2018 neu gewählt. Der Beirat nimmt die Rechte der Bewohner/innen wahr. Er sagt, was alle möchten. Der Beirat trifft sich mehrmals pro Jahr. Dort wird in Protokollen alles aufgeschrieben, was wichtig ist. Die Protokolle haben wir geprüft. Diese waren in Ordnung.
  • Der Prüfbericht der Behörde hing aus. Die Beschwerdeauswertung wurde eingesehen. Es wurden keine Mängel festgestellt. Es gibt einen Beirat. Der Beirat nimmt die Rechte der Bewohner wahr. Er sagt, was alle möchten. Der Beirat trifft sich mehrmals pro Jahr. Dort wird in Protokollen alles aufgeschrieben, was wichtig ist. Im Herbst 2017 wurde ein neuer Beirat gewählt. 
  • Die Nutzerinnen und Nutzer werden von einem Beirat in ausreichender Mitgliederanzahl vertreten, der zuletzt im Oktober 2017 neu gewählt wurde. Mit der Beiratsvorsitzenden wurde Rücksprache gehalten. Der Beirat trifft sich mehrmals pro Jahr und wird dabei von den Mitarbeitenden des Sozialen Dienstes unterstützt. Entsprechende Protokolle wurden vorgelegt. Es finden nachweislich Beteiligungen des Beirats zu verschiedenen Themengebieten, z.B. Freizeitaktivitäten, Wäscheversorgung etc., statt.

Nirgends sind konkrete Beispiele von Mitwirkung, Mitbestimmung und Anhörung genannt oder gar problematisiert. Dies setzt sich in den weiteren Formulierungen fort.

Freiheitsentziehung: 

  • Alle Mieter dürfen sich frei bewegen. Danach haben wir gefragt. Denn niemand darf einfach so daran gehindert werden. Nur manchmal aus Schutz. Das steht auch im Konzept.
  • Zum Zeitpunkt der Begehung wurden keine freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) mit richterlicher Genehmigung angewandt. Es gibt ein Konzept zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. Es wurden keine Mängel festgestellt. Im gleichen Bericht heißt es weiter:

Gewaltschutz

  • Es gibt ein Konzept zum Schutz vor Gewalt. Es wurden geringfügige Mängel festgestellt. Die Dokumentation dieser Maßnahmen wurde begonnen zu prüfen. Schulungen zur Gewaltprävention haben stattgefunden. 

Für Außenstehende und Angehörige ist formal die Pflicht der Veröffentlichung gegeben, doch was sagen die vorgenannten Aussagen wirklich aus. Was sind geringfügige Mängel? Hier werden nicht die Bewohner geschützt, hier werden die Einrichtungen und Träger geschützt. Die Zweijahresberichte werden von den Ratsmitgliedern, dem Seniorenbeirat, von den Sozialausschussmitgliedern oft nur zur Kenntnis genommen.

Auf dem Papier existiert ein gewählter Beirat. Es finden Treffen im Beisein oder Auftrag der Einrichtungsleitung statt. Die Protokolle werden oft von der Einrichtungsvertretung geschrieben. Die Kommunikation mit der Einrichtung ist gegeben. Werden die Protokolle auch öffentlich zugänglich ausgelegt oder anderweitig allen Bewohnern und Angehörigen zur Kenntnis, z.B. in der Monats- /Quartals-Hauszeitung gegeben? Werden die Sitzungstermine veröffentlicht? Oft kann der Heimbeirat nicht direkt per Mail oder Telefon erreicht werden; als Kontaktadresse wird oft der Sozial-Dienst angegeben.

Ist dies die geforderte Transparenz und erhöht diese die Akzeptanz des Beirates.

Jeder muss sich bewusst machen, die Aufgabe ist ein Ehrenamt.

Es wird für Einrichtungen immer schwieriger bei den Bewohnern geeignete Kandidaten für den Heimbeirat zu finden.  Es ist eine Ehre dem Beirat anzugehören. Wer das Amt annimmt, hat auch Pflichten und besondere Rechte. Gleichzeitig ist festzuhalten: Aufgrund häufig bereits bestehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, aufgrund von Angst vor Unannehmlichkeiten und Repressalien und auch, weil ein Wechsel der Einrichtung im Konfliktfall nicht ohne weiteres möglich ist, sind die Betroffenen oft gehemmt, ihre Interessen wirksam zu vertreten und durchzusetzen.

Das dritte Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes sowie das Gesetz zur Qualitätssicherung und zur Stärkung des Verbraucherschutzes in der Pflege aus dem Jahr 2002 (BundesheimmitwirkungsVO) brachte deutliche Verbesserungen in Bezug auf die Rechtsstellung und den Schutz der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Nicht zuletzt der Interessenvertretung BIVA ist es zu verdanken, dass wirklich tiefgreifende Veränderungen durchgesetzt wurden. Heimbeiräte haben demnach:

  • Mitwirkungskompetenzen in allen den Heimbetrieb betreffenden Bereichen.
  • Sie haben das Recht, Einsicht in die Kalkulationen der Heimträger zu nehmen.
  • Sie sind an den Leistungs- Vergütungs- und Qualitätsvereinbarungen zu beteiligen.
  • Die (Heim)WTG-Aufsicht kann (noch) unangemeldet zu Kontrollen erscheinen und Mängel sanktionieren. Sie hat erweiterte Kompetenzen erhalten, was die Wirksamkeit nachhaltig unterstützt.

Ein wesentlicher Verdienst der BIVA war die Heimmitwirkungsverordnung von 2002. Die Bundesländer haben eigenen Durchführungs- bzw. Ausführungsverordnungen zur Mitwirkung zu erlassen. Schwerpunkt der BIVA war, den Heimbeirat auch bei Kostenfragen einzubeziehen und dass, falls die Bewohner es selbst nicht können, auch Externe in den Beirat gewählt werden können. 

Bewohner(bei)räte sollten sich fragen: Bin ich kritisch genug?

Kritisch kann ich nur sein, wenn ich die entsprechenden Kenntnisse über die Aufgaben und Pflichten des Organs „Bewohner(bei)rat“ habe. Nur dann kann ich der ehrenamtliche Interessenvertreter der Bewohner sein. Doch „Dr. Google“ versagt. Wie haben  deshalb entsprechende Informationen zusammengetragen.  Leseprobe

Brauche ich Unterstützung in Form  

  • einer allgemeinen Schulung und
  • bei Leistungs- Vergütungs- und Qualitätsvereinbarungen externe Beratung

Die Konzern und Großeinrichtungen informieren Ihre Beiräte selbst. In NRW haben Beiräte die gesetzliche Möglichkeit sich von Externen aufklären und schulen zu lassen. Angefangen mit Schulungsangeboten der WTG-Aufsicht als erste Information, über Seminarangebote für ausgesuchte Problemfelder bis zur einrichtungsbezogenen Heimbeiratsschulung. 

Es mangelt am intensiven und offenen Austausch

  • Kenne ich andere Heimbeiratsmitglieder aus anderen Einrichtungen des Trägers oder in der Umgebung.

Der Heimbeirat ist oft eine Alibiform für den Einrichtungsträger. Unangenehme Beiräte werden gemobbt. Die mögliche Ordnungswidrigkeitenanzeige wird nicht gestellt.

Ein Indiz ist, dass keine direkte Ansprache möglich ist. Dies in der heutigen Zeit der Internetkommunikation und der direkten Mail.

Nur wer die Fakten und Tatsachen kennt, kann notwendige Veränderungen anstoßen. 

Siehe auch „Heimbeirat das unbekannte Wesen“ 31.12.19  und Leseprobe Bewohnerbeirat

Beitragsreihe „Beirat“ wird fortgeführt