Wer denkt an die Senioren, Pflegebedürftigen, An- und Zugehörige?
Die Grundrechtsbeschränkungen in Deutschland
Ab Mitte März 2020 und 2021 wurden in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie flächendeckend Grundrechtsbeschränkungen eingeführt, die in ihrem Ausmaß und in ihrer Tragweite für diese rechtsstaatliche Demokratie bislang einmalig sind. Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen betrafen die allgemeine Handlungsfreiheit und das Grundrecht der Bewegungsfreiheit. Das Verbot, Gottesdienste abzuhalten, schränkte die Religionsfreiheit ein, insbesondere die Freiheit der Religionsausübung. Inhaberinnen und Inhabern von Unternehmen verschiedener Branchen war es durch Betriebsschließungen und Einschränkungen mehr oder weniger nicht möglich, ihre Berufsfreiheit auszuüben. Viele Selbständige unterlagen oder unterliegen quasi einem zeitweiligen Berufsverbot. Dies gilt ebenso für viele künstlerisch Tätige, sodass auch die Kunstfreiheit hier erörtert werden könnte. Durch die weitgehende Schließung der Universitäten war die Forschungs- und Lehrfreiheit eingeschränkt. Angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen dieses weitgehenden Lockdowns stellen sich ferner Fragen der Eigentumsfreiheit.
In Zeiten eines pandemischen Notstands
Von nationaler und internationaler Tragweite ist eine Besinnung auf grundlegende demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien von Verfassungs wegen geboten. Die Corona-Pandemie stellt den Staat und seine zuständigen Organe vor die schwierige Aufgabe, einen angemessenen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Grundrechte sind in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheit des Einzelnen vor ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu schützen: Sie sind Abwehr- oder Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürgern gegen den Staat. Wie die staatlichen Organe den grundrechtlichen Schutzpflichten nachkommen, ist grundsätzlich von ihnen in eigener Verantwortung zu entscheiden. Das Grundgesetz verlangt aber vom Gesetzgeber, von der Verwaltung und der Justiz eine permanente Rückbesinnung auf die vom Staat zu verteidigenden Freiheitsrechte und die Herstellung und Wahrung einer angemessenen Balance.
Schutzpflichterfüllung
Im Rahmen seiner Schutzpflichterfüllung gegen die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus aufgrund des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG hat der Staat daher stets die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in die widerstreitenden Grundrechte zu prüfen. Je größer die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung sind, desto umfassender und massiver dürfen die Freiheitsbeschränkungen sein. Der Staat muss unter Hinzuziehung externen Sachverstands stets prüfen, welche Gefahrenabwehr und Vorsorgemaßnahmen angemessen im Verhältnis zur aktuellen Gefahrenlage sind. Diese Fragen der rechtlichen Abwägung sind zwingend zu beantworten und dürfen nicht ausschließlich Virologinnen, Medizinern, Epidemiologinnen und Naturwissenschaftlern überlassen werden. Vor dem Hintergrund der in wissenschaftlicher Hinsicht mitunter schwer zu beantwortenden Fragen nach der Effektivität von bestimmten Schutzmaßnahmen und dem Gefährdungsgrad der Bevölkerung durch das neuartige Sars-Virus ist den zuständigen Organen des Staates zwingend ein gewisser Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zuzubilligen, dessen Einhaltung die Gerichte nur unter Vertretbarkeitsgesichtspunkten nachprüfen können. Die gesetzlichen Befugnisnormen in § 28 Abs. 1 und § 32 des Infektionsschutzgesetzes, sind notgedrungen sehr weit gefasst: Es sind demnach die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
Der Handel und Unternehmen in der Pandemie
Unerwartet und scheinbar unwahrscheinliche Ereignisse, die tief greifende Konsequenzen haben und deshalb jegliche Planung und Priorisierung obsolet werden lassen, werden in der Wirtschaftswissenschaften auch „Schwarze Schwäne“ genannt. Die Corona-Pandemie ist der Schwarze Schwan der deutschen Wirtschaft. Für Unternehmen, etwa Handels- und Dienstleistungsbetriebe, die Gastronomie sowie „Beherbergungsunternehmen“ in besonderem Maße betroffen. Angesichts der empfindlichen, nicht selten existenzbedrohenden wirtschaftlichen Verlusten dieser Unternehmen ist zu fragen, ob in diesen Fällen nicht gesetzliche Entschädigungsregelungen von Verfassungs wegen geboten wären. Die Unternehmensinhaberinnen und -inhaber sind in diesen Fällen nicht betroffen, weil sie krankheits- oder ansteckungsverdächtig sind, ihnen wird aufgrund der Betriebsschließungen gewissermaßen ein Sonderopfer zum Wohle der Allgemeinheit abverlangt. Es geht hier nicht um klassische Enteignungen, aber um Eingriffe in das Eigentum und in die Berufsfreiheit, die man als ausgleichspflichtige Sozialbindungen bezeichnen kann.
Solche Eingriffe müssen nach der Verfassung durch gesetzliche Ausgleichs- beziehungsweise Entschädigungsansprüche abgefedert werden. Zwar sieht das Infektionsschutzgesetz durchaus Entschädigungsregelungen nach § 56 IFSG vor, aber eben nur für Personen, die ansteckungs- oder krankheitsverdächtig sind und deswegen Beschränkungen etwa eine Quarantäne, hinnehmen müssen. Diese gesetzliche vorgesehenen Entschädigungsregelungen treffen aber für Unternehmerinnen und Unternehmer, die schwerwiegende wirtschaftliche Folgen tragen müssen, nicht unmittelbar zu.
Vom Gesetzgeber vergessen
Offenbar hat beim Erlass das Infektionsschutzgesetz im Jahre 2000 niemand mit einer solchen Tragweite von Geboten und Verboten gerechnet. Eine rechtsstaatliche Aufarbeitung des Geschehenen wird diesem Aspekt aufgreifen und etwa das Gesetz entsprechend novellieren müssen. Das Problem ist in politischer Hinsicht zunächst dadurch etwas entschärft worden, weil Bund und Länder mit Haushalts-gesetzlich ausgewiesenen Finanzleistungen oder Kreditgewährungen reagiert haben. Aber von Verfassungs wegen wird man feststellen müssen, dass der Gesetzgeber in der Pflicht steht, selbst Art und Ausmaß der Entschädigungen oder des sonstigen finanziellen Ausgleich zu regeln.
Fazit: Die Grundprinzipien unseres Verfassungsstaates, nämlich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, verlangen, dass der Gesetzgeber sich besser auf epidemische und pandemische Notlagen nationaler beziehungsweise internationaler Tragweite besser aufstellt. Das bisherige Instrumentarium des Infektionsschutzgesetzes musste angesichts der akuten Gefährdungslage deshalb genutzt werden, weil es keine besseren rechtlichen Instrumentarien gab. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die zuständigen staatlichen Instanzen es viel zu lange versäumt hatten, die notwendigen und geeigneten Maßnahmen zu treffen und nach solchen Versäumnissen mit den schärfsten Mitteln reagieren mussten. Zu erwähnen ist hier vor allem die lange Zeit versäumte Anordnung des Tragens von Schutzmasken in der Öffentlichkeit, obwohl eine solche die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger am wenigsten beeinträchtigt. Bei der Impfstoffbeschaffung hätte es schneller gehen können, wenn das Gesundheitsministerium entschieden hätte, die Impfstoffe in Deutschland über die Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung zuzulassen, die in dieser Pandemie greift. Der Gesetzgeber sollte daraus lernen und Rechtsstaatlichkeit und Demokratie auch in dieser Hinsicht krisenfest machen. Für den epidemischen Notstand von nationalem Ausmaß fehlt indes noch wie vor eine rechtliche hinreichende Vorsorge (Notstandsverfassung im Grundgesetz). Dieser Frage darf nicht wieder auf die lange Bank geschoben werden, ihr muss umgehend nachgegangen werden. Aufarbeiten der Versäumnisse ist angesagt, um zukunftsorientierte angemessene Lösungen für die Bürger zu finden.
Die Ministerkonferenz am 3.3.2021 wurde 23:45 Uhr kundgetan. Danach ist im Mai nach dem Stufenplan aus politischer Sicht wieder alles im Grünen Bereich. Die Sorgen der Menschen, insbesondere der Bewohner und Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen und der Angehörigen, werden deutlicher und müssen aufgearbeitet werden.
———————————————————–
Wir konnten nun unser ausgefallenes Wochenendseminar für März auf den 5.-7. Mai mit dem Bildungsträger verlegen. Damit keine großen Kosten für Sie anfallen, konnten wir erreichen, dass das Seminar kostenfrei bleibt. Das Haus bittet für die VP und ÜN um einen entsprechende Spende. Bei Interesse, hier das Programm mit weiteren Angaben. Bis Ende März müssen die Anmeldungen vorliegen, damit das Seminar stattfinden kann.