Personalbemessung in der Pflege und die Auswirkungen

Ein „sinnvolles, transparentes Zusammenwirkens von Menschen“, kein omminöses Qualitätsversprechen.

Zum Schutze der Bewohner und Patienten ist die Mindest-Personalbemessung unabdingbar. Es ist die Herausforderungen zur Qualitätssicherung in der Pflege.

An die seit Anfang Mai öffentlichen Streik-Auseinandersetzung an den 6 Universitätskliniken des Landes NRW muss erinnert werden. Die Problematik ist nicht neu, aber der politische Wille zu handeln. SPD-Antrag Drs. 18/62 und Gesetzesklarstellung Drs. 18/58. Die Problematik in den Pflegeeinrichtungen ist gleich gelagert aber gravierender durch fehlende gewerkschaftliche Organisation und fehlende Mitwirkung bei der Verhandlung der Heimentgelte.  An die formale Mitwirkung der der gewählten Beiräte nach § 85 Abs. 3 SGB XI sei erinnert.

Bringen wir Licht ins Dunkel

Das theoretisch verhandelte Verhältnis zwischen Pflegekassen und Träger von Pflegekräften zu pflegenden Menschen in der Einrichtung wird nach einheitlichen Methoden vereinbart, kann aber von den Bewohnern und deren Angehörigen zur Zeit nicht nachvollzogen werden.  Es gibt keine bundeseinheitliche Vorgaben. Auf Landesebene werden unterschiedliche – nicht selten nach Kassenlage in den Bundesländern festgelegte – Pflegeschlüsseln vereinbart. Die Qualität der Pflegeleistung kann sachlich nicht nachvollzogen, geschweige geprüft werden. Bewohnerinnen/Bewohner oder Patientinnen und Patienten, wir alle brauchen Transparenz. Nur bei öffentlich einsehbaren Verhandlungsergebnissen  kann im Einzelfall die Abweichung im Mindeststandard begründet und nachvollzogen werden. Pflegequalität ist bei Wundliegen oder Austrocknung (Dehydrierung) nicht mehr gegeben.

Die verhandelte Personalbemessung wird bei wirtschaftlich geführten Trägern intern schon längst laufend geplant. Vormals mit Excel, heute in der Pflegesoftware integriert. Die Personalbemessung ist abhängig von der Belegung und eine Voraussetzung einer sinnvollen Personaleinsatzplanung bzw. Dienstplangestaltung. Kurzfristige Umplanungen sind ein Indiz fehlender effektiver Kräfte und Einsparungen bei gegebenen Erlösen.

Die Personalbemessung erfolgt theoretisch aufgrund des quantitativen und qualitativen Arbeitsanfalls in der Pflege, d.h. der anfallenden Arbeiten, ihrer typischen Dauer und der zur Durchführung notwendigen Qualifikationen. In der Praxis wird im Personaleinsatz und der Entlohnung unterschieden zwischen Krankenhaus und einer stationären Pflegeeinrichtung.

In der stationären Pflegeeinrichtung ist der Umfang der Arbeiten von dem Pflegegrad der Bewohner abhängig. In jedem Bundesland kann über das Verhältnis Pflegekraft pro Bewohner ein Landespflegeausschuss mitberaten. Die anfallenden Arbeiten, z.B. Grundpflege oder medizinische Pflege, bestimmen die erforderliche Qualifikation der Mitarbeitenden und damit, ob Pflegeassistenz oder Pflegefachkräfte die Arbeit erledigen dürfen. Diese Anhaltswerte werden für die zukünftige Planung, aufbauend auf den vorherigen Verhandlungsunterlagen, für die Entgeltverhandlungen der Einrichtungen mit den Pflegekassen zu Grunde gelegt. Ein Soll- Istvergleich wird nicht abgeprüft. Alle Bewohner zahlen durch das Einrichtungs-Einheitliche-Entgelt (EEE) die fehlenden, theoretisch refinanzierten Soll-Pflegekosten.

Das Soll-Verhandlungsergebnis wird als Betriebsgeheimnis gesehen. Gerade im Konzernverbund werden den angeschlossenen Einrichtungen, die einrichtungsbezogenen Verhandlungsergebnisse zentral in die bestehende Software eingepflegt. Ein Abgleich zwischen den Verhandlungswerten und den Vorgabewerten ist für die verantwortliche Pflegekraft oder gar für die Stationsverantwortlichen oft nicht gegeben. Wie kann bei diesem Vorgehen der fehlenden Einsicht die Verantwortung gegenüber den Bewohnern, der Pflegekassen vollumfänglich Vor Ort von der Einrichtungsleitung, der Pflegedienstleitung getragen werden?

Dieses intransparente Vorgehen zeigt, die notwendige, öffentlich einsehbare bundeseinheitliche Mindestausstattung für Bewohner, Angehörige, Beiräte und Mitarbeiter, muss schnellsten kommen. So kann Vertrauen aufgebaut und geforderte Verantwortung übernommen werden.

Die Personaleinsatzplanung bzw. die Gestaltung des Dienstplanes erfolgen aufgrund der anfallenden Arbeit und deren Verteilung im Monat, der Woche und im Tagesablauf. Änderungen der Belegung eines Wohnbereiches oder einer Einrichtung, wenn z.B. Bewohner nicht nur einige Tage im Krankenhaus sind, führen zu einer temporär geringeren Belegung und können, wie auch andere Belegungsschwankungen auf den Monatsplan Auswirkungen im Personaleinsatz haben, sind üblich und damit planbar.

Wer sich heute in den Einrichtungen umhört, stellt fest, dass es die Soll-Dienstpläne gibt. Diese werden je nach Träger/Betreiber täglich ver- und abgeändert. Die Krankmeldungen häufen sich zu den Wochenenden und Feiertagen. Die gesetzlichen Ruhezeiten werden nicht eingehalten. Für die Universitätsklinken in NRW wird seit Anfang Mai für einen Entlastungstarifvertrag gekämpft, eine Einigung ist vor der Konstituierung der Landesregierung (CDU/GRUENE) nicht in Sicht. Der 50 Tage währende der Streik in Berlin, bis ein entsprechender Tarifvertrag verhandelt war, wird damit zeitmäßig übertroffen.

Zur Klarstellung: Das Problem der Überlastung wird mit dem in NRW angestrebten Tarif nicht beseitigt. Die Umsetzung zeigt sich in Berlin. Die Gesundheit der Pflegekräfte wird erkauft. Es müssen sich strukturelle Verbesserungen ergeben, ausgebildete Kräfte kehren sonst nicht in den Beruf zurück.

Durch Deutschland muss – schnell – ein Ruck gehen.

Friedhelm Hengsbach fordert zu Recht wieder eine normgeprägte und verbindliche Rahmenordnung (Seite 91f „Die Zeit gehört uns“ Friedhelm Hengsbach, Westendverlag ISBN 978-3-86489-904-1) und ein Ende der Demontage des Sozialstaats. Das soziale Gewissen in den Parteien muss sich regen. Worten im Wahlkampf müssen endlich Taten folgen.

Arbeitsteilung neu Gestalten

Aufgrund der fehlenden examinierten Pflege-Fachkräfte in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen sind klare Regelungen der Zuständigkeiten und Verantwortungsbereichen und damit einhergehende Entgeltvereinbarungen notwendiger denn je. Die dadurch notwendige Kostenstruktur wird den Betreiber veranlassen die Mitarbeiter der betrieblich notwendigen Qualifikationen in die Organisation entsprechend einzuplanen. Statusfragen können auftreten, die Einrichtungsträger werden ihre bisherige Vergütung hinterfragen müssen, wenn sie am Markt bestehen wollen.

Je länger diese notwendigen Veränderungen nach einer einheitlichen Personalbemssung verschleppt, ausgesessen werden, je größer werden die Konflikte, die Widerstände der Pflegekräfte und der Frust der Patienten, der Bewohner und der Angehörigen. Das Rothgang-Gutachten zeigt Wege auf. Die Erkenntnisse sind gegeben.

Nur durch ein transparentes Vorgehen, unter Beteiligung der Betroffenen, kann der Finanzmarktkapitalismus im Gesundheitswesen erfolgreich abgelöst werden. Die Bevölkerung darf nicht länger gegen sich selbst eingestimmt werden. Die Qualität der Pflegekräfte bedarf einer nachvollziehbaren, ordentlichen Entlohnung und Ausstattung der Pflegekräfte. Die Verhandlungsergebnisse müssen umgesetzt und überprüft werden.

Heimentgelte auf Sollzahlen müssen dem wirklichen Personaleinsatz entsprechen.

Organisierte Pflegekräfte in staatlichen Einrichtungen können für eine ordentliche Pflege streiken! 90% ist das Grundrecht durch fehlende gewerkschaftliche Macht verwehrt! Der Hype zur Digitalisierung darf den Blick auf das Wesentliche, den Menschen, nicht verstellen.

Gesundheit ist ein Vertrauensgut.

Qualitätsdarstellung für die Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert; Beitrag folgt demnächst.


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