Nachbarschaft als neuer Generationenvertrag

Die Kleinfamilie, eine Erfindung der Industrialisierung, ist ein Auslaufmodell. Aber ihre nächste Form ist nicht der allgegenwärtige Versorgerstaat, der von der Krippe bis zur Bahre alles organisiert, finanziert und kontrolliert, sondern die Hausgemeinschaft, die lebendige Nachbarschaft, das organische Quartier.

Die Nähe, wo alle Altersgruppen fußläufig (in Pantoffeldistanz) 80 Prozent von dem finden, was man zum Leben braucht: Freundschaft, Unterhaltung, Rückzug, Alltagsbedarf, Dienste und Beschäftigung. Der Platz wo sich Menschen als Menschen begegnen können, in einer überschaubaren Welt, die für alle die gleiche ist: das Zuhause.

Es ist nicht leicht, angesichts der aktuellen demografischen Zahlen zuversichtlich zu bleiben. Der Grundsatz war bisher, auch wenn sich die Details im Lauf der Zeit änderten: Die Erwachsenen sorgen für die Kinder, wenn sie klein und hilflos sind. Dafür schauen diese als Erwachsene zu den Alten, wenn Hilfe nötig ist. Dieser Vertrag zerbricht. Er zerfällt unter der Last von mindestens drei historischen, schwer zu bändigenden Kräften: der demografischen Entwicklung, der Verschuldung und der Beschleunigung. Zudem haben wir nicht mehr drei, sondern vier Generationen mit wechselseitigen Abhängigkeiten: Kinder und Jugendliche, Erwerbstätige, Jungrentner (65 bis 80) und Hochbetagte.

Die Versorgungslücke

Bei der ersten Rentenreform 1957 zahlten  3 Erwerbstätige die Rente für eine Person im Schnitt für 10 Jahre, heute kann die Rente 20 Jahre bezogen werden.

 

Versicherte

Rentner

 

Jahresentg Brutto

Rente brutto

1962

25.880.000

           8.120.453  

31,4%

                  3.747 €

          1.838 €

2000

51.107.248

         23.144.467  

45,3%

                27.741 €

        13.373 €

2015

53.812.586

         25.519.737  

47,4%

                35.363 €

        15.611 €

 

Bereits heute beläuft sich der Altersquotient, der das Verhältnis der Anzahl der über 65-Jährigen zur Anzahl der 15- bis 64-Jährigen angibt, in der EU auf 28, in der Schweiz auf 29 und in Deutschland auf 31. Aufgrund geringer Geburtenraten und einer anhaltend steigenden Lebenserwartung in Europa wird sich diese Kennziffer bis zum Jahr 2060 nahezu verdoppeln.

Das Problem besteht nicht nur aus weniger Beitragszahlern. Es verschärft sich durch direkte und indirekte höhere Pflegekosten. 1995 wurde die Pflegeversicherung nach 12jähriger Vorarbeit eingeführt. Der Staat zog sich zurück und übergab die Verantwortung den Pflegekassen und den Familien. waren

Die Verschuldung wächst 

Schulden sollten im Prinzip von denen bezahlt werden, die sie gemacht haben, je nach Art der Verpflichtung innerhalb einer Generation, also 25 Jahren. Wird die Rückzahlung weiter hinausgeschoben, muss die nächste Generation amortisieren. Das ist nicht nur ungerecht, sondern mittlerweile auch unmöglich. Weltweit liegen die Schulden bei 230 Billionen Dollar. Das ist fast viermal so viel wie das weltweite Bruttoinlandsprodukt; das sind vier Jahre Gratisarbeit. Zum Vergleich: Die zur Bezahlung dieser Schulden vorhandene Geldmenge M1 (Bargeld und Bankguthaben) beträgt global 30 Billionen. also einen Achtel der Schulden. Was zeigt: Die Rückzahlung ist unmöglich.

Auch in Europa und der reichen Bundesrepublik gibt es keine andere Lösung, als die Schulden auf die nächsten Generationen zu übertragen und sie Zinsen für Auslagen bezahlen zu lassen, von denen andere profitierten. Den Schulden von Personen, Firmen und öffentlicher Hand in der Schweiz von rund 1,7 Billionen Franken steht eine Geldmenge von lediglich 636 Milliarden Franken gegenüber.

Die unbezahlbaren  Staats-Schulden sind als Problem an sich schon groß genug. Noch schwerer wiegen aber die Schulden, die noch gar nicht in den Büchern stehen. Sie bestehen vor allem aus Verpflichtungen aus den Beamtenpensionen, Sozialversicherungen, die bereits eingegangen wurden, aber noch nicht fällig sind. Die Stiftung Marktwirtschaft in Berlin erstellt regelmäßig Rankings für die EU-Länder, in denen auch die impliziten Schulden berücksichtigt werden.

Die Resultate sind erschreckend. In den EU-Ländern liegen die Verpflichtungen durchschnittlich doppelt so hoch wie die Staatsverschuldung, nämlich bei 177 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). An der Spitze der Rangliste steht Irland mit einer Staatsverschuldung von 107 Prozent und impliziten Schulden von unglaublichen 1064 Prozent des BIP. Das ergibt eine «Nachhaltigkeitslücke» von 1171 Prozent oder fast zwölf Jahren Gratisarbeit, um den Generationenvertrag wieder ins Lot zu bringen. Am anderen Ende der Skala findet sich ausgerechnet Italien mit relativ hohen Staatsschulden (132 Prozent), aber impliziten Schulden von minus 75 Prozent des BIP. Mit anderen Worten: Die Italiener haben sich ein implizites Guthaben im Umfang von drei Vierteln einer Jahresleistung angespart.

Insgesamt liegt die «Nachhaltigkeitslücke» 2015 im EU-Durchschnitt bei 266 Prozent des BIP. Die Deutschen stehen schlechter als die Italiener da, aber  noch im Mittelfeld mit 75% direkter Staatsverschuldung zuzüglich 74% der verdeckten Verschuldung, damit mit einer «Nachhaltigkeitslücke» von insgesamt 149% zu 57%.

Mit den unbezahlbaren Schulden hinterlassen wir der nächsten Generation ein Problem, das innerhalb der geltenden Rechtsordnung nicht zu lösen ist.

Gesellschaftliche Beziehungen bröckeln

Das Leben verändert sich heute während eines einzigen Lebens ständig, praktisch bis zur Unkenntlichkeit. Der alte Mensch steht ratlos vor dem Ticketautomat, die Welt fährt ihm buchstäblich davon. Der Junge erreicht zwar den Zug, kommt aber nie ans Ziel, weil er, versunken ins Handy, gleichzeitig nirgendwo und überall ist. Beziehung scheint nicht mehr möglich, schon gar nicht zwischen den Generationen.

Die Alten, die früher sich noch ein bisschen nützlich machen und den Enkeln die Welt erklären konnten, diese Alten müssen jetzt fit sein, konsumieren und Pauschalangebote buchen, bis sie schließlich «Klienten» werden in einer Institution mit Qualitäts- und vor allem mit Kostenkontrollen. Zuerst nimmt man ihnen jegliche Arbeit ab, dann garnieren Aktivierungsfachleute die freie Zeit mit Beschäftigung.

Schließlich werden sie mit Medikamenten ruhig gestellt und nach Pflegegraden bewertet. Wer seine Strümpfe nicht mehr selber ausziehen kann, kostet mehr. Worüber soll man sich mit den Angehörigen unterhalten, wenn sie zum Pflichtbesuch kommen? Über das Menu, das Wetter oder die neusten Todesfälle? Kann das die Ernte des Lebens sein!

Schlaraffenland ist abgebrannt!

Die oben aufgezeigte Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen, sie kann nur in konstruktive Bahnen gelenkt werden. Unabhängig davon muss der Generationenvertrag in der Industriewelt 4.0  neu und anders definiert werden. Wir müssen uns schnellstmöglich auf  uns selbst und die An- und Zugehörigen besinnen.

Jeder muss nun für sich einen auskömmlichen Lebensabend planen und überlegen welche Prioritäten er setzt und welche Politik er unterstützt. Ein weiter so, trotz der oben aufgezeigten Gefahren kann es für viele zukünftige Rentner nicht geben. Ein eigenes aktives Handeln ist jetzt angesagt?

Vorsorge kann auf vielfältige Art und Weise getroffen werden. Wir bieten hier eine Diskussionsplattform