Sagt das Rentenniveau überhaupt etwas aus über Altersamut?

Chimäre Rentenniveau      

Was ist eigentlich das Rentenniveau?

Eines vorweg, das meiste was Sie darüber in Diskussionen oder in den Medien hören und lesen, ist irreführend. Es wurde und wird mit dem Rentenniveau jede Menge Schindluder getrieben. Niemand weiß das wohl besser als Bert Rürup, der langjährige Berater der Bundesregierung und frühere Chef des Sachverständigenrats. Er gab bereits vor Jahren zu Protokoll.

Das Rentenniveau kann ausfallen, je nachdem wie ich es berechne, was ich rausnehme, was ich reinnehme.

Das heißt, man kann jedes Niveau erzeugen, das Niveau ist also eine ziemlich manipulative Größe. Damit könnte man diese Erörterung um das Rentenniveau eigentlich beenden. Doch es beziehen sich einfach zu viele Experten und Berechnungen auf das Rentenniveau, um es komplett ignorieren zu können. So lohnt es sich, wenigstens mit einer Reihe von Irrtümern aufzuräumen.

Klarstellung Nummer 1:

Das Rentenniveau hat nichts, aber auch gar nichts mit einer Lohnersatzrate zu tun, wie bei Beamten, Soldaten oder Abgeordneten. Es sagt also gerade nicht, wie viel Prozent von seinem letzten Einkommen ein Rentner erhält. Wenn kolportiert wird, ein Rentenniveau von 48 Prozent bedeute, die Rentner bekämen etwa 48 Prozent vom letzten Brutto oder 48 Prozent vom letzten Netto, so ist beides falsch. Eine Anknüpfung der Altersversorgung an das letzte Einkommen vor dem Ruhestand gibt es nur bei Beamten. Die bekommen tatsächlich 71,75 Prozent vom letzten ruhegehaltsfähigen Gehalt als Pension, wenn sie mindestens 40 Dienstjahre aufweisen. Bei Bundesbeamten und Landesbeamten sind das im Schnitt derzeit 2.940 Euro brutto. Das ist nahezu das Dreifache, was derzeit langjährige versicherte Rentner in Deutschland bekommen. Diese erreichen damit nach OECD Berechnungen übrigens nur eine maximale Lohnersatzrate von 37,5 Prozent aus der gesetzlichen Rente.  „So erklären sich auch die Beförderung kurz vor der Pension.“

Klarstellung Nummer 2:

Es gibt nicht nur ein Rentenniveau, sondern mindestens drei, ein Bruttorentenniveau und gleich zwei Nettorentenniveaus. Die Verwirrung ist vorprogrammiert. So hatten wir tatsächlich früher in Deutschland ein Rentenniveau, das 1977 den Spitzenwert von rund 73 Prozent erreichte und danach bis in die 1990 Jahre meist bei über 70 Prozent lag. Es handelte sich dabei um das Nettorentenniveau nach Steuern. Verglichen wurde dabei die sogenannte Standardrente mit dem Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer, jeweils nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Das verfügbare Einkommen eines Standardrentners lag damals tatsächlich nur rund 30 Prozent unter dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen. Die Erklärung, die Renten stiegen damals noch anders als heute genauso schnell wie die Löhne. So blieb der Abstand zu den Löhnen überschaubar und Rentner hatten noch den Charakter einer Lohnersatzleistung. Natürlich kann man auch ein Bruttorentenniveau ausweisen, bei dem dann die Bruttostandardrente (also vor Abzug von Kranken und Pflegebeitrag sowie Steuern) mit dem Bruttolohn eines Durchschnittsverdieners verglichen wird. Das Bruttorentenniveau betrug auch in goldenen Zeiten gerade mal 60 Prozent und wird bis zum Jahre 2045 auf 37,8 Prozent fallen. Es wird jedoch wenig verwendet.

Wenn heute jedoch von Rentenniveau gesprochen wird, ist damit das gemeint, was die Bundesregierung Sicherungsniveau vor Steuern nennt. Dabei wird der Zahlbetrag der Standardrente, also nach Abzug von Kranken und Pflegeversicherungsbeitrag, verglichen mit dem Durchschnittsverdienst, ebenfalls nach Abzug der Sozialabgaben. Die Steuern bleiben außen vor, Bundesregierung und Rentenkasse weisen das nach diesem Konzept errechnete Niveau mit 48 Prozent aus. Es liegt damit rund 5 Prozentpunkte niedriger als vor den Riesterreformen (rund 53 Prozent). Doch das ist leider nur die halbe Wahrheit. Professor Winfried Schmähl kritisiert, dass die Rechenweise des Rentenniveaus vor Steuern zur weiteren  Verschleierung der Tatsachen beitrage. Der steigende Abstand zwischen Arbeitnehmereinkommen und den Rentnereinkommen komme im aktuell ausgewiesenen Rentenniveau gerade durch die Ausklammerung der Steuereffekte nur unzureichend zum Ausdruck. Die seit 2005 eingeführte Rentenbesteuerung führt zu gegenläufigen Effekten für Arbeitnehmer und Rentner. Während Arbeitnehmer schrittweise immer mehr Beiträge von der Steuer absetzen können und damit entlastet werden, rutschen die Rentner schrittweise immer stärker in die Besteuerung hinein. Jeder Rentenerhöhung wird neu veranlagt und höher besteuert. Ein Rentenniveau vor Steuern berücksichtigt dieses nicht und verharmlost nochmals damit die Verschlechterung der Einkommensposition der Rentner verglichen mit den Arbeitnehmern, von den Beamten zu schweigen.

Klarstellung Nummer 3:

Das Rentenniveau hat mit der Rentenhöhe der einzelnen Rentner nur wenig zu tun. Manchmal führt es geradezu in die Irre. So ist das offizielle Rentenniveau in den vergangenen Jahren nur wenig gesunken (und von 2015 auf 2016 sogar gestiegen!) Dennoch sind die tatsächlichen Renten vieler Neurentner heute dramatisch niedriger als noch vor wenigen Jahren. Eine quantitative Aussage darüber, was ein steigendes oder fallendes Rentenniveau für einen Rentner im Einzelfall bedeutet, ist damit nicht möglich. Das liegt vor allem daran, dass das Rentenniveau nur etwas aussagt über den sogenannten Standardrentner. Der wiederum ist nur ein Idealtypus, die Fiktion eines Arbeitnehmers, der 45 Jahre lang immer den Durchschnittsverdienst der versicherten Arbeitnehmer erreicht. Also vom ersten bis zum letzten Arbeitsjahr. Keine Zeiten der Arbeitslosigkeit, keine Elternzeit. Ist das realistisch? In Wirklichkeit schaffen die meisten Versicherten keine 45 Versicherungsjahre, sondern im Schnitt gerade mal 39,5 Jahre. Weniger Jahre bedeuten eben auch deutlich weniger Rente. Zudem wer vor dem offiziellen Renteneintrittsalter ( mit 67 Jahren!) in Rente geht, wird mit heftigen Abschlägen bestraft. Das Rentenniveau kennt solche Rentenabschläge nicht. Auch keine Verluste, die durch Zeiten der Arbeitslosigkeit entstehen. Die sind insbesondere für Langzeitarbeitslose aber gravierend. Es wird nicht zur Kenntnis genommen, dass es nicht mehr die eine Erwerbsbiopgraphie bei einem Unternehmen gibt. Angefangen mit dem Praktikum, Zeitverträgen etc.

Die Rentenversicherungsgesetze werden von Abgeordneten beschlossen, die den Beamten gleichgestellt sind und damit nicht von den Auswirkungen betroffen werden. SPD Arbeitsminister Heil will eine Grundrente über Sozialhilfeniveau ohne Bedürftigkeitsprüfung. Der Rentenversicherungsträger soll die Berechnung einmalig vornehmen, wie bei der Mütterrente. Die CDU/CSU sperrt sich weiter, will eine Bedürftigkeitsprüfung nach Sozialhilfestandards ohne Anerkennung der Lebensleistung aber weitere Erleichterungen für die Unternehmen. Der Sozialstaatsgedanke des Ausgleiches aus Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes ist verloren gegangen. 

Hartz IV und Schröder sollen in der Versenkung verschwinden. Dies kann unter der Ampelkoalition gelingen.

Eine Umkehr wird es nur geben, wenn eine Mehrheit der Politiker das Grundproblem der fehlenden Kaufkraft erkennen. Gegenwärtig haben die Parteien keinerlei Vision für die Mehrheit der Wähler, die Arbeitnehmer. Es fehlt der Geist zu einer weitsichtigen Politik, kluger, solidarischer neuer Renten-Konzepte ohne Bemessungsgrenzen. Die Verantwortung tragen nach  Artikel 21 des Grundgesetzes die „eingeigelten“ Parteien. 

Der Ukrainekrieg facht die Inflation an. Rentner verarmen zusehends. Die 5 % Rentenerhöhung im Juli 2022 bleibt mindestens 3 % unter der ausgewiesenen Inflation. Grundnahrungsmittel sind um über 20 % seit Jahresbeginn teurer.

Wo bleibt der Ruck

Ende Teil 1  Teil 2 folgt