Teil 2. Elternunterhalt

Entscheidung fürs Pflegeheim wird erleichtert

Fortsetzung von Teil 1

Manche Pflegebedürftige haben bislang den Wechsel ins „teure“ Pflegeheim aufgeschoben, um zu verhindern, dass ihre Kinder vom Sozialamt zur Kasse gebeten werden. Dieses Argument gegen einen Umzug entfällt ab 2020 in aller Regel. Daher könnte der Anteil der in Heimen betreuten Pflegebedürftigen künftig steigen.

Wichtig zu wissen: Die Pflegeversicherung muss den Umzug ins Pflegeheim nicht genehmigen und sie darf den Umzug ins Heim nicht verhindern. Was im Übrigen auch finanziell gesehen keinen Sinn machen würde, denn die Leistungen der Pflegeversicherung für die Pflege zu Hause sind inzwischen vielfach sogar höher als die Leistungen für die Heimpflege. Daher hat der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages bei der Beratung des Pflegestärkungsgesetzes klargestellt: Hinsichtlich der Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 ist in der Regel davon auszugehen, dass sie nicht ohne gute Gründe ein vollstationäres Pflegeheim wählen, um ihre Versorgung sicherzustellen. Eine Überprüfung der Gründe und Motive für den Wechsel ins Heim stelle deshalb entweder eine unnötige Belastung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung oder der Pflegebedürftigen selbst dar.

Das bedeutet: Pflegebedürftigen steht es zumindest was die Pflegeversicherung betrifft völlig frei, sich entweder für die ambulante oder die stationäre Pflege zu entscheiden. Achtung: Neuerdings ist formal wieder die Heimbedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst (MDK) notwendig. Ist dieses Kreuz im Bescheid nicht gegeben, zahlt die Pflegeversicherung nur 80 % der Leistung. Etwas anders sieht es aber unter Umständen aus, wenn der Sozialhilfeträger mit ins Spiel kommt. Wichtig es zählt der Einzelfall.

Mitsprache des Sozialamts bei Wechsel ins Pflegeheim wird wichtig

Wenn, beim Sozialamt im Zusammenhang mit einem geplanten Einzug in ein Pflegeheim Hilfe zur Pflege beantragt wird, prüft diese oft erneut, ob ein Wechsel ins Pflegeheim notwendig ist. Entscheidend ist die Heimbedürftigkeitsbescheinigung des MDK. Gut zu wissen: Hierzu regelt Paragraf 65 des zwölften Sozialgesetzbuchs (SGB XII) eindeutig: Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5  haben Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht kommt. Und Paragraf 64, der die Überschrift Vorrang trägt, regelt: Soweit häusliche Pflege ausreicht, soll der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken, dass die häusliche Pflege durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird.

Da die Sozialämter mit weit mehr Anträgen auf Hilfe zur Pflege und entsprechenden Ausgaben rechnen müssen, wird die Prüfung der Heimnotwendigkeit künftig wichtiger werden, deshalb wurde die Heimbedürftigkeitsprüfung durch den MDK wieder eingeführt. Welche Maßstäbe dabei für die Notwendigkeit des Heimeinzugs angelegt werden, dürfte sehr von den örtlichen Gegebenheiten abhängen. Das Hauptaugenmerk wird dabei wohl auf mögliche Alternativen zum Wechsel ins Pflegeheim gelegt werden.

Es stellen sich formal die Fragen:

1. Ist durch eine Wohnungsanpassung ein Verbleib in den eigenen vier Wänden möglich?

2. Kann durch eine verstärkte Nutzung einer Tagespflegeeinrichtung ein Wechsel ins Pflegeheim verhindert werden?

3. Durch welche Maßnahmen kann eine weitere Entlastung von pflegenden Angehörigen erfolgen?

Die Klärung solcher Fragen ist möglicherweise durchaus im Interesse der Betroffenen. Unter Umständen kommen dabei auch interessante Alternativlösungen zustande. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es große Unterschiede von Kommune zu Kommune gibt. Siehe dazu unsere Ausarbeitung >>> hier <<<.

Beispiel: Die 78-jährige Ursula Daniel ist in Pflegegrad 3 eingestuft und wird von ihrer berufstätigen Tochter betreut. Ursula Daniel nutzt das Angebot einer Tagespflege an drei Tagen in der Woche. An diesen Tagen bringt ihre Tochter sie morgens auf dem Weg zur Arbeit in die Tagespflegeeinrichtung und holt sie auf dem Rückweg nachmittags wieder ab. Die Tagespflege wird aus dem hierfür vorgesehenen Etat der Pflegeversicherung finanziert. Aufgrund einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation von Ursula Daniel wäre eine fünftägige Nutzung der Tagespflege erforderlich. Doch hierfür reicht der für die Tagespflege bei Pflegegrad 3 vorgesehene Etat der Pflegeversicherung nicht aus. Das ist ein entscheidender Grund für den Plan, ins Pflegeheim umzuziehen. In einem solchen Fall kann unter Umständen mit dem örtlichen Sozialschreiben,  vereinbart werden, dass das Amt die verbleibenden Restkosten für die Tagespflege übernimmt. Dann würde sich ein Umzug ins Heim erübrigen.

Falls aber eine Betreuung in den eigenen vier Wänden nicht sichergestellt ist, darf das Sozialamt den Wechsel ins Pflegeheim nicht blockieren. SGB XII

Weitgehend freie Heimwahl

Das Sozialamt darf, wenn der Wechsel ins Heim notwendig ist, die Betroffenen auch nicht zur Wahl des billigsten Heimes verpflichten. Das entschied zuletzt das Bundessozialgericht (BSG) am 5. Juli 2018. Teure Seniorenresidenzen ohne Pflegekassenanerkennung scheiden aber aus. Die Konstellation, über die das BSG zu entscheiden hatte, wird man in Deutschland überall antreffen: Mehrere Pflegeheime stehen für Betroffene zur Auswahl (gegebenenfalls im Einzelfall auch mit längeren Wartelisten). Doch die Heimkosten sind unterschiedlich. Darf der Sozialhilfeträger dann einem Pflegebedürftigen vorschreiben, das kostengünstigste Heim zu wählen und andernfalls die Restkostenübernahme ablehnen oder begrenzen? Genau darüber wurde in Kassel entschieden, wobei es um gut 11.000 Euro Schulden ging, die eine inzwischen Verstorbene innerhalb der sieben Jahre, die sie im klagenden Pflegeheim lebte, angehäuft hatte. Der Sozialhilfeträger bezog sich dabei auf eine Regelung in Paragraf 9 Absatz 2 des zwölften Sozialgesetzbuchs (SGB XII), in dem es um die Sozialhilfe geht. Darin heißt es: Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre (unangemessen). Genau das sei hier nicht der Fall gewesen, befand das Bundessozialgericht. Denn das ausgewählte Heim habe lediglich die mit den Kostenträgern vereinbarten Pflegesätze berechnet. An den Verhandlungen dazu habe der Sozialhilfeträger mitgewirkt auch er sei an die Ergebnisse, die dabei erzielt wurden, gebunden. Das BSG stellte klar, dass das Wunsch und Wahlrecht der leistungsberechtigten Personen durch den gesetzlichen Mehrkostenvorbehalt nicht beschränkt ist, wenn sie wie hier eine Einrichtung wählt, mit der für den Beklagten verbindliche“ Pflegesatz bzw. Vergütungsvereinbarungen bestehen (Az,: B 8 SO 30/16).

Was nutzt der Anspruch, wenn auch über Heimplatzfinder kein Heimplatz gefunden wird!

Teil 2 von 3

Nicht verzagen, weitersagen, damit die NOT erkannt wird!