In Kellergängen bewegen sich Wagen voller Bettwäsche oder mit Medikamenten wie von selbst. Sie fahren alleine Aufzug, suchen sich ihren Weg auf die richtige Station. In Großkliniken keine Utopie.
Sie liefern ihre Ladung in einem Wagendock ab und nehmen auf den Rückweg den Müll mit nach unten. Gut 90 Roboter übernehmen die wichtige Logistikaufgaben in der Universitätsklinik Köln. Können aber auch in Pflegeheime eingesetzt werden. Flach motorisierte Plattformen, entwickelt eigentlich für Industrielogistik, fahren gut 90 Mal pro Tag automatisch unter die Transportwagen, koppeln sie an und nehmen sie mit. Dabei folgen sie automatisch Fahrspuren, die durch Signalleiter im Boden vorgegeben werden.
Das ist wirklich keine neue Technik. Dennoch sind die Transportroboter noch immer die Technologie, die dem Klinikpersonal am meisten Arbeit abnimmt. Wesentlich weiter als bis auf den Stationflur sind die Roboter in den vergangenen 40 Jahren nicht gekommen. Robotereinsatz beschränkt sich aktuell noch immer auf unterstützende Tätigkeiten, über den Stand der Entwicklung der Roboter für den direkten Einsatz am Krankenbett zusammen mit menschlichen Pflegekräften sind noch nicht auf dem Markt verfügbar.
Pflegeroboter, so wird suggeriert, können den Personalnotstand in den Krankenhäusern und Pflegeheimen mindern. Rund 36.000 Pflegekräfte fehlen laut Zahlen der Bundesregierung aktuell in Deutschland, auf hundert offene Stellen kommen nur 21 Bewerber. Über drei Millionen Menschen in Deutschland benötigen aktuell regelmäßig die Hilfe von Pflegekräften, die demografische Entwicklung führt dazu, dass in naher Zukunft noch mehr Pflegebedürftige von noch weniger Pflegefachkräften betreut werden müssen.
Die Strategie der kommerziellen Entwickler ist aktuell, die Pflegekräfte von allen Aufgaben zu entlasten, die nicht unmittelbar am Patientenbett erledigt werden müssen. Es können künftig Sortierroboter auf Basis von elektronischen Patientenakten Medikamente individuell für jeden Patienten vorbereiten und diese dann per Rohrpostsystem direkt auf die Stationen ausgeliefert werden. Bislang müssen noch überwiegend die Nachtpflegekräfte die Tabletten verantwortlich stellen. Der Kliniksoftwarehersteller März bietet bereits intelligente Visiten Wagen an, welche die Dokumentation der Pflege und notwendige Kontrolle erleichtern. Alle Angebote zielen darauf, den Pflegekräften freie Zeit zu schaffen, die sie dringend benötigen. So klingt die positive Werbung oder wird es nur zur weiteren Leistungsverdichtung führen.
Befürchtungen sind nicht von der Hand zu weisen, dass ein forcierter Robotereinsatz dazu führen könnte, dass Pflegearbeit zunehmend einem mechanistischen Verständnis unterworfen wird, das heißt auf zweckbezogene Anteile verengt und die empfindungsbezogenen Aspekte entsprechend marginalisiert werden. Über allem steht der Kostenaspekt. Die Einführung erfolgt, wenn sich dadurch betriebswirtschaftlich Einsparungen erzielen lassen.
Dies gilt umso mehr, als sich ein einseitiges Verständnis der Pflege als zweckrationales Problemlösungshandeln in übergreifende und bereits länger anhaltende Standardisierung wie auch Ökonomisierungsbestrebungen einordnet (z.B. zur Organisation der Versorgungsprozesse, zur Qualitätssicherung oder zur Abbildung und Abrechnung des Leistungsgeschehens), die nicht nur die Pflege, sondern das Gesundheitswesen insgesamt zunehmend betriebswirtschaftlichen Handlungslogiken unterwerfen.
Daraus folgt zumindest dreierlei.
Erstens: Der Nutzen der autonomen Robotik für die Pflege lässt sich nicht isoliert an einzelnen, geeigneten respektive weniger geeigneten Aufgaben festmachen, da auch von der Automatisierung von Einzelprozessen tiefgreifende Implikationen für die gesamte Pflegepraxis zu erwarten sind. Um neue Robotiklösungen optimal in die Pflegearbeit einzupassen, müssen Arbeitsprozesse normiert, Qualitätsstandards definiert und auch das Arbeitsumfeld robotergerecht gestaltet werden.
Zweitens: Bei der Frage, ob sich eine Robotikanwendung für die Pflege fruchtbar machen lässt, gilt es deren Auswirkungen auf die personengebundenen Kernprozesse genau im Blick zu behalten. Werden neue Freiräume für Beziehungshandeln geschaffen oder bestehene minimiert?
Drittens: Darüber hinaus gibt es keine Patentrezept, wie sich die Potenziale der Robotik für die Pflege nutzbar machen lassen. Letztlich handelt es sich dabei um eine anspruchsvolle Gestaltungsaufgabe, die sowohl die Einzeltechnologien (Desigen, Funktionalität) als auch deren soziotechnische Einbettung einzubeziehen hat. Die Diskrepanz zwischen postuliertem Lösungspotenzial und tatsächlich erreichtem Nutzen robotischer Pflegeanwendungen ist nach Meinung verschiedener Expertinnen und Experten nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass den Bedürfnissen und Problemlagen der Pflegebedürftigen bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde und die resultierenden Anwendungen somit keine wirklichen pflegerischen Mehrwert bieten. Ausgangs und Orientirungspunkt bei der Entwicklung neuer Technologien sollte deshalb nicht die technische Machbarkeit sein, sondern die tatsächlichen Unterstützungsbedarf potenzieller Nutzerinnen und Nutzer sowie anderweitig Betroffener, die es partizipativ in den Entwicklungsprozess einzubeziehen gilt.
Wir müssen verstehen, wann maschinelle Assistenz den Einrichtungen und insbesondere den Pflegebedürftigen nützt, und in welchen Kontexten sie uns in unserem Denken behindert. Die Automatisierung von Entscheidungen bietet große Chancen für den Einzelnen und für die Gemeinschaften, die wir Gesellschaften nennen. Doch auch im Zeitalter der rationalen Automatisierung von Entscheidungen durch KI gilt:
Menschen müssen mit ihren Entscheidungen glücklich werden, Computer nicht.
Maschinen werden nie fühlen, was Glück ist. Die Irrationalität gehört zum Wesen menschlicher Entscheidungen. Im Zeitalter der Berechenbarkeit durch aus Daten lernende Maschinen könnte unsere Unberechenbarkeit unsere größte Stärke werden.
Zur Klarstellung und Einordnung: 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. ,Durch die Anschaffungskosten besteht derzeit nicht die Gefahr, dass Pflegeroboter in der Häuslichkeit eingesetzt werden. Dies sollte uns aber nicht davon abhalten, uns mit den Möglichkeiten vertraut zu machen, die uns im Krankenhaus oder in der Pflegeeinrichtung demnächst begegnen können.
Ich werde den Verdacht nicht los, dass die KI gar nicht meinem Wohlergehen dienen soll, sondern der Geldgier und Datengier der Konzerne!