Tipps für neu gewählte Bewohner-(Bei)Räte

Demokratie in Pflegeeinrichtungen

Alle zwei Jahre wählen Bewohner in den Pflegeeinrichtungen der Wohlfahrtsverbänden und der Privaten-Träger den (Heim)Beirat. Doch Wahlen sind problematisch, wenn bis zu 80 % der Bewohner dement sind, die Landesgesetze sehen die Wählbarkeit von Angehörigen, Betreuern und Seniorenbeiräten vor.  Gerade für die neu Gewählten stellen sich viele Fragen: Was sind meine Aufgaben? Welche Mitbestimmungsrechte gibt es? Was ist die Rolle des/der Vorsitzenden? 

Die Aufgaben eines Beirat-Mitglieds?

Aufgabe des Bewohnerbeirates ist es primär, die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner zu vertreten. Einzelne Mitglieder sind Teil des Gremiums, in dem über die Aufgabenschwerpunkte und die Aufgabenverteilung entschieden wird: So kümmert sich ein Beirats-Mitglied vielleicht mehr um den Speiseplan, ein anderes um Fragen der Betreuung und Beschäftigung, ein anderes Mitglied widmet sich den neuen Bewohner:innen, wieder jemand anderes um die Protokollführung bei Sitzungen oder die Öffentlichkeitsarbeit. Eine oft vergessene Hauptaufgabe ist die Stellungnahme des Gremiums zur vorgesehenen Entgelterhöhung. Der Einrichtungsträger bereitet die Entgeltverhandlungen mit den Pflegekassen sorgfältig vor, dazu gehört auch zwingend die Unterschrift der gewählten Interessenvertretung der Bewohner nach § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB  XI. Oft ist der Einrichtungsleiter nicht so in der Materie, dass er gezielte Nachfragen beantworten kann. Wird deshalb oft das Gremium zur Unterschrift genötigt? 

Entscheidungen werden in den gemeinsamen Beirats-Sitzungen diskutiert und durch Abstimmung herbeigeführt. Insofern gehört die aktive Teilnahme bei den Sitzungen für alle zu den Aufgaben. Von Fall zu Fall gehört auch die Beteiligung an Gesprächen und Verhandlungen mit der Einrichtungsleitung dazu Jedes Mitglied sollte zudem ein offenes Ohr für die Anregungen und Beschwerden aus der Bewohner- und Belegschaft haben.

Welche Mitwirkungsrechte gibt es?

Die Wohn- und Teilhabegesetze (WTG) und Verordnungen der Länder kennen gestufte Beteiligungsrechte. Es geht von der reinen Information durch die Einrichtungsseite über die Anhörung und Mitberatung bis zu den Zustimmungsrechten. Von »echten« Mitbestimmungsrechten kann keine Rede sein. Vom Mitbestimmungsniveau der Betriebsräte sind die Bewohnerbeiräte noch ein ganzes Stück entfernt. Umso mehr gilt es, die bestehenden, aber häufig übersehenen Rechte und Möglichkeiten engagiert wahrzunehmen und auszuloten. Dies gilt insbesondere bei der Mitwirkung vor den Entgelterhöhungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI).

Was ist die Rolle des/der Gremiums-Vorsitzenden?

Die oder der Beirats-Vorsitzende sorgt für die kontinuierliche Geschäftsführung des Gremiums: Lädt zu den Sitzungen ein und leitet sie. Der/die Vorsitzende vertritt den Beirat nach außen, nimmt Anträge und Informationen des Einrichtungsträgers/-leitung entgegen und teilt ihm die Beschlüsse mit. Das kann ein Änderungsvorschlag des Gremiums an die Einrichtungsleitung, eine Zustimmung oder Zustimmungsverweigerung zu einem Antrag des Trägers sein. Aber auch z.B. auch ein Gremiums-Antrag auf Kostenübernahme für eine Beratung oder das Abo einer Fachzeitschrift sein. Die/der Vorsitzende ist also das Sprachrohr des Gremiums Bewohnerbeirat. Sie/er führt die Verhandlungen mit der Einrichtungsleitung – allerdings möglichst nicht allein. Der/die-Vorsitzende ist wie alle Beirats-Mitglieder an die Beschlüsse des Gremiums gebunden. Viele Vorsitzende sind nicht nur Moderatoren oder »Postboten« zwischen den beiden Interessensparteien, sondern Motor und Ideengeber für eine kreative und nicht nur reaktive Beiratsarbeit.

Haben Beirats-Mitglieder Anspruch auf Schulungen?

Ja! Allerdings sind nicht alle Kosten und auch nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig. In den Landesheimgesetzen und den dazu gehörenden Durchführungsverordnungen zur Mitwirkung ist regelmäßig festgeschrieben, dass die Kosten der Beiratsarbeit vom Träger zu übernehmen sind. Dies findet man an verschiedenen Stellen in den jeweiligen Landesgesetzen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehört eine Grundschulung und auch, dass die vom Beirat hinzugezogenen fach- und sachkundigen Personen einen Anspruch auf Auslagenersatz haben. Ein förmlicher Beschluss ist notwendig.

Wer kann zu den Beiratssitzungen eingeladen werden?

Dies können sein:

  1. Bewohnerinnen und Bewohner
  2. Fach- und sachkundige Personen
  3. Dritte, z.B. Angehörige, Vertreter der Aufsichtsbehörden, Einrichtungsleitung oder Mitarbeitervertretung. Der Beirat entscheidet auch, ob diese Personen an der gesamten Sitzung oder nur an einzelnen Tagesordnungspunkten teilnehmen sollen.

Beiräte wie Träger sollten die gegebenen Rahmenbedingungen nutzen, um der Beiratsarbeit die notwendige und gewünschte Qualität zu verleihen. An den Finanzen kann es nicht scheitern! Der Beirat sollte für die laufende Arbeit mit der Einrichtungsleitung einen eigenen Etat vereinbaren! Darüber hinaus im Einzelfall einen begründeten Beschluss fassen.

Auftretenden Konfliktsituationen, z. B. Kündigung, Hausverboten, Änderung der Leistung und Entgelterhöhungen, die sich nicht einvernehmlich regeln lassen, können die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Ansprüche gegenüber der Einrichtung gerichtlich klären lassen.

Bewohnerbeirat sucht die Lösung in der Moderation.

Die Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Einrichtungen kommen mitunter nicht zu ihrem Recht. Hier setzt das Verbraucherschlichtungsverfahren an, das eine schnellere, günstigere und – wenn möglich – auf Einvernehmen ausgerichtete Alternative zu einem Prozess sein kann. Der Einrichtungsleitung kann es an einer eventuellen zeit- und geldraubenden gerichtlichen Auseinandersetzung nicht gelegen sein. Die Gesetze und Durchführungsverordnungen gehen von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aus. Diese kann nur gelingen, wenn die Rechten und Pflichten bekannt sind und wahrgenommen werden. Eine Schulung der Gremiumsmitglieder wird kostengünstiger sein, als die dauerhafte Übernahme der Kosten für Fach- und sachkundige Personen.

Wer sich in die Materie einarbeiten will, ist herzlich zum Seminar im September 2022 eingeladen. Schwerpunkt sind die Entgeltverhandlungen. Merken Sie sich bereits vor.

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