Zukunft der Pflege !?

Eine Reform für die Bürger, nicht für die Einrichtungsträger

Es wird der Druck auf die Ampelkoalitionen aufgebaut, damit eine überfällige Reform im Konsens wieder unterbleibt. Die versprochene Vorlage des Gesundheitsministers soll beeinflusst werden. Die Struktur, „Wunschentgelte“ zur Sicherung der Anbieter, wird nicht verändert. Ein Minimum wäre, die Einrichtungsleiter und Heimbeiräte aktiv bei den Verhandlungen einzubinden. Mit der Neuschöpfung von „Stambulant“ sollen endlich die Angebote von „Service- “ und „Betreuten Wohnformen“ nach dem SGB XI anerkannt, weitere Erlöse gesichert werden.

Die Zukunft der Pflege haben wir bereits im Jahre 2020 thematisiert. Der Beitrag aus Juli 2020 „Vorbildliche Altenpflege in Dänemark“ hat bisher über 5.300 Leser gefunden.

Am 24.11.2021 wurde der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien (SPD, FDP, Grüne) zu dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ veröffentlicht. Einen Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik wird angekündigt. Die sozialen Pflegekassen nehmen 2024 durch die letzte Erhöhung 2023 zu Lasten der Versicherten 66 Mrd. Euro ein. Veränderungen wurden auf den Weg gebracht. Die Pflegekräfte werden besser entlohnt, sollen mehr Eigenverantwortung erhalten. Die Qualität der Pflege wird nicht verbessert. Die Erlöse werden weiterhin zu Gunsten der gewerblichen Anbieter ohne Einhaltung der Mindestkontrolle nach § 85 Abs.3 Satz 2 SGB XI zu Lasten der Versicherten vereinbart.

Die Anbieter nutzen ihre Macht den „Fortschritt“ für sich zu reklamieren und sollen durch Pflegekammern und in Bayern durch das verpflichtende Berufsregister unterstützt werden.

Konzepte

HinweisNotwendiger Mut zur überfälligen Reform, ist nicht erkennbar.

Die Pflegekatastrophe wird jetzt vier Jahre später im Vorfeld einer etwaigen Gesetzesvorlage von den Beteiligten Anbietern und Kostenträger öffentlich wahrgenommen.  Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. Juni 2024, erstmals einen Antrag der Gruppe Die Linke mit dem Titel „Gesundheit für alle – Modern, gemeinwohlorientiert und solidarisch“ (20/11427) beraten und zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen. Wie auch den Antrag der CDU/CSU Fraktion Drucksache 20/11761, hier ist Punkt 15 erwähnenswert: „innovative Versorgungsmodelle wie das österreichische Modell aus dem Burgenland (pflegende Angehörige in sozialversicherungspflichtige Anstellungen) oder das an Zeitbedarf orientierte Modell aus Baden-Württemberg (vordefinierte Leistungspakete nach individuellem Bedarf mit entsprechender Abrechnung nach Zeit) für pflegende Angehörige gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, zu ermöglichen und zu fördern und Erfolge zu übertragen“. Die Parteienvertreter warten weiter ab, nennen die Finanzierung als Hauptargument die notwendigen Wünsche nicht bedienen zu können. Alle Parteienvertreter gehen von veralteten Zahlenwerten von 80% in der Häuslichkeit aus, die sich inzwischen auf 90 % erhöht hat.

Der AOK-Bundesverband fordert in einem Positionspapier eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Im Fokus stehen auch die Aufhebung der Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Pflege, die Flexibilisierung des Leistungsrechts und die Abschaffung des Kontrahierungszwangs der Pflegekassen.

Der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) e. V. sieht die Mitgliedseinrichtungen in Gefahr und titelt: Kein Eingriff in die unternehmerische Freiheit – Kontrahierungszwang muss bestehen bleiben!“ Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) fordert: „Der Gesetzgeber muss dem AOK-Pflegesozialismus eine klare Absage erteilen“, sagt AGVP-Präsident Thomas Greiner. Welch ein Anspruch gegenüber dem Gesetzgeber, nicht mehr die Rahmenbedingungen nach der notwendigen Vernunft zu gestalten, sondern allein für das das Geld zu sorgen. Hat der Bundesverband mit seinen Mitgliedern die Macht, diese ökonomische Realität zu schaffen?

Der Deutsche Städtetag veröffentlicht das Positionspapier –Versorgung Pflegebedürftiger Menschen . Der Leser bleibt ratlos zurück und fragt sich: Geht es um die Mitbürger oder um die Finanzen?

Nicht zu erkennen ist, dass ein parteiübergreifender Konsens zu einer steuerfinanzierten Pflege gefunden wird.

Im Vergleich mit den hochentwickelten OECD-Ländern unterhält Deutschland eines der billigsten Pflegesysteme. Deutschland liegt auch bei der personellen Ausstattung und vielen anderen Qualitätskriterien im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen. Dänemark, Norwegen, Irland, die Schweiz, Belgien. Neuseeland, die Niederlande, Frankreich, sie machen es alle großzügiger.

Steuerfinanzierte Pflegesysteme besitzen Schweden, Norwegen, Dänemark, Australien und Großbritannien, der Staat hat sich zu seiner Verantwortung bekannt.  Näheres siehe in unserem Beitrag: Der Schatten der Pflege in Deutschland – aktiv altern in NRW und überall (unser-quartier.de)

Dies bedeutet, die Last muss von allen Mitbürgern geleistet werden. Gutverdienende dürfen sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen können. Eine Beitragsbemessungsgrenze darf nicht länger die Solidarität einer älter werdenden Gesellschaft spalten.

Die Reform muss einen notwendigen Ausgleich schaffen!

Grundvoraussetzungen sind die Transparenz und die Begründung der Notwendigkeit der Kosten.

Heute 2024 erhalten die gewerblichen Anbieter, die 10 % der anerkannt Pflegebedürftigen in der stationären Pflege aufnehmen, rund 46 % der 66 Mrd. Euro aus der Pflegekassen, 90 % in der Häuslichkeit erhalten maximal 48 % und müssen gleichzeitig mindestens einmal eine Qualitätsprüfung anfordern. Die Anbieter wollen durch die „Zwangsanerkennung“ des „Betreuten Wohnen“, des „Service Wohnen“ unter dem neuen Label „Stambulant“ in der Pflegeversicherung gesicherte „Sachleistungen“ abschöpfen. Dies geht nur durch Verringerung im häuslichen Bereich, Erhöhung des Beitrages zur Pflegeversicherung oder einen erhöhten Steuerzuschuss. 
Wer Leistung einfordert, muss darüber Rechenschaft ablegen. 
Die Versprechen von Qualität und Personaleinsatz in den Verhandlungen zwischen Pflegekassen und Einrichtungsträger bleiben bisher das Geheimnis der Verhandlungspartner. Dem betroffenen Bewohner fehlen damit die Grundlagen einer Beweisführung.  Die Qualitätsverantwortung nach § 112 SGB XI und die aktualisierten GKV-Richtlinienvereinbarungen sind nicht justiziabel und nicht Bußgeld– oder gar Strafbewährt. Der gesetzlichen Mitwirkung des Bewohnerbeirates nach § 85 Abs.3 S. 2 SGB XI wird bisher nachgekommen. Die Angaben ob ein Bewohnerbeirat ordnungsgemäß in der Einrichtung gewählt wurde, wird in 95% der Fälle  im Internet nicht veröffentlicht. Die formale Richtigkeit der Heimentgelte ist damit anzuzweifeln, von der fehlenden Transparenz der Entgelte ganz abgesehen.
Verantwortlich für die fehlende Transparenz sind die Pflegekassen.
Wer eine menschenwürdige Pflege durch empathische Pflegekräfte fordert, darf es nicht bei Appellen belassen. Wunschbeschreibungen in Gesetzen und Richtlinien dürfen nicht länger Beruhigungspillen für die Wähler und die direkt Betroffenen von derzeit 6 Millionen anerkannt pflegebedürftigen und deren An- und Zugehörigen bleiben und den Schutzraum für die Einrichtungsträger festigen. 
Versagen die gewählten Rentner der Arbeitnehmerseite in den Sozialversicherungen?
Die Selbstverwaltungsorgane umfassen die Vertreterversammlung oder den Verwaltungsrat, den Vorstand und die Geschäftsführung. Die Pflegekassen sind Teil der noch bestehenden 95 gesetzlichen Krankenkassen. Die Verhandlungen werden auf Länderebene im täglichen Geschäft geführt. Dies bedeutet aber nicht, dass eindeutige Vorgaben weiterhin negiert werden dürfen. Die Mahnung des Bundessozialgerichtes vom 26.09. 2019 im Urteil B 3 P 1/18 R ist umzusetzen.
 
Eine fehlende Akzeptanz vergrößert den Frust, die Ohnmacht gegenüber den handelnden in Politik und Gesellschaft.
Abgeordnete, Gremien- und Parteivertreter dürfen sich nicht länger mit Unwissenheit oder Unzuständigkeit wegducken dürfen. Das AOK-Positionspapier betont die Notwendigkeit von mehr Prävention sowohl vor als auch bei bereits eingetretener Pflegebedürftigkeit  und die Verantwortung in den Kommunen. 
 
Erste notwendige Schritte seitens der Pflegekassen sind:
  • die Forderung der Stellungnahme der Bewohnerbeiräte nach § 85 Abs. 3  Satz 2 SGB XI und
  • die Beiladung des Bewohnerbeirates und des örtlichen Sozialhilfeträgers zur Verhandlung neuer Heimentgelte

Pflege darf nicht länger ein Tabuthema sein.

Fordern Sie Unterstützung, schildern Sie den Seniorenbeiräten, Ratsvertretern in Ihrer Kommune Ihre Sorgen, diskutieren Sie Unterstützungen, Veränderungen. Die Hoffnung, das Versprechen mit dem Pflegeversicherung 1995 (SGB XI) „Privat vor Staat“ hat die Pflegekatastrophe nicht verhindert, im Gegenteil beschleunigt. Arbeitnehmer sind als sozial Pflegeversicherte gefordert. Die Pflegeanbieter erpressen den Bundesgesetzgeber zu Lasten der Versicherten. Wollen das „Betreute Wohnen“, das „Service Wohnen“ unter dem neuen Label „Stambulant“ in der Pflegeversicherung offiziell verankern, um die Erlöse zu sichern. Ohne Sicherung der Qualität. Für die Ausbildung in der Pflege sollen die Pflegekammern auf Kosten der ausgebildeten Pflegekräfte die Verantwortung übernehmen. 
 
Übernehmen wir Verantwortung, es sind unsere 66 Mrd. Euro in der Pflegeversicherung. Die derzeitigen „Feierabendkontrollen“ in den Gremien reichen nachweislich nicht aus.

Eine Generalreform im Gesundheitswesen ist überfällig.

Wir bleiben am Ball, sind gespannt, wie und ob die angekündigte Pflegereform sich der Überlastung der pflegenden Angehörigen in der Häuslichkeit annimmt.

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1 Gedanke zu „Zukunft der Pflege !?“

  1. Vor dem Start der Haushaltswoche vom 9.9.2024 im Bundestag hat der AOK-Bundesverband ein Gutachten zur Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) veröffentlicht, mit dem die Gesundheitskasse auf die Dringlichkeit von Reformen hinweist und die zeitnahe Bereitstellung von Steuermitteln zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen im Bundeshaushalt 2025 fordert. Das Gutachten beleuchtet die Wirkung von drei Reformbausteinen zur Ausweitung der Steuerfinanzierung. „Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und die Kosten sollten auf viele Schultern verteilt werden“, so AOK-Vorständin Reimann. „Das Gutachten zeigt, dass zusätzliche Steuerzuschüsse gut geeignet sind, um den Druck auf den Beitragssatz im demografischen Wandel zu verringern“.

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