Informelle Pflege, die unbekannte Hilfe?

Über 6 Millionen Pflegebedürftige müssen bereits durch ihre Angehörigen überwiegend betreut  und ohne fachliche Hilfe und Unterstützung zu Hause gepflegt werden. Ist die „informelle Pflege“ eine bisher unbekannte Unterstützung oder ist dies eine niedliche Umschreibung einer gewollten Einsparung?

Informelle Pflege: Was ist das?

Das Wort „informelle“ Pflege deutet begrifflich bereits an, dass es sich um eine Art der Pflege handelt, die freiwillig, unbürokratisch und unprofessionell geleistet wird. Die Studie des Fraunhofer Instituts aus 2022 zeigte die Problematik der häuslichen Pflege auf. Der Gesetzgeber führt die „informell Pflege“ ein für „Pflegepersonen“, die nach § 19 des Sozialgesetzbuches (SGB) XI „nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI in seiner häuslichen Umgebung pflegen.“

Im Gesetz heißt es weiter: „Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 SGB XI erhält eine Pflegeperson nur dann, wenn sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, pflegt.“ Menschen, die weniger als zehn Stunden Zeit für die Pflege aufbringen, bezeichnet man demnach als informell Pflegende. Der Arbeit von informell Pflegenden ist ehrenamtlich, ohne notwendige geldliche Anerkennung.

Informelle Pflege: Wie viele Pflegepersonen sind betroffen?

Informell Pflegende sind eine wichtige Stütze im deutschen Pflegesystem. Bereits im Jahre 2020 gaben laut dem Fraunhofer Institut 4,9 Millionen Menschen an, „durchschnittlich jeden Werktag wenigstens eine Stunde mit Pflegetätigkeiten zu verbringen.“ Dies war eine Steigerung von 0,8 Millionen im Vergleich zum Vorjahr. Für das Jahr 2021 sind es bereits 5,7 Millionen Pflegepersonen (Seite 11 der Studie)

Die offizielle Verlautbarung des Statistikamtes: 4,17 Millionen Pflegebedürftige beziehungsweise 84 % wurden 2021 zu Hause versorgt. Davon wurden 3,12 Millionen Pflegebedürftige überwiegend durch Angehörige gepflegt. Eine Differenz von 2,58 Millionen Angehörige = 82,7% werden damit offiziell nicht gesehen und bewusst ausgeblendet.

Das IEGUS Institut titelt zum gleichen Thema: „Die unsichtbare Last: Gesundheitliche Auswirkungen informeller Pflege“ Informell Pflegende gehören typischerweise zum näheren Umfeld einer pflegebedürftigen Person. Grundlage waren auch hier: Rebaudo, M., Hermann, J., & Calahorrano, L. (2022) „Daten zur informellen Pflege“. Zu den Hauptursachen gehört danach eine enge Bindung: „Viele möchten ihren Angehörigen den Wunsch, möglichst lange in ihrem häuslichen Umfeld zu bleiben, erfüllen“, so die Studie.

Ausblick:

Der Weg zur Pflegefachkraft führt über die generalistische Ausbildung, ein Einstieg kann mit der Ausbildung zur Pflegeassistenz, die nur ein Jahr dauert, gelingen.

Warum nicht die pflegenden Angehörigen als Pflegeassistenten im ambulanten Dienst anstellen und später die Möglichkeit der Ausbildung zur examinierten Pflegekraft anbieten? Wer aufopfernd den eigenen Angehörigen gepflegt hat, besitzt die notwendige Empathie und Grundfertigkeiten.

Wir dürfen nicht nur den Mangel verwalten und jammern oder gar das Sozialsystem weiter abbauen. Es braucht kreative Ideen, um die Zukunft zu gestalten. Nehmen wir die pflegenden Angehörigen wahr und achten wir die Tätigkeit durch entsprechende Entlohnung. Im Jahre 2024 sind bereits 66 Mrd. € in den sozialen Pflegekassen. Für 2025 werden es durch die Erhöhung des Beitrages ab dem 1.1.2025 weitere Milliarden.

Es darf nicht länger geduldet werden, dass sich die stationären Einrichtungen die wirtschaftlich lohnenden Pflegefälle weiterhin rauspicken und sich aus dem Topf der sozialen Pflegeversicherung der Arbeitnehmer bedienen.

Wir brauchen eine breite Diskussion und neue Ausrichtung in der Pflege. Einseitige Korrekturen im Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) zu Gunsten und zum Schutz der gewerblichen Anbieter und zu Lasten der „ehrenamtliche, informell“ pflegenden Angehörigen und sozialversicherten Arbeitnehmer spaltet weiter die Gesellschaft und bedroht die Demokratie.

Die Leistung in der Familie, im Ehrenamt, muss unabhängig von Verträgen anerkannt werden und darf nicht länger bewusst ausgeblendet oder gar abwertend gebraucht werden. Die Ausgliederung der Pflege 1995 aus den staatlichen Aufgaben zur Verringerung der Sozialleistungen und Verlagerung auf die Arbeitnehmer gefährdet zusehends den gesellschaftlichen Zusammenhalt und begünstigt bewusst die Wahl extremer Parteien.

Wir brauchen ein System

Die aktive Beteiligung von Patienten am Behandlungsprozess nach SGB IX muss auch in der Pflege Einzug halten. Dieser Paradigmenwechsel spiegelt sich schon im neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) aus dem Jahr 2001 wider, in dem die Teilhabe des Menschen an Prozessen den Vorrang gegenüber dem bis dahin geltenden Fürsorge- und Versorgungsgedanken haben. Die Betroffenen werden als Expertinnen und Experten für ihre Lebenslage verstanden und können mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen die Entscheidungen und ihre Umsetzung aktiv mit beeinflussen.

  • Das Töpfe Denken zwischen Krankenkassen (SGB V) und Pflegekassen (SGB XI) ist aufzuheben,
  • SGB IX ist einzugliedern.
  • Die Verwaltung ist zu verschlanken.
  • Aufgrund des weltweit steigenden Pflegebedarfs brauchen wir als Reaktion auf die veränderten Anforderungen und damit unterschiedlichen Rollen der Pflegenden eine europäisch abgestimmte Weiterentwicklung der pflegerischen Berufsprofile. Vom Pflegehelfer/Pflegeassistenten bis zum Master-Level (MScN).

Verbrämende Wort Findungen zur Gewinnsicherung der gewerblichen Anbieter dürfen nicht länger die wahren Absichten verdecken. Wählen wir Vertreter, die uns wahren Wein einschenken und Lösungswege aufzeigen.

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