Künstliche Intelligenz kann Senioren und Menschen mit Behinderung helfen

An die Tablette denken, einen Kuchen backen oder den Löffel zum Mund führen: Das können Menschen mit Behinderung oft nicht alleine. Digitale Technologien und künstliche Intelligenz (KI) können helfen. Eine Technologie, die menschliche Denk- und Handlungsprozesse nachbilden soll. 

Vorgestellt wurde Billie auf dem 12. Seniorentag in Dortmund. Billie wurde vom Bielefelder Excellenzcluster  Kognitive Interaktionstechnologie (Citec) entwickelt. Das System steckt noch in der Entwicklung und wurde in der Wohnung einer 74jährigen Rentnerin zum ersten Mal in der Praxis getestet. Zwei Wochen stand der Sekretär „Billie“,  ausgestattet mit Lautsprechern, Kameras, Mikros und einem Display, in ihrem Wohnzimmer, dann musste Billie, der digitale Assistent, wieder ausziehen. Untersucht wurde, wie die Kommunikation zwischen der Seniorin und dem digitalen Assistenten klappt.

Smartphones, Alexa, typische moderne Technik  junger Menschen. Aber auch gerade für ältere Menschen und für Menschen mit Behinderung bietet die moderne Technik große Chancen: an die Medizin erinnern, Arbeitsschritte erklären oder die Jalousie herunterfahren. Solche Systeme müssen sich allerdings auf besondere Eigenschaften einstellen, überdurchschnittlich intuitiv bedienbar sein und vor allem müssen sie auch mit sprachlich eingeschränkten Menschen kommunizieren können.

Pflegenotstand: Technische Unterstützung ist nötig

Das Citec ist spezialisiert auf Roboter und Avatare, die sich auf den User einstellen und intuitiv bedienbar sind. Schon jetzt gibt es schließlich zu wenig Pflegepersonal – und die Gesellschaft wird immer älter. Derzeit sollten wir davon ausgehen: Ohne solche technischen Hilfsmittel wird es langfristig in der Pflege nicht gehen. Wer die Presse verfolgt, stellt fest: es wird zunehmend schwieriger qualifiziertes Personal zu finden.

Die Forscher vom Citec entwickeln ihre Systeme in enger Absprache mit den Bethel-Mitarbeitern Bielefeld und den Menschen, die dort betreut werden. Stefan Kopp leitet am Citec die Arbeitsgruppe Kognitive Systeme und soziale Interaktion und Albrecht Stangier arbeitet für Bethel am Projekt Kompass[1].

Technik kann bei alltäglichen einfachen Handlungen helfen

Citec entwickelt eine Menge Helferlein, einen intelligenten Waschtisch, eine intelligente Brille und verschiedene Sensoren.  Noch ist es Utopie: Wenn ein demenzkranker Nutzer die Zahnbürste ohne Zahnpasta zum Mund führt,  soll  der Waschtisch das merken und  entsprechende Hinweise geben. Die Brille erinnert zum Beispiel beim Kuchenbacken an einzelne Arbeitsschritte. Senioren mit Demenz oder Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sollen damit selbstständig Zähneputzen oder Kochen können. Für einfache Handgriffe wäre dann kein Pflegepersonal mehr nötig und die Menschen könnten länger selbstständig leben und in ihrem gewohnten Zuhause bleiben.

Auch die Wirtschaft hat inzwischen das Potenzial von Technik erkannt, um Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten im Alltag zu helfen: Wir erkennen die Künstliche Intelligenz oft nicht. Beim Fotografieren werden Verwackler mit dem Smartphone  ausgeglichen – damit kann etwa der an Parkinson Erkrankte trotz zitternder Hände und Arme scharfe Fotos machen. Eine App kann Texte vorlesen, Farben beschreiben, Freunde erkennen. Billie, der vom Citec entwickelte digitale Assistent, ist im Moment quasi ein sprechender Kalender. Er speichert Termine und erinnert daran zur richtigen Zeit die Tabletten zu nehmen, die Tür abzuschließen oder.. Wer denkt da nicht an Alexa oder auch Siri.

Sparse Data statt Big Data  

Google baut Systeme für den Massenmarkt, wo die Daten landen ist ungewiss – Billie soll nicht mit der unbekannten Außenwelt arbeiten, sondern mit Senioren oder Menschen mit Behinderung. Es sind keine große Datenmengen gefragt, sondern die gesammelte muss auch auf Wissen zurückgreifen.“ Die Forscher vom Citec arbeiten dabei nicht mit Big Data, sondern mit Sparse Data, mit wenigen Daten aus der gerade laufenden Interaktion. Die Basis sind Strukturen – die Forscher suchen nach Mustern, wie Dialoge in bestimmten Situationen funktionieren. Das Ziel ist, Interaktionsintelligenz in Maschinen zu bringen.

Dass Billie wirklich irgendwann Menschen beim selbstständigen Leben im Alter hilft, ist keine Utopie: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe plant Gebäude für innovative Lebenskonzepte für Senioren, die gemeinsam in sogenannten Quartieren leben. Die Technik werden wir aufmerksam begleiten.

[1] https://scs.techfak.uni-bielefeld.de/kompass/