Pandemie – Regierung missachtet eigene Risikoanalyse

Virus gibt weiterhin den Takt vor, eigene vorausschauende Prognose der Behörden wurden seit 2012 missachtet.

Dies ist kein Fake, es sind Fakten

Es ist schon gespenstisch. Im Januar 2013 präsentierte die deutsche Regierung dem Bundestag eine Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz. Die Drucksache 17/12051 stellte zwei Szenarien vor, ein extremes Schmelzhochwasser aus den Mittelgebirge und eine Pandemie durch Virus Modi-Sars. Die unscheinbare Drucksache mit 88 Seiten ist ein detailliertes Drehbuch für die Corona-Krise.

Parlamentarier waren gewarnt. Die Bundesregierung, Kanzlerin Merkel, hielt sich nicht an eigenes Drehbuch.  Die „SCHWARZE  NULL“ von Schäuble ging vor.

Welche Strategie wird nun verfolgt?

Die Analyse trifft Annahmen, die sich heute in geradezu unheimlicher Weise bestätigen. Ein Corona-Erreger wird in Südostasien auf einem Markt von einem Wildtier auf den Menschen übertragen. Das Ereignis beginnt im Februar in Asien, wird allerdings erst einige Wochen später in seiner Dimension (Bedeutung) erkannt, heißt es in der acht Jahre alten Studie. Zwei Monate nach Ausbruch der Krankheit wird der erste Fall in Deutschland registriert. Ein Reisender aus China hat das Virus eingeschleppt, das sich rasch in einer Pandemie über den Globus ausbreitet.

Die Ministerien wussten, was zu tun war

Zu den Symptomen der Erkrankung gehören gemäß der Analyse trockener Husten, Fieber und Atemnot, wobei Junge mit einem milderen Krankheitsverlauf rechnen können. Ältere Menschen bilden eine akut gefährdete Risikogruppe. Die Inkubationszeit beträgt bis zu 14 Tage, und der heimtückische Erreger haftet auch einige Zeit auf Oberflächen.

Alle Annahmen treffen zu, wie Wir sie jetzt erleben!

Die Bundesregierung und die Landesregierungen wusste also sehr genau, was bei einer solchen Seuche auf Deutschland zukommen würde. „Gemäß § 18 Absatz 1 Satz 1 Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz erstellt der Bund im Zusammenwirken mit den Bundesländern, die für den Katastrophenschutz zuständig sind, eine bundesweite Risikoanalyse für den
Zivilschutz.“  Auch die möglichen Gegenmaßnahmen werden in der  Drucksache detailliert aufgelistet. Die Schließung der Schulen, die Absage von Großveranstaltungen, die Reduktion des öffentlichen Verkehrs und die Verlangsamung des öffentlichen Lebens generell.

Das Robert-Koch-Institut, welches die Studie verfasst hat, rechnete überdies mit Begleiterscheinungen, die bisher offen nicht eingestanden werden, es sind zum Beispiel Versorgungsengpässen. Müssen wir uns im weiteren Verlauf der Seuche trotz den gegenteiligen Beteuerungen der Behörden darauf noch einstellen? Gesundheitsminister Spahn ist kein Hellseher, aber er handelt konsequent.

Deutschland ist kein Einzelfall

Obwohl alle zuständigen Ministerien dieses Szenario kannten, dauerte es Wochen, bis die Schutzmaßnahmen umgesetzt wurden. Die Bundesregierung hielt sich nicht an ihr eigenes Drehbuch. Die Länderinnenminister nahmen ebenfalls die gemeinsame Verantwortung nicht wahr.

Deutschland ist damit allerdings kein Einzelfall. Auch andere Länder schauten zunächst mehr oder minder tatenlos zu, nachdem Italien zum Epizentrum der Krise in Europa geworden war. Im Mekka des Party-Skisports, in der österreichischen Gemeinde Ischgl, schlug man alle Warnungen in den Wind. Die Saison ging weiter, und unzählige Skandinavier und Deutsche steckten sich beim ausgelassenen Après-Ski an.

Als Präsident Trump die Grenzen für EU-Bürger schloss, kritisierte Brüssel dies als übereilten Schritt. Eine Woche später verhängte die EU ebenfalls ein Einreiseverbot. Auch Großbritannien vollzog innerhalb von wenigen Tagen eine Kehrtwende und schaltete von Laissez-faire auf Beschränkungen im öffentlichen Leben um. Alle, buchstäblich alle Regierungen handeln situativ. Das Virus gibt den Takt der Gegenmaßnahmen vor, nicht die vorausschauende Planung der Behörden.

Hätten alle Staaten früher und vor allem koordiniert reagiert, verliefe die Kurve der Neuansteckungen heute wahrscheinlich milder. Die Epidemie wäre besser zu handhaben. Was konsequente Gegenstrategien erreichen können, wusste man übrigens schon vor hundert Jahren.

Während der Spanischen Grippe im Jahr 1918 praktizierte die amerikanische Stadt St. Louis ein weitgehendes Social Distancing. In Philadelphia beharrte man hingegen darauf, die Siegesparade nach dem Ende des Ersten Weltkriegs abzuhalten. Die Feier wurde zu einem Fest für das Virus. Es breitete sich ungehindert von Mensch zu Mensch aus. Philadelphia hatte deswegen sehr viel mehr Tote zu beklagen als St. Louis.

Immer einen Schritt hinter der Entwicklung zurück

Man kann lange darüber diskutieren, ob die deutschen Behörden ebenso versagt haben wie damals die Stadt Philadelphia. Genauso gut lässt sich argumentieren, dass angesichts der mangelnden Vertrautheit der Bevölkerung mit solchen Szenarien drakonische Maßnahmen nur langsam und schrittweise verhängt werden konnten, weil sie andernfalls nicht befolgt worden wären. Deutschland hat zwar große Polizeieinheiten der Länder und des Bundes, aber auch diese wären nicht in der Lage, jedes durch Corona bedingte Versammlungsverbot durchzusetzen.

Eines aber lässt sich mit Gewissheit sagen: Die Bundes- und Landesregierungen blieben immer einen Schritt hinter der Entwicklung zurück. Gleichzeitig war sie in ihren Aussagen der öffentlichen Meinung nie weit voraus. Betrachtet man die Ankündigungen des Gesundheitsministeriums, begannen sie mit der zuversichtlichen Feststellung, die Lage unter Kontrolle zu haben.

Eine Sprecherin des Ministeriums versicherte Ende Januar, die von dem Erreger ausgehende Gefahr für Deutschland sei sehr gering. Auch das staatliche Robert-Koch-Institut, von dem düsteren Szenarien aus dem Jahr 2012 stammten, wiegelte anfangs eher ab. Nur sehr gemächlich schlich sich ein dramatischerer Ton ein. BTDrs. 17/12501 Seite 56,Die Auswertung  der SARS-Pandemie 2002/2003, überwiegend in Kanada und einigen asiatischen Ländern und die Prognosen auf Seite 81 der BtDrs. 17/12051 zeigen die zu erwartende Dramatik hoffentlich nicht auf.

Politische Führung sieht anders aus, aber vielleicht kann man diese in solch einer Krise in einem vom Wohlstand verwöhnten Land wie Deutschland auch nicht erwarten. Die Bevölkerung war nicht willens, sich aus ihrer Ruhe aufschrecken zu lassen, Die Regierungen in Bund und Ländern offensichtlich auch nicht. Warum aber sollte die Regierung dynamischer und klüger sein als die Regierten?

Deutschland ist eine Endmoräne des Hegelianismus. Es ist staatsgläubig und verlangt, dass die Regierung jederzeit mutig und entschlossen voranschreitet. Immer wieder fordern die Medien von Kanzler oder Kanzlerin Machtworte und Basta-Entscheidungen. Gerade so, als besäßen Regierungschefs magische Fähigkeiten.

So wird Angela Merkel bis heute hoch angerechnet, dass sie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise vor die Kameras trat und den Deutschen versprach, ihr Erspartes sei sicher. Und dies, obwohl die Garantie bei einem kollektiven Bank-Run nicht viel wert gewesen wäre, wie es im Nachhinein der damalige SPD Finanzminister Steinbrück zugibt.

Auch in der Corona-Krise misst man die Kanzlerin an ihrem Können, die Deutschen zu beruhigen und zu motivieren. Diese Grundhaltung ist ziemlich paternalistisch. Als wäre noch immer Ruhe die erste Bürgerpflicht und als würde die Deutschen ihren Verstand nicht selbst benützen, um sich in unruhigen Zeiten beunruhigende Fragen zu stellen. Man darf von den Bürgern zugleich Eigeninitiative und Eigenverantwortung erwarten. Wenn sie sich bis zuletzt nicht an die Empfehlungen zu Hygiene und Abstand halten, dann trifft die Regierung keine Schuld.

Vielleicht ist es an der Zeit, die Erwartungen an der Regierung zu überdenken. Sie sind nicht viel vorausschauender als das Volk, von dem sie gewählt werden möchten. Sie sind nur selten mutiger und entschlossener als die Gesellschaft insgesamt. Kanzler, ihre Minister und die Parlamentarier haben keine magischen Eigenschaften, nicht bei der Bekämpfung von Viren und auch sonst nicht.

Am Ende kommt es auf die Bürger, auf uns Alle an.

Stehen wir an einem Scheideweg? Gibt es ein sprachloses weiter so? Welche Richtung die Gesellschaft zukünftig einschlägt, hängt nicht zuletzt von unserer Solidarität und zu diskutierenden Konzepten als Bürger ab.   

Schwarzmalerei ist nicht zielführend

Den Herrschenden ist längst klar, dass es spätestens ab dem Herbst 2020 um die Systemfrage gehen wird. (Siehe: Daniel Stelter: Wir sind erst in Phase 2, Manager-Magazin, 15.3.2020, https://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/coronavirus-die-krise-ist-erst-in-phase-2-auf-finanzkrise-folgt-deflation-a-1305433.html

In der Bundestagsdrucksache 17/12051  wird bereits auf die Sitzung am 1.März 2012 hingewiesen.   b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2011 (Drucksache 17/8250) c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Methode zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2010 (Drucksache 17/4178) 

Nachtrag:

Erfolgreicher Eilantrag einer Pflegeheimbewohnerin gegen coronabedingte Isolationsanordnung

Pflegeeinrichtungen vor dem Eintrag von SARS-CoV-2-Viren unter Berücksichtigung des Rechts auf Teilhabe und sozialer Kontakte der pflegebedürftigen Menschen (CoronaAVPflegeundBesuche) stattgegeben.

Gemäß Ziff. 6.2. Satz 1 Alt. 2 der CoronaAVPflegeundBesuche vom 31. August 2020 sind pflegebedürftige Menschen, bei denen aufgrund eines konkret darzulegenden Anlasses eine SARS-CoV-2-Infektion nicht ausgeschlossen werden kann, nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts getrennt von den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern der Pflegeeinrichtung unterzubringen, zu pflegen, zu betreuen und zu versorgen (Isolierung).

Für die umstrittene Isolierungsanordnung fehle es an einer tauglichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Darüber hinaus fehle es bei der von Ziff. 6.2. Satz 1 Alt. 2 CoronaAVPflegeundBesuche geregelten Isolierungsanordnung an einer behördlichen Einbeziehung.

Das Grundrecht der persönlichen Freiheit, Art. 2 GG in Verbindung mit Art 11 Abs.2 GG sieht das Gericht verletzt. Diese notwendige Voraussetzung wird mit Verweis auf § 30 Infektionsschutzgesetz verneint. Dazu kommt, die Behörde kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen und es dem Einrichtungsträger allein überlassen.

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