Senioren in der Selbstisolation
Alle regen sich über die Demonstrationen gegen die Isolationen wegen Corona in Berlin oder anderswo auf. Wer setzt sich offen mit den Sorgen der Angehörigen in den Altenhilfeeinrichtungen, mit den Abschottungen der pflegenden Angehörigen auseinander. Mit und aus Angst werden Senioren vom allgemeinen Leben ausgegrenzt und selten unterstützt. Die Seniorenarbeit ist (derzeit noch) keine Pflichtaufgabe der Kommune, muss es zum Schutze und aus der Sicht der garantierten Freiheit und Würde, Artikel 1+2 des Grundgesetzes, werden.
„Schwächung durch Stärkung“ ist für die Integrationsräte gelungen: Laut § 27 Gemeindeordnung NRW sind Integrationsräte ab einer Anzahl von 5.000 ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern zu bilden. Ab 2.000 ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern sind sie zu bilden, wenn dies mindestens 200 Wahlberechtigte beantragen. Es wird die politische Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte ermöglicht und mit der Arbeit des Rates verknüpft. Der Integrationsrat wird zeitgleich mit der Kommunalwahl gewählt. Dies ist auch für die Senioren ohne weiteren Aufwand möglich, sonst fallen weitere Porti an. In Oberhausen wohnen über 45.000 Bürger über 65 Jahre.
Ist in der Wiege des Ruhrgebietes mit der Montanmitbestimmung die Mitbestimmung der betroffenen Senioren auf Dauer untergegangen?
Die notwendige Stärkung der Senioren(bei)räte blieb mit der Fassung des § 27a GO NRW auf der Strecke. Die Änderung der Gemeindeordnung führte nicht dazu, dass in den Kommunen in NRW alle Bürger über 65 in geheimer Urwahl selbstständige Seniorenräte wählen können. Es bleibt alles beim Alten – sowohl als auch -. Seniorenbeiräte werden größtenteils weiter nach dem Stimmenproporz der Parteien bestimmt. Warum reicht dies den Seniorenorganisationen: AG SPD 60 plus, Seniorenunion und anderen?
Zur Erinnerung: Die Seniorenunion und AG SPD 60 plus ist erst durch die „Konkurrenz“ von Trude Unruh mit den Grauen Panther erfolgt. Die damals aktiven „Alten“ sind nun überwiegend über 80 Jahre.
Die Vermutung liegt nahe, dass man eine Bevölkerungsgruppe in den Kommunen besser „kontrollieren” möchte. Für viele Kommunalverwaltungen scheint es zu aufwendig zu sein, einen aktiven Seniorenrat zu „zähmen“. Die fehlende Transparenz und Information lassen ein Misstrauen gegen Rat und Verwaltung aufkommen, so bei den Bemühungen von engagierten Mitbürgern in Mönchengladbach. Die häufig mangelnde Beteiligung oder das heute fehlende Selbstverständnis der Senioren muss schnellstens durch ein selbstständiges Beratungsgremium für den Rat aufgefangen werden. So kann der beginnende Unmut der fehlenden Daseinsvorsorge für Senioren aufgenommen werden. Über 30 Prozent der Wähler sind über 60 Jahre. Senioren finden sich selten oder mit einem Halbsatz in den Partei- und Listenprogrammen für die nächsten Fünf Jahre.
Im derzeitigen Prozess der „Innovativen“ Seniorenarbeit ist bei den Trägern und Einrichtungen der offenen Seniorenarbeit das „Konkurrenzdenken“ durch die Refinanzierung stark ausgeprägt. Der Kooperationsgedanke steht formal im Mittelpunkt, kann aber nur durch eine starke und abgestimmte Moderation mit verantwortlichen Partnern in der Kommune erfolgen. Die träger- und einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit muss zu einer Kultur des gemeinsamen Handelns und Entwickelns werden. Das bestehende „Einzelkämpfertum der Träger“ muss der Teamarbeit weichen, nur so können die benötigten Finanzmittel optimal eingesetzt werden. Die notwendige Kontrolle und Aufsicht obliegen formal dem Rat. Diese Prüfung kann das ehrenamtliche Gremium ohne Hilfe von Engagierten in den Teilbereichen nicht selbst ausführen. Teilhabe, Mitbestimmung und Mitverantwortung, der Betroffenen ist der Schlüssel einer verantwortlichen, zukunftsorientierten Seniorenarbeit.
Demokratie kann nur funktionieren, wenn sich neben den bereits vielen ehrenamtlich Engagierten in den kommunalen Gremien auch die betroffenen Menschen engagieren. Das derzeitige Bild des Ignorierens, des Wegschauens kann nicht zufriedenstellen.
Mehr Beteiligung im Seniorenbeirat ermöglichen
Die Zusammenarbeit in Seniorenbeiräten hängt stark von der Verfasstheit, der Satzung ab. So besteht in Oberhausen für den Seniorenbeirat keine Satzung. Die stimmberechtigten Mitglieder werden von den Fraktionen im Rat bestimmt. In der Vergangenheit konnten sich neue Aspekte in der Zusammenarbeit mit dem Seniorenbeirat phasenweise nur unzureichend entfalten. So wurde ein Budget eingeführt, welches durch den Wegfall der Seniorenbroschüre „Wir für Euch“ eingespart wurde. Der Seniorenbeirat darf nicht weiter als Alibiveranstaltung dienen.
Ziel muss ein freigewählter Seniorenrat mit Sitz und Stimme im Rat, den Bezirksvertretungen und den Ausschüssen sein. In Hessen sind freigewählte Seniorenräte an der Tagesordnung. Dies ist in Düsseldorf und Köln seit Jahrzehnten gegeben. Nicht nur in Großstädten sind in Urwahl demokratisch gewählte Seniorenräte eingebunden, auch in Düren oder Haltern am See und seit 2019 auch erstmals in Dortmund. Eine Wahl kann nur erfolgreich sein, wenn sich genügend aktive Bewerber für das Gremium finden.
Bis der Stellenwert und die Bekanntheit gegeben ist, sind Delegiertenwahlen für einen Seniorenbeirat zu installieren, nur so kann die Mitwirkung und Mitverantwortung der betroffenen Bürger gesichert werden. Dieser Kompromiss wurde für die Stadt Moers gefunden. Die Organisationen sind aktuell aufgerufen Delegierte zu benennen.
Künftig müssen mehr aktive Mitglieder der in der Seniorenarbeit tätigen Organisationen, Einrichtungen und Gruppen die Gelegenheit erhalten, sich an der Arbeit zu beteiligen. Eine denkbare Möglichkeit ist es, jeweils zwei Delegierte, damit der Ersatz gesichert ist, zu entsenden, aus deren Mitte der Seniorenbeirat im Verhältnis der Einwohner über 60 Jahre gewählt wird. Auch Einzelpersonen ab 55 Jahren, die in der Kommune wohnen, können sich als Delegierte melden. Sie benötigen entsprechende Unterstützungsunterschriften. Organisationen, die bislang nicht im politischen Prozess beteiligt waren, können die Aufnahme bei der Verwaltung beantragen. Ein aktives Mitwirken von unterschiedlichen Beteiligten, die ihr Erfahrungswissen und ihre Kompetenzen für das Gemeinwohl einbringen wollen, ist damit gewährleistet. Für den zukünftigen Seniorenbeirat ist eine Arbeit auf Augenhöhe mit Verwaltung, Politik, Akteuren der offenen Seniorenarbeit, Bürgerinnen und Bürgern und dem Seniorenbeirat nicht nur wünschenswert, sondern für eine zukunftsorientierte, gemeinwesensorientierte Seniorenarbeit unerlässlich. Was nutzen demokratische Gesetze mit Mitbestimmung und Mitwirkung, wenn die Rechte nicht wahrgenommen oder gar ausgehebelt werden. Ein Beispiel: Wer kennt schon die halbjährliche „Kommunale Konferenz Alter und Pflege“ oder die Wahl in die notwendigen Bewohnerbeiräte der Pflegeeinrichtungen.
Neue Wege in der Seniorenpolitik können nur gemeinsam mit den älteren Menschen beschritten werden. Sie bringen ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen ein. Der Senioren(bei)rat ist dabei ein wichtiges Gremium in der Kommunalpolitik. Bedenken Sie: Mitarbeiter in Kommunen und Wohlfahrtsverbände mit eigenen Pflegeeinrichtungen sind nicht immer frei in der Beratung und Hilfe.
Wir möchten mit unseren Beiträgen Hilfestellung geben und dazu beitragen das Miteinander zu fördern. Wir freuen uns über jede und jeden, die oder der gerne im Team mit Akteuren der Seniorenarbeit, ob in Parteien, Vereinen oder als Einzelperson, sich einbringt, um die Bürgerschaft, das seniorengerechte Quartier, voranzubringen. Für März 2021 und Mai 2021 haben wir analog Veranstaltungen in angenehmer Atmosphäre bereits terminiert.
Nutzen Sie diese ehrenamtliche nicht gewerbliche Plattform Veranstaltungen vorzustellen, zu terminieren etc. Nur durch Transparenz, Offenheit und Austausch der Argumente kann ein gutes Zusammenleben gelingen.
Senioren müssen selbst aktiv werden, sich aus der Isolation begeben. Seniorenarbeit, Pflege etc., gehört zur Daseinsvorsorge und muss eine Pflichtaufgabe der Kommune werden. Sonntags- und Wahlkampfreden besänftigen, verändern nicht.
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