Formen und Fristen entscheiden
Entscheidungen der Pflegekasse sind Verwaltungsakte
Warum schätzt die Pflegekasse den Pflegebedarf deutlich geringer ein als erwartet und erkennt sie keinen oder nur einen niedrigen Pflegegrad an? Vielleicht weil sie die Betragsstabilität gefährdet sieht! Pflegegrade werden nach bewerteten Punkten vergeben. Die größte Anzahl der Antragssteller erhalten weniger als 27 (47,5) Punkte und es wird der Pflegegrad 1 (2) festgesetzt. Ein Widerspruch kann Ihr Angehöriger gegen den Bescheid immer einlegen. Statistiken zeigen, dass 40% der Widersprüche abgeholfen wird.
Gut zu wissen:
- die Begutachtung erfolgt durch den Medizinischen Dienst,
- der Verwaltungsakt wird durch die jeweilige Pflegekasse erstellt.
Die Entscheidung der Pflegekasse soll im Regelfall spätestens 25 Tage nach der Antragsstellung beim Pflegebedürftigen eingehen. In dem schriftlichen Bescheid steht, welcher Pflegegrad ermittelt wurde, welche Leistungen die Pflegekasse zahlt und von welchen Zeitpunkt an Anspruch auf die beantragte Pflegeleistung besteht. Außerdem informiert die Pflegekasse darüber, ob der Gutachter eine Rehabilitation, andere Präventionsmaßnahmen, Umbauten im Haus oder der Wohnung oder Hilfsmittel empfiehlt. Diesen Empfehlungen muss Ihr Angehöriger folgen. Er ist verpflichtet, seinen Beitrag zu leisten, um die Pflegebedürftigkeit zu mindern oder eventuell sogar ganz zu beseitigen.
Die Pflegekasse kann den Anspruch auf Pflegeleistung grundsätzlich verneinen. Es ist außerdem möglich, dass sie eine Pflegebedürftigkeit zwar anerkennt, Ihr Angehöriger aber von einem höheren Pflegegrad ausgeht. In beiden Fällen kann er innerhalb eines Monats gegen den Bescheid schriftlich Widerspruch einlegen. Es zählt der Tag der Zustellung. Wurde der Brief am 2. August zugestellt, muss der Widerspruch bis zum 2. September bei der Pflegekasse eingehen.
Tipp: Ankunftsdatum entscheidet. Es zählt nicht das Datum des Absendens, sondern der Eingang bei der Pflegekasse. Ihr Angehöriger sollte sich am Datum auf dem Bescheid orientieren: Wurde der Bescheid am 28. Juli ausgestellt, sollte der Widerspruch bis zum 28. August bei der Pflegekasse eingehen.
Weist die Pflegekasse nicht auf die Widerspruchsfrist hin, kann der Bescheid ein Jahr lang angefochten werden.
Für den Widerspruch ist es wichtig, dass Sie das Gutachten vorliegen haben. Ihr Angehöriger bekommt es automatisch zugeschickt, außer er widerspricht ausdrücklich. Das sollte er aber keinesfalls tun. Das Gutachten ist in jedem Fall interessant, auch weil es Empfehlungen für Hilfsmittel oder eine Rehabilitation enthält. Sprechen Sie das Gutachten am besten in Ruhe mit einer Pflegefachkraft oder einem Arzt durch. Ihr Angehöriger muss gegenüber der Pflegekasse begründen können, warum es seiner Ansicht nach die Pflegesituation falsch wiedergibt. Je mehr gute Argumente er liefert, desto eher hat sein Widerspruch Erfolg. Falls zusätzliche Unterlagen vorliegen, zum Beispiel die Pflegedokumentation eines professionellen Pflegedienstes, sollte er diese mitschicken.
Wie formuliere ich den Widerspruch?
Zunächst reicht ein einfaches Schreiben:
An die Pflegekasse xy
Versicherungsnummer: xy
Betreff: Widerspruch gegen den Bescheid vom (Datum)
Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen den Bescheid (Aktenzeichen) vom (Datum) lege ich Widerspruch ein. Der Bescheid ist mir am (Datum) zugegangen. Mit der Ablehnung der Pflegebedürftigkeit/Zuordnung des Pflegegrads bin ich nicht einverstanden. Die Begründung meines Widerspruchs reiche ich nach.
(Sofern noch nicht geschehen: Bitte senden Sie mir eine Kopie des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu)
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Die Begründung kann nachgereicht werden. Da Ihr Angehöriger bei einem möglichen Rechtsstreit nachweisen muss, dass er fristgerecht Widerspruch eingelegt hat, sollte er den Brief als Einschreiben mit Rückschein verschicken.
Die Pflegekasse prüft den Widerspruch zunächst intern. Kommt sie nach Durchsicht des Gutachtens zu keinem neuen Ergebnis, beauftragt sie in der Regel den Gutachter mit einer erneuten Prüfung. Bleibt er trotz der Widerspruchsbegründung bei seiner Einschätzung, wird ein Zweitgutachten erstellt. Ein anderer Arzt oder eine andere Pflegefachkraft begutachten den Pflegebedürftigen erneut. Der neue Gutachter muss in seinem Gutachten explizit auf die Begründung des Widerspruchs eingehen und prüfen, ob sich der Gesundheitszustand zwischenzeitlich verschlechtert hat. Siehe auch unter Definitionen/Fachbegriffe
Tipp: Keine Rücknahme des Widerspruchs
Manchmal fordern die Pflegekassen noch vor dem Versenden der Entscheidung über den Widerspruch dazu auf, diesen zurückzunehmen. Das sollte Ihr Angehöriger nicht tun, weil ihm in diesem Fall der weitere Rechtsweg versperrt ist.
Recht: Auch Privatversicherte können sich wehren
Wer privat versichert ist, kann sich gegen die Entscheidung seiner Pflegeversicherung wehren. Ein internes Widerspruchsverfahren gibt es jedoch nicht. Bleibt die Versicherung bei ihrer Entscheidung, muss Klage beim Sozialgericht eingereicht werden. Für die Klage ist sechs Monate lang Zeit. Damit sie Aussicht auf Erfolg hat, müssen die Einwendungen gut begründet sein. Wer die Klage verliert, muss die Anwaltskosten tragen. Falls ihr Angehöriger mit der Entscheidung der Pflegeversicherung nicht einverstanden ist, sollte er das Unternehmen deshalb zunächst kontaktieren. Häufig sind die Versicherer bereit, ein zweites Gutachten erstellen zu lassen und den Antrag erneut zu prüfen. Doch Vorsicht! Die Sechs-Monats-Frist für die Klage gilt trotzdem.
Die Pflegekasse gibt dem Widerspruch danach entweder statt und gewährt einen (höheren) Pflegegrad. Oder sie verschickt erneut eine Ablehnung des Widerspruchsbescheides. Aufgepasst: Ihre Begründung muss innerhalb von zwei Monaten erfolgen (ein Monat für Widerspruch, ein weiterer Monat für Begründung ab Zugang der angeforderten Unterlagen).
Wir haben für Sie die Grundlagen der Begutachtung zusammengestellt. Pflegebegutachtung vorbereiten, prüfen etc.
Wichtig Klage für Sozialversicherte ist kostenfrei
Gegen diese Ablehnung kann Ihr Angehöriger vor dem Sozialgericht klagen. Er hat wiederum einen Monat Zeit, bis die Klageschrift bei Gericht eingegangen sein muss. Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist für ihn kostenfrei. Ein Rechtsbeistand ist nicht zwingend.
Hinweis
Haben Sie den Entlastungsbetrag für 2019 und 2020 ausgeschöpft? Antragsschluss 30.12.2021
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