Pflegemarkt in Bewegung

Pflegeeinrichtungen und -dienste von Einzelpersonen werden vermehrt ihre Pforten schließen. Offiziell werden die Kosten ins Feld geführt. Die Pflicht die Pflegekräfte nach Tarif zu bezahlen oder die Energiekosten. Die Wahrheit ist die „nervige“ Verhandlung mit den Pflegekassen oder die Begründung der Investitionskosten mit den Sozialhilfeträgern. Vielleicht auch die Verpflichtung, die verhandelten Pflegekräfte im Internet zu offenbaren. Die Investoren wollen ihre Gewinne weiter sichern und haben Gesetzeslücken unbemerkt von der Öffentlichkeit gefunden und nutzen die rechtlichen Lücken aus.

Mit der Einführung der Pflegeversicherung 1994 hat sich der Staat, die Politik aus der Verantwortung gestohlen. Sich von einem großen Batzen der Sozialhilfekosten entledigt. 2021 zahlten rund 73,51 Mio. Versicherte 52,5 Mrd. Euro in die Soziale Pflegeversicherung, was die rund 9,19 Mio. „freiwillig“ Versicherten in die Private Pflegeversicherung einzahlten, ist nicht auf der Homepage des Bundesministers ersichtlich. Die Pflege wurde bewusst dem freien Markt überlassen. Die Pflegekassen wurden formal als Hüter eingesetzt. Die Pflegekassen sind nach § 12 SGB XI für die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten verantwortlich.

Das Gesetz kennt stationäre Einrichtungen mit Pauschalen je Pflegegrad und ambulante Dienste für die Häuslichkeit, ebenfalls mit Pauschalen je Pflegegrad.

  • 1995 waren 40 % der anerkannt Pflegebedürftigen in einer stationären Einrichtung aufgenommen. Die Pflegeeinrichtungen hatten und haben einen Auslastungsgrad von 95 und mehr Prozent.
  • 2021 konnten nur 15 % der Pflegebedürftigen noch einen Pflegeplatz erhalten.

Wollten 40% der 4.465.364 sozialversicherten, anerkannten Pflegebedürftigen einen Pflegeplatz beanspruchen, wie 1994 von Prof. Naegele prognostizierte, werden bereits 1.786.146 Plätze benötigt, damit fehlen heute über 1.080.000 Plätze.

Wer in der eigenen Häuslichkeit gepflegt wird, muss für den Lebensunterhalt, nebst Kaltmiete und Nebenkosten selbst aufkommen. Es fehlt die ständige Hilfs- und Aufsichtsperson in der Not. Anders ausgedrückt, die Angehörigen übernehmen die Grundpflege zu halbierten Pauschalen und den Haushalt.

Der Not der pflegenden Angehörigen reagierte die Politik mit mannigfachen „Hilfsmaßnahmen“, wie zum Beispiel 125 €uro monatliche Entlastungsentgelt, Kurzzeit- oder Tagespflege etc. Doch die Hürden der verschiedenen Pflegekassen für die Angehörigen in der Häuslichkeit sind so groß, dass die Pflegekassen jährlich 12 Mrd. Euro durch Nichtgewährung und Verweis auf gewerbliche Anbieter einsparen können.

Den fehlenden Markt bedienen gewerbliche Anbieter oder bieten aus Investorensicht ein Optimum mit verschiedenen Verträgen aus einer Hand an. Von einem freien Markt mit ausreichendem Angebote kann nicht gesprochen werden. Deshalb ist ein Kosten- und Leistungsvergleich weiterhin anzuraten.

„Betreutes oder Service Wohnen“ ist dem Pflegeversicherungsgesetz unbekannt.

Betreutes Wohnen

Fortsetzung des Beitrages aus 2018 von „Was bedeutet eigentlich betreutes Wohnen?“

In Deutschland existieren geschätzt Anfang 2022 mehr als 7.100 betreute Wohnanlagen, die mehr als 359.800 Wohnungen für Pflegebedürftige zur Verfügung stellen. Zu einem ausgeglichenen Angebot fehlen weiterhin 600.000 Plätze. Der Großteil der Angebote für betreutes Wohnen (knapp 63 Prozent) werden weiterhin von gemeinnützigen Einrichtungen betrieben. Internationale Investoren und Konzerne haben ebenfalls den Markt erkannt und bieten unter einem Dach und oft gleicher Führung: Stationäre, Teilstationäre, ambulante und Serviceleistungen.

Die 5 größten Betreiber für Betreutes Wohnen 2022

NRNameArtEinrichtungenPlätze
1Augustinum gGmbH  Münchengemeinnützig237.030
2Victor´s Group  Holding 533.583
3Frankfurter Verband Alten-/Behindertenhilfegemeinnützig573.486
4Rosenhof Seniorenwohnanlagen 113.170
5Korian Gruppe  International 653.153

Betreutes Wohnen als Alternative zum Pflegeheim?

Welche Kosten werden derzeit (2022) in Pflegeeinrichtungen verlangt?

Werden Einrichtungen in Gelsenkirchen auf Pflegelotse.de gesucht, findet sich die „teuerste“ Pflege-Einrichtung mit einer Eigenbeteiligung von 3.116,30 €, davon sind 802,48 € Kaltmiete. Bei Pflegegrad 4 eine Bruttobelastung 4.587,55 €. Dem gegenüber werden in der gleichen Stadt laut NRZ/WAZ im Betreuten Wohnen 5.733,40 € verlangt. Über 1.000 € monatliche Mehrkosten zu Lasten überwiegend der Sozialhilfe! Diese Unterschiede lassen sich für jede Kommune aufzeigen. Der Markt ist undurchsichtig.

Bedenken Sie „Betreutes oder Service“ Wohnen beinhaltet keine Pflege.

Pflege scheint in den Räten ein Tabu zu sein, obwohl die Planungshoheit des Landes NRW den Kommunen übertragen wurde und § 8 Alten- und Pflegegesetzt (APG NRW) die Beteiligten für die „Kommunale Konferenz Alter und Pflege“ benennt. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Brisanz durch veraltete Zahlen (2019) nicht erkannt werden soll. Die Not in der Pflege wird ja durch die Angehörigen klaglos aufgefangen. Wie lange noch?

Was denken die Angehörigen, die zu Hause ohne fremde Hilfe pflegen müssen, ob sie die Dummen sind; sie erhalten seit 2017 die gleiche Leistung. Keine „Coronahilfen“ oder anderweitige Unterstützung, nicht einmal die volle gesetzliche Leistung. Jährlich werden derzeit von den Pflegekassen 12 Mrd. € in der Häuslichkeit gespart.

Kann es sein, dass die Angst, die abbezahlten vier Wände zu verlieren, Angehörige zur Pflege zwingt? Was wird geschehen, wenn die Babyboomer, die oft Singels sind, pflegebedürftig werden? Der Aufbau neuer nachhaltiger Strukturen braucht Zeit. Die Niederlande haben vor Jahrzehnten bereits umgesteuert.

Wie lange kann Pflege weiter als Produkt angeboten und berechnet werden oder braucht es dringend ein gesellschaftliches Umdenken zurück zu Empathie und einer neuen Kultur?

Die nächsten Kommunalwahlen in NRW stehen bevor. Die Parteien rechnen mit den sicheren Stimmen der Senioren, kennen oft nicht deren Sorgen und Nöte oder schätzen sie gering ein. Wir hoffen, mit dem Beitrag Ihnen Denkanstöße zur weiteren Diskussion in der Familie und in den gesellschaftlichen Gruppen, in Kirche und Partei, gegeben zu haben. Finden Sie keine vertiefende Antworten über die Stichwortsuche, schreiben Sie uns an.

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