Verbot der Leiharbeit (nur) in der Pflege?

Das freie Unternehmertum forderte in den 1980 Jahren vehement die Öffnung im Gesundheitswesen. „Privat vor Staat“. 1994 hatten die Privaten Investoren mit dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) ihren Willen. Der Nachweis des notwendigen Pflegepersonals musste nicht erbracht werden. Die Abgeordneten haben sich durch die Pflegekassen aus der Verantwortung gestohlen. Nun fordern die Betreiber von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, das Recht der Arbeitnehmer soll weiter abgebaut werden. Das Recht auf Selbstbestimmung und Freizügigkeit, Artikel 11 und 12 des Grundgesetzes wollen die Investoren als Arbeitgeber mit dem Verbot der Leiharbeit allein in der Pflege durch die Abgeordneten einschränken lassen. Die soziale Marktwirtschaft soll zur Gewinnerhaltung weiter demontiert werden.

Arbeitgeber sehen die Leiharbeit kritisch. Laut dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sind Leiharbeiter für die Arbeitgeber oft deutlich teurer als Angestellte. Zeitarbeitsunternehmen würden aktives Stammpersonal aus den Einrichtungen abwerben, „um sie dann wieder zurückzuvermieten“, moniert der Verband.

Der Geschäftsführer der Sozial Holding Mönchengladbach und Bundesbeauftragte für Altenhilfe, Helmut Wallrafen, forderte Ende November in einem Offenen Brief die Begrenzung der Leiharbeit in der Altenpflege. Sie sei auch eine Belastung für die Pflegebedürftigen. Er beklagt „Unzuverlässigkeit, schlechte Pflege und Unruhe in den Pflegeteams des Stammpersonals“.

In einem Positionspapier hat sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) für „drastische Beschränkungen“ von Leiharbeit in der Pflege ausgesprochen. Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz weist bei dem Thema auf die Verantwortung der Unternehmen hin.

„Die Leiharbeit in der Pflege ist in den vergangenen Jahren zu einem immer größeren Problem für die Krankenhäuser und andere Einrichtungen im Gesundheitswesen wie Rehakliniken oder in der Altenpflege geworden“, heißt es im Positionspapier der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Pauschale Vorwürfe zur Ablenkung

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) fordert die Bundesregierung auf, dringend die Leiharbeit in der Pflege zu regulieren. Denn die Entwicklung der Leiharbeit bedroht zunehmend die Arbeitsfähigkeit der Pflegeeinrichtungen. Leiharbeitsfirmen werben mit dem Versprechen branchenunüblich hoher Gehälter, Einsatzplänen nach Wunsch und geldwerten Zusatzleistungen Pflegekräfte an, um diese dann zu überhöhten Kosten an Pflegeeinrichtungen zu verleihen. Dies verschärft die ohnehin schon schwierige Personallage – auch für die ambulanten Pflegedienste und Pflegeheime des ASB.

Der Bayerische Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, sprach sich beim Europäischen Gesundheitskongress in München im Oktober 2022 gar für Sanktionen gegen Zeitarbeit in der Pflege aus.

In der Pflegebranche fordern Arbeitgeber, nicht nur die „Privaten“ auch die Wohlfahrtsverbände und die Kommunen, die sofortige Begrenzung der Leiharbeit, Gewerkschaften sehen deren relativ attraktive Arbeitsbedingungen. „Im Bereich der Pflege stehen die Dinge auf dem Kopf“, sagte Matthias Gruß vom ver.di-Fachbereich Altenpflege dem Evangelischen Pressedienst. Aus der Politik kommen immer mal wieder Bestrebungen, die Leiharbeit in der Pflege zu begrenzen.

Dazu erklärt Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz: „Die Leiharbeit in der beruflichen Pflege ist sicher sehr problematisch. Allerdings sollte man hier seitens der Einrichtungen klar Verantwortung übernehmen. Denn wer keine Leiharbeit möchte, der sollte diese auch nicht nutzen. Die Leiharbeitsproblematik wurde von den Einrichtungen selbst generiert, deshalb stehen diese nun auch in der Verantwortung. Jetzt geht es darum, die Arbeitsbedingungen vor Ort schnell und einrichtungsindividuell in allen Sektoren, die Pflege anbieten, zu verbessern und nicht auf die Politik zu warten. Andernfalls wird die Leiharbeit weiter Aufwind bekommen und das bestehende Chaos wird nur größer!“.

Verschwiegen wird: Betreiber haben das Problem selbst verschuldet; sie bilden nicht auf eigene Kosten das notwendige Personal für eine gesicherte Pflege aus. Ein weiteres Ausweiten auf Frauen oder Teilzeit ist nicht möglich. Dies ist kein neues Phänomen im Gesundheitswesen. Erinnert sei an die Diakonissen- und Nonnenanstalten, DRK-Schwesternschaften etc. Die derzeit in den Einrichtungen gepflegten Bewohner müssen eine tägliche Altenpflegeausbildungsumlage zwischen 3 €uro und 6 €uro entrichten, ein entsprechender Anteil wird auch von den ambulanten Diensten in der ambulanten Versorgung eingepreist. Ganz zu schweigen davon, dass die Auszubildenden oft bereits als Vollkräfte eingesetzt werden. 

Die Gewerkschaft Ver.di lehnt ein Verbot der Leiharbeit in der Pflege ab. Die Arbeitgeber haben es in der Hand, durch verbindliche Dienstpläne und tarifvertragliche Bezahlung die Pflegepersonen zu halten und neue zu gewinnen. Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hält Forderungen nach einer sofortigen Begrenzung der Leiharbeit für kurzsichtig: Die Einrichtungen könnten derzeit nicht auf Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter verzichten. Nach der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit sind zwei Prozent der 1,7 Millionen Pflegekräfte als Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter beschäftigt. Es wird nach dem Staat gerufen, im Ausland angeworben. Dies ist für die Betreiber allemal billiger, statt eine eigene vorbildliche Ausbildung für eine nachhaltige Zukunftssicherung vorzuhalten.

Ausblick

Wer in Zukunft eine qualitätsvolle Pflege will, benötigt zufriedene Pflegekräfte.

  • Die erste Voraussetzung für empathische Pflege ist eine qualifizierte Ausbildung mit auskömmlichen Gehältern, eine gute Arbeitsatmosphäre und Mitwirkung bei den Arbeitszeiten.
  • Daneben müssen die baulichen Voraussetzungen stimmen. Die Refinanzierung der Investitionskosten, darf nicht länger zur Gewinnverwendung genutzt werden.

Wer in Zukunft eine bezahlbare Pflege will, kann sich entscheiden für:

  • die freie Marktwirtschaft oder
  • die staatliche Daseinsvorsorge.
Fragender Smily

Wer die freie Marktwirtschaft statt staatliche Daseinsvorsorge will, muss sich von der Bevormundung der Pflegebedürftigen verabschieden. Das Pflegeentgelt nach dem SGB XI steht allein dem Pflegebedürftigen zu. Die Unterscheidung in Sach- und Geldleistung und Bevorzugung der Sachleistung entfällt. Subventionen und Schutzschirme allein für die gewerblichen Betreiber verbieten sich.

Die Bevorzugung der Einrichtungsträger, durch eine Sachleistung in doppelter Höhe, ist nicht mehr gerechtfertigt, gar verfassungswidrig!

Zur Einordnung: Zu Beginn des Jahres 2023 gibt es in Deutschland 11.683 vollstationäre Pflegeheime mit insgesamt 918.084 Plätzen für die Altenpflege. In der Häuslichkeit werden rund 4.300.000  Pflegebedürftige gepflegt, überwiegend ohne  fachliche Unterstützung. 17.122 ambulante Pflegedienste versorgen 1.810.529 Patienten. Erschwerend kommt dazu, die Geldleistungen sind in etwa nur die Hälfte der Sachleistung und seit 2017 unverändert.  Das persönliche Budget nach § 35a SGB XI kann ein Ausblick sein.

Es wird Zeit, die Pflege als notwendige Daseinsvorsorge zu erkennen und sich für eine nachhaltige Refinanzierung der Pflege in der älterwerdenden Gesellschaft einzusetzen. Angefangen bei einer europäisch anerkannten Pflegeausbildung bis hin zu einer lebensfreundlichen Gemeinschaft in einer barrierearmen Kommune. Die Zeit drängt seit über einem Jahrzehnt.

Es helfen keine Pflaster mehr, eine große Reform jetzt.

Die Bundestagsabgeordneten müssen sich endlich für Ihre Wähler entscheiden, gegen den einseitigen Schutz der Betreiber oder das Verbot der „Leiharbeit nur in der Pflege“, für eine

Gesundheitsreform für eine bessere Pflege zum Schutz der Pflegebedürftigen.

Wir freuen uns, wenn Sie die Gedanken teilen und den Beitrag ihren Abgeordneten im Bund und Land zukommen lassen.

Hier eine aktuelle kostenfreie Online-Schulung 

Sackgassen statt „Bildungswege“? Die Bedeutung beruflicher Ausbildung in Zeiten von „Akademisierungswahn“ und FachkräftemangelGeorg-von-Vollmar-Akademie e.V.    Online | Di. 28.03.23, ab 19 Uhr   Weitere Informationen und Anmeldung

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