Die (eigenständige) Seniorenvertretung (02)

Fortsetzung des Beitrages vom 23.2.24: darin beschrieben:

Grundsätzliches; Die Verschiebung der Verantwortung; Müssen Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen auf der Strecke bleiben. Kein weiter so; Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß; Nehmen wir die Worte als bare Münze 

Es folgt:

Das notwendige Engagement oder eine verordnete Beruhigungspille 

Tätigkeiten von Seniorenvertretungen für Gemeinden 

Wunsch und Wirklichkeit

Die Seniorenvertretung als politische Teilhabe der älteren Bevölkerung.

Das notwendige Engagement oder eine verordnete Beruhigungspille

Bürgerräte erfahren zurzeit viel Aufmerksamkeit, vor allem dank des vom Bundestag beauftragten Bürgerrates »Ernährung im Wandel«. Ca. 35 Personen eines Wahlkreises kommen zusammen, die durch das Aufsuchende Losverfahren bestimmt werden und Bundesangelegenheiten besprechen. Mit dem Ziel auf Wahlkreisebene unsere Demokratie zu stärken. Die Hilfe vor Ort wird ausgeblendet.

Der Hilfeschrei der Vereinigung der Pflegenden in Bayern mit dem zweiten Pflegemonitoring sollte bundesweit und allgemein gehört werden; in den anderen Ländern sind keine ähnlichen Erhebungen bekannt. Nach der Landtagswahl in Bayern wurde die Diskussion aus 2017 wieder aufgenommen.

Mit dem Entwurf des Seniorenmitwirkungsgesetzes (BaySenG) und den Wahlen zum Landesseniorenrat wurde politisch ein neuer Einstieg in die ehrenamtlich unterstützte Seniorenvertretung ausgerufen. Offen bleibt, ob die aktuelle Studie über den Pflegepersonalbedarf in Bayern eine Rolle spielen kann, die Mitwirkung der Bürger mit Rechten und Pflichten noch zu diskutieren ist oder unterbunden werden soll.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass vorrangig eine zentrale politische Kontrolle im Land gewollt ist. Die LandesSeniorenVertretung Bayern e. V. (LSVB) schreibt im Juni 2022 dazu: „Dieser Gesetzentwurf stärkt nicht die Rechte der Seniorinnen und Senioren, sondern schmälert sie. Es fehlen belastbare, also echte Einflussmöglichkeiten und Beteiligungsrechte der älteren Menschen. Dies wären die Voraussetzungen echter politischer Partizipation, die aber anscheinend nicht gewollt ist.“ „210 kommunale Seniorenvertretungen Mitglied der LSVB. Darunter 27 Landkreise, die LHSt München und die weiteren bayerischen „Großstädte“ Nürnberg, Augsburg, Würzburg, Regensburg, Ingolstadt, Fürth, Erlangen und Landshut.“

Dem Landesseniorenrat gehören aktuell (Stand: November 2023) 611 Mitglieder an. 182 benannte, nicht frei gewählte oder entsandte, Delegierten der Landesversammlung wählten den Landesvorstand. Die notwendige Akzeptanz, Unterstützung und Mitwirkung vor Ort sind ausschlaggebend für das Gelingen.

Kommunale Seniorenvertretungen sind freiwillige Einrichtungen auf kommunaler Ebene. Außer in Berlin (s. Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz BerLSenG, Quelle: Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, 62. Jahrgang, Nr. 19, 3. Juni 2006) und in Hamburg (s. Gesetz zur Stärkung der Mitwirkung von Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen Leben in der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburgisches Seniorenmitwirkungsgesetz HmbSenMitwG Stand 2022, Quelle: Herausgeber: Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg 2012) sind Seniorenvertretungen bislang in keinem Bundesland vorgeschrieben. Fehlt es in Flächenländern nicht am Zusammenhalt, Transparenz und Nachbarschaftshilfe?

Die politischen Parteien sind nach Art.21 GG die tragenden Säulen der (indirekten) politischen Willensbildung im Bund und den Ländern. Andere Ausformungen von Gremien als Instrumente direkter Demokratie sind eher begrenzt. Dies begründet, dass auch in Gemeinden darauf zu achten ist, dass die alleinige und letztgültige Zuständigkeit des gewählten Rats bei politischen Entscheidungen gewahrt bleibt. Dies bedeutet, dass Anhörungen und Mitwirkungen spezieller Interessen- und Zielgruppen gegeben sein dürfen, wenn nicht gar geboten sind, weil die überkommenen Strukturen in Partei- und Gewerkschaften stark abgenommen oder gar verschwunden sind.

Bayern ist überall

Zur Erinnerung die Ölkrise 1973/74 brachte die erste Arbeitslosigkeit. Die demographischen Hochrechnungen zeigten die Notwendigkeit der Rentenreform und die Gefährdung der Pflege. Die soziale Bewegung im Altenbereich sorgte für das Bundestagsmandat von Trude Unruh. Die Parteien reagierten damals, mit der CDU-Seniorenunion, der AG SPD 60plus.

Die Corona-Pandemie hat die Krise in der fehlenden Gesundheits- und Seniorenpolitik verdeutlicht. Bisher ist nicht zu erkennen, dass die Senioren, die 30 % der Wählerschaft stellen, sich wieder sozial intensiver engagieren. Die angesprochenen Seniorengruppen der Parteien sind in Gremien, nicht in der Öffentlichkeit wahrnehmbar.

Die Sozialverbände werden selten wahrgenommen, die Fachverbände der Wohlfahrtspflege sehen überwiegend die Pflegekatastrophe aus wirtschaftlicher Sicht. Die Landesregierungen wiegeln ab, verweisen auf die HinweisLandespflegekassen, den freien Markt – Privat vor Staat -. Die NRW Landesregierung bleibt bei ihrer Einschätzung, dass Insolvenzen in der Pflege in NRW in der Regel nicht zu Schließungen der Leistungsangebote und damit auch nicht zum Wegfall von Plätzen führen. Durch den Ausbruch des Ukraine-Krieges mit seinen Folgewirkungen sind viele Unternehmen – nicht nur in der Pflege – vor wirtschaftlichen Herausforderungen auf Grund allgemeiner Kostensteigerungen (z.B. Energiekosten) gestellt – Antwort 1.2.2024 Drs. 18/7970. Weiter so!?

Die Antwort kann und darf die pflegenden Angehörigen und Senioren nicht beruhigen. Es reicht nicht „gegen Rechts“ auf die Straße zu gehen. Die notwendigen Veränderungen zum Erhalt der Demokratie von anderen einzufordern, ist zu wenig. Mit einer Digitalisierungsoffensive, mit Geld wird Wohlfahrtsverbänden geholfen. Es fehlt an der nötigen Infrastruktur! Es fehlt an konkreten Hilfen.

Es muss gehandelt werden; jedes weitere Abwarten verschlimmert die Situation vor Ort.  

„Seniorenvertretungen können mit ihrer Erfahrung und Kompetenz die Entwicklung altengerechter Quartiere vor Ort entscheidend voranbringen, wertvolle Unterstützerinnen und Unterstützer bei der Bewältigung der Herausforderungen durch den demographischen Wandel sein – und auch nachfolgenden Generationen die Angst vor Pflegebedürftigkeit im Alter nehmen.
 
„Wer, wenn nicht die Älteren selbst können den Kommunen am Besten sagen, wie sie leben wollen, welche Angebote sie nutzen und was zusätzlich notwendig ist, um möglichst lange ein zufriedenes und selbstbestimmtes Leben im vertrauten Wohnumfeld führen zu können – auch bei Unterstützungs- und Pflegebedarf“, erklärte Gesundheits- und Pflegeministerin Barbara Steffens am 26. April 2017 bei der Mitgliederversammlung der NRW Landesseniorenvertretung (LSV). Ihr Nachfolger im Amt, CDU-Sozialminister Karl-Josef Laumann, sieht den Schwerpunkt in der Errichtung der Landes-Pflegekammer.

Tätigkeiten von Seniorenvertretungen für Gemeinden

„Kleinere Gemeinden verfügen nicht über genügend personelle Ressourcen, so können Seniorenbeiräte vor allem die Arbeit der Gemeindeverwaltung unterstützen und manche Projekte überhaupt erst möglich machen. Bei solchen Zuarbeiten kann es sich um einfache Hilfstätigkeiten handeln wie etwa das Einlegen von Informationsblättern für Senioren in das Gemeindeblatt. Bei entsprechender Qualifikation kann die Seniorenvertretung aber auch anspruchsvolle Aufgaben mittragen, die eigentlich in die Zuständigkeit der Kommunalverwaltung fallen. Noch weiter reichen Erwartungen der kommunalen Politik und Verwaltung an die Seniorenvertreter als Experten für Alters- und Seniorenfragen, vor allem in Bezug auf verlässliche Informationen über die Lebenslagen der Älteren, über offene Bedürfnisse und bedarfsgerechte Angebote (Wohnen, Freizeit, Verkehrs- und Mobilitätsprobleme, gesundheitliche Verhältnisse, Hilfe und Pflege in allen Formen). Hier sind Seniorenvertretungen zum Beispiel vorausschauende Mahner bei bedenklichen Entwicklungen, sie schlagen in dringenden kritischen Fällen Alarm und berichten über Erfolg und Resonanz von gewissen Maßnahmen. Auch umgekehrt tragen Politik und Verwaltung ihre Informationen und Ideen gerne über die Seniorenvertretung an alle Senioren heran, um so für größere Akzeptanz zu werben.

Als Idealfall wird es jede Kommune schätzen, wenn die Seniorenvertretung maßgebliche eigene Aktivitäten im Sinne einer kommunalen Altenplanung setzt, etwa durch Befragungen, Bürgerversammlungen und Podiumsdiskussionen, die eine breitere Partizipation der Betroffenen bewirken. Seniorenvertretungen sind in NRW Mitglieder in der „Kommunalen Konferenz Alter und Pflege“.

Seniorenvertretungen können Gemeinden aber nicht nur bei ihren Pflichtaufgaben entlasten. Mehr noch bieten sie ein unschätzbares Potenzial, um im Gemeinwesen Aktivitäten zu entfalten, für die der Kommune sonst die Mittel fehlen. Dazu einige Beispiele:

  1. Begegnungen zwischen Jung und Alt, etwa Erzählrunden zwischen Schülern und Senioren in Schulen, Jugendzentren und Altenheimen, gemeinsame Tagesausflüge und Bildungsfreizeiten von Jugendlichen und Senioren, Oma-/ Opa-Dienste, etc.;
  2. Gründung von Gesprächsrunden für pflegende Angehörige, ältere Migranten und andere spezielle Gruppen;
  3. Entwicklung neuer Einrichtungen wie Selbsthilfegruppen für neuartige Problemfälle, Tausch- und Wissensbörsen und andere genossenschaftliche Gruppen, ein Seniorenbüro, etc.;
  4. Initiativen für bürgerschaftliches Engagement jedweder Form, etwa für Besuchsdienste im Altenheim, für Hausbesuche zum Vorlesen und für kleine Hilfen, für Begleitdienste bei Einkäufen und Behördengängen, für Reparaturdienste oder für private Ausflugsfahrten und Fahrdienste.

Mit ihren ständigen unmittelbaren Kontakten unmittelbar zu Senioren, aber auch zu allen anderen Institutionen im Altenbereich können Seniorenvertretungen generell zur positiven Entwicklung der Bilder von Alter und alten Menschen in der Öffentlichkeit beitragen. Dafür ist es sinnvoll, dass sie auch eine systematische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dazu insbesondere gute Beziehungen zu den lokalen und regionalen Medien pflegen.“ Zitiert nach Blaumeister Seite 454 in SWS-Rundschau (44. Jg.) Heft 4/204: 437 ‒ 463

Die Einrichtung einer Seniorenvertretung liegt in der Selbstverwaltungshoheit der Kommunen. Oft wird die Notwendigkeit einer eigenständigen Organisation nicht gesehen. So stellt die Landesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros NRW auf ihrer Webseite einige Arbeitshilfen mit Praxistipps für die Seniorenarbeit kostenlos zur Verfügung. Die rund 450 Seniorenbüros in Deutschland bilden auf Bundesebene ein Netzwerk (BaS). Die BaS berät Kommunen und freie Träger von der Gründung bis zur Weiterentwicklung von Seniorenbüros und vertritt ihre Interessen auf Bundesebene. Die Verwaltung wahrt ihre Interessen. Ist ehrenamtliches Engagement nicht Zeit- und Geldverschwendung und Mehraufwand? In ganz Deutschland haben sich 450 Seniorenbüros organisiert und werden gefördert. Dies wird nicht die Gesamtzahl der Kommunen sein, die sich das Wohl der älteren Bürger annehmen.  

Wunsch und Wirklichkeit

In der Broschüre des Landesverbandes Bayern aus 2017 heißt es auf Seite 4: „Seniorenvertretungen leisten hier als Bindeglieder zwischen Politik und Gesellschaft einen wichtigen Beitrag. Sie verleihen den 2,7 Millionen älteren Menschen über 65 Jahre in ihrer Gemeinde eine Stimme. Sie geben wichtige Impulse in der kommunalen Seniorenpolitik. Und sie tragen so dazu bei, kommunale Strukturen nicht für sondern mit älteren Menschen aktiv zu gestalten. Am Ende profitieren davon alle Generationen.“ Weiter führt Frau Emilia Müller, Bay. Staatsministerin bereits im Nov. 2017 aus: „Das zeigt sich auch darin, dass mittlerweile rund 1.600 Kommunen eine der einen Seniorenbeauftragten haben.“ Zum 1.1.2024 bestanden 2.056 politisch selbstständigen Gemeinden in Bayern. Wird für jede Gemeinde nur ein Gremium von 3 Personen unterstellt, sind 6.200 ehrenamtliche Seniorenvertreter gefragt.  Wenn 611 Mitglieder dem Landesseniorenrat angehören, zeigt sich, dass nur jede 10. Gemeinde vertreten ist. Oder sind nur die Landkreise und kreisfreien Städte mit je 3 Delegierten entsendungsberechtigt? Der Freistaat Bayern ist in insgesamt 71 Landkreise sowie 25 kreisfreie Städte untergliedert, dann wären es 288 Mitglieder. Es zeigt sich ein großer Nachholungsbedarf an Informationen. Mit dem nachfolgenden Beitrag soll ein allgemeiner Überblick über bestehende Mitwirkungen in den Ländern gegeben werden, um so auch das Interesse an der möglichen Mitgestaltung und Mitarbeit zu wecken.

Die Seniorenvertretung als politische Teilhabe der älteren Bevölkerung.

Die politische Beteiligung erfüllt in der Demokratie zahlreiche Funktionen. Insbesondere die persönliche Teilhabe der Bürger zur Stärkung des Systems, niedergelegt in Art. 20 GG. Eine direkte Ausübung der Staatsgewalt ist auf Kommunaler Ebene nicht vorgesehen. Mit der Stimmabgabe bei den Wahlen entscheiden die Bürger über die Besetzung der politischen Führungspositionen. Die demokratisch bestellten Organe handeln im Auftrag und im Interesse der Bürger. Die Kommunalparlamente sind ehrenamtlich tätig und auf die Vorarbeit der Verwaltung angewiesen. Diese handelt vorwiegend aus fiskalischen Überlegungen (§ 28 Abs.2 GO BW).

Der Einfluss von Bürger- und Protestbewegungen nimmt durch die mögliche Vernetzung mittels des Internets zu und trägt nicht zur Versachlichung und demokratischen Auseinandersetzung bei.  Auch in den Kommunen ist Artikel 28 GG zu beachten und muss den Regeln des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.

Artikel 28 Absatz 2 GG

„Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“

Damit ist den Gemeinden auch die Verantwortung für die örtliche Altenpolitik als Aufgabe zugewiesen. Sie hat dafür Sorge zu tragen, „jedes Mitglied und jede Gruppe der Gesellschaft zum guten Leben und Handeln zu befähigen und ihnen gleiche Chancen zu bieten, am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen“. (Siebter Altenbericht, S. 35)  Forderungen und Erkenntnisse müssen nicht nur formuliert werden.

Direkte Demokratie funktioniert nur durch handelnde Menschen

Beitrag wird fortgeführt.

Seniorenrecht ein „neues“ Rechtsgebiet

Seniorenräte – als eine große Bürgerinitiative

Daran wird sich anschließen: Mögliche Ausgestaltung der Seniorenvertretung

Ihre Meinung ist gefragt, diskutieren Sie mit.

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