Der Spagat in der Pflege

Gute Pflege kostet! Wer muss zahlen?

„Black Box Pflegeheime“ 

Staatliche Regel-Kontrollen der Heimaufsicht sind ausgesetzt. Qualität in den Einrichtungen und tarifliche Bezahlung werden nicht gewährleistet.

Träger von Pflegeeinrichtungen sehen Verantwortung verschieden. Kostenaspekte stehen unausgesprochen im Vordergrund. Private Einrichtungsträger sehen Gewinnschmälerung, Steuerzahler sollen Mehrkosten bezahlen. 

„Wie wir gute Pflege sichern, ist die soziale Frage der 20er Jahre.“ Die Minister Spahn, Giffey und Heil der Koalitionsregierung führen weiter aus: „Wir sorgen für bessere Bezahlung, mehr Stellen und eine gute Ausbildung.“ Neben der Pflege fallen die Hotelkosten nochmals in mindestens der gleichen Höhe an.

Die Pflegekassen sind gescheitert  

Appelle an die Einrichtungsträger als Anbieter verpuffen. Kontrollen und Eingriffe der Pflegekassen, als gesetzlich Leistungsverpflichtete zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten und gleichmäßigen, dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung (Sicherstellungsauftrag), sind nicht erkennbar.

Die Politik versucht zu heilen

Der soziale Frieden kann durch Gewerkschaften nicht mehr gesichert werden. Die Hoffnung auf die Umsetzung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die ganze Pflegebranche ist Ausdruck der Machtlosigkeit und der Abhängigkeit von den privaten Trägern, die zwischenzeitlich über 50 Prozent des Marktes bestimmen.

Mehr Personal und eine angemessene Entlohnung wirkt nicht sofort und ist keine Garantie für mehr Qualität.

Einbeziehung der Betroffenen auf

  • Bundesebene

Auf Bundesebene haben maßgebliche Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen ein eingeschränktes Mitberatungsrecht bei Erarbeitung oder Änderung von Richtlinien und das Recht zur Anwesenheit bei Beschlussfassungen. Der Katzentisch ist für ausgesuchte Organisationen reserviert. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene vereinbaren den Pflegebereich.

  • Landesebene

In Landesrahmenverträge vereinbaren die vorgenannten Landesverbände die Ausformung der im Gesetz genannten Einzelziele, um eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Versicherten sicherzustellen Die Maßstäbe und Grundsätze für eine wirtschaftliche und leistungsbezogene, am Versorgungsauftrag orientierte personelle und sächliche Ausstattung der Pflegeeinrichtungen, zeigt das wirtschaftliche Interesse. Die Interessen der Bewohner und Hauptzahler werden, wenn überhaupt, indirekt durch die Sozialhilfeträger vertreten.

  • in der Kommune

Auf Kommunaler Ebene befindet sich die WTG-Aufsicht (früher Heimaufsicht) als Teil der Ordnungsbehörde, die Kommunale Konferenz Alter und Pflege zur Sicherung und Weiterentwicklung der örtlichen Angebote. Nicht immer werden die im Gesetz genannten Vertreter eingeladen. Die Sitzungstermine oder gar -ergebnisse finden selten den Weg in die Öffentlichkeit.

  • in der Einrichtung

Dem Einrichtungsträger wird als Leistungserbringer der Pflegekasse in Vergütungsvereinbarungen die Unabhängigkeit und Selbständigkeit zugesichert. Zwischen beiden Vertragspartner wird die zukünftige Vergütung insgesamt vereinbart. Die überörtlichen Träger der Sozialhilfe sitzen auf Seiten der Pflegekassen am Verhandlungstisch den Trägervertretern gegenüber. Die Zahlungsverpflichtenden Bewohner oder Angehörigen sind nicht vertreten, auch nicht durch den Bewohnerbeirat.

In der 12jährigen Diskussion zum Pflegeversicherungsgesetz zeigt ein versteckter Halbsatz die jahrzehntelange Mitbestimmungsdiskussion. In § 85 Absatz 5, zweiter Satz, letzter Halbsatz SGB XI heißt es: „es hat außerdem die schriftliche Stellungnahme der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen.“

Diese bundesgesetzliche Regelung wurde in die Ländergesetze übernommen. Die Länder haben seit der Föderalismusreform 2007 die Aufgaben den ordnungsrechtlichen Teil der Heimgesetzgebung selbst zu regeln. in Regelungen den Heimmitwirkungsgesetze und -verordnungen findet sich immer ein Bezug zu Mitwirkung nach § 85 Abs.3 Satz 2 SGB.

Nach den Ländergesetzen werden Bewohnerbeiräte in stationären Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen gebildet. Sie sind die legitimierten Interessenvertreter der Bewohner und wirken, arbeiten stellvertretend für die Bewohner. Die Gremien werden formal unter der Kontrolle der WTG-Behörden (früher Heimaufsichten) gebildet, Einrichtungen haben ein eigenes Interesse, nur so können sie neue Entgelte mit den Pflegekassen vereinbaren. Die Wahl möglicher einrichtungsfremder Gremiumsmitglieder versuchen sie zu umgehen.

Heimbeiräte in der Pflicht

Zum ersten Male, 25 Jahre nach dem Inkrafttreten des SGB XI, problematisiert das Bundessozialgericht am 26.09.2019 im Urteil B 3 P 1/18 die notwendige Unterschriftenleistung des Bewohnerbeirates zu Lasten der Bewohner.

Der Frage der Entgeltvereinbarung aus Sicht der Bewohnerbeiräte wird im DER BEWOHNERBEIRAT schwerpunktmäßig nachgegangen.

Wer kennt die gesetzliche Interessenvertretung in den Einrichtungen für 913.200 Pflegebedürftige? Die Pflegekassen allein zahlten 2019 rund 15,854 Mrd. €, geschätzte 40 Prozent des Gesamtbudget. Die Bewohnerbeiräte befinden durch ihre notwendige Unterschrift mit über 40 Mrd. €. Die Milliarden werden sich in den nächsten Jahren extrem erhöhen. Neben den notwendigen Tariferhöhungen von 10 % werden 36 Prozent mehr Pflegekräfte benötigt. In Geldwert entspricht dies mindestens weitere 8 Mrd. €, die sonstigen laufenden Erhöhungen der Hotelkosten (Unterkunft & Verpflegung, die Investitionskosten nicht zu vergessen) nicht eingerechnet. 

Heimbeiräte unbekannt und überfordert 

Die Forderungen der Träger werden in der Bundespolitik gehört und in den Ländern mitgetragen. Es herrscht der Slogan „Privat vor Staat“. Statt notwendiger Aufklärung der Bürger oder gar notwendige Unterstützung, herrscht Schweigen. Solange das Zustandekommen der Heimentgelte Insidern vorbehalten ist, ist es unmöglich, die Verhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung zu bewerten.

Heimentgelte werden weiterhin enorm steigen. Die Renten werden nicht in dem Ausmaß erhöht. Die Ersparnisse müssen insgesamt aufgebraucht werden. Pflegebetroffene und die Angehörigen, die einen begehrten Heimplatz erhalten, zahlen. Die Allgemeinheit, der Bürger in der Kommune, muss weiter ungeprüft die Differenz zahlen.

Es ist an der Zeit, sich der Pflegeproblematik vor Ort zu stellen.

Der freigewählte Seniorenbeirat in Dortmund hat die Notwendigkeit der aktiven Planung vor Ort erkannt. Das Gremium hat sich bereits mit dem niederländischen Buurtzorg-Modell auseinandergesetzt. Es verspricht 30 Prozent Kostenersparnis bei gleicher Qualität in der häuslichen Versorgung. Ein Anfang des Umdenkens in einem mehr als 100 Mrd. €  Markt.

Die Zeit drängt. Pflege kann jeden schnell selbst betreffen.

Wir wollen mit unseren Beiträgen, dem Buch und den Seminaren zum Nachdenken anregen, neue Formen aufzeigen und zur notwendigen Diskussion beitragen. Notwendige und gute Pflege kann dargestellt werden. Die Würde des Menschen darf nicht zur Phrase verkommen und dem Gewinnstreben untergeordnet werden.

Gestalten wir Betroffenen aktiv unsere lebenswerte Zukunft.

Wir wünschen allen Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest 2020 und bleiben Sie gesund.

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