Warum keine Digitalisierung in den Schulen?

Digitalisierung bedeutet im engeren Sinn, dass etwas, das analog vorliegt, in digitale Form gebracht und vermittelt wird.

3.100.000 € NRW- Landesmittel für pandemiebedingten Distanzunterricht

Gedruckte Bücher werden digitalisiert, indem sie eingescannt und im digitalen Format zur Verfügung gestellt werden. Das bildungspolitische Begriffsverständnis geht über diese Ebene hinaus. So stellte die Kultusministerkonferenz in ihrem 66seitigen  Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“, im Dezember 2016 einleitend fest, dass die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche zu einem stetigen Wandel des Alltags der Menschen führe.

In Feuilletons wurden bis zur Pandemie regelmäßig Sinn und Unsinn der Digitalisierung in den Schulen diskutiert und wenig gehandelt. Selbst wenn dabei hervorgehoben wird, dass es bei der Digitalisierung nicht nur um die Ablösung analoger Verfahren gehe, also nicht allein darum, dass digitale Medien und digitale Werkzeuge an die Stelle analoger Verfahren treten, sondern auch um die Erschließung neuer Perspektiven und die Entwicklung neuer Fragestellungen, die Kausalität scheint dabei klar, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssen vorbereitet werden, um künftigen Anforderungen der digitalen Welt zu genügen. Digitale Bildungsmedien sollen in der Schule eingesetzt werden, um individuelle Kompetenzen für ein Leben in der digitalen Welt zu fördern.

An erster Stelle sind aber der alltägliche Umgang mit digitalen Medien und Diensten sowie der Austausch mit Gleichaltrigen zu nennen. Dies verweist bereits auf eine veränderte Rolle von Bildungsinstitutionen im Prozess der Bildung hinsichtlich digitaler Medien sowohl der Schule als auch außerschulischer Bildungsorte. Für viele Fragen der Handhabung sollten Ansprechpersonen zu Verfügung stehen, oder können Online-Quellen zurate gezogen werden. Im Fall von Jugendlichen sind dies beispielsweise häufig Online-Videos. Auch im Sinne der Aktivierung der Adressat/innen im Bereich der instrumentellen Fertigkeiten besteht daher die Möglichkeit, diese Ressourcen auch in Bildungsangeboten einzubinden. Dies ist nicht zuletzt deshalb sinnvoll, da so auch die bereits erworbenen Kenntnisse der jungen Menschen sichtbar werden und Anerkennung finden können. Offenkundig kann aber nicht vorausgesetzt werden, dass sich junge Menschen ohne entsprechende Anregungen in Bildungsangeboten mit all den beschriebenen Dimensionen von Medienkompetenz auseinandersetzen. Beim Umgang mit entsprechenden Angeboten und im Austausch mit Gleichaltrigen werden in dabei stattfindenden informellen Aneignungsprozessen insbesondere instrumentelle Fertigkeiten und analytische Kenntnisse zu Formaten und Inszenierungsformen erworben.

Schüler oft medienkompetenter als Lehrer

In den Schulen sollten Angebote bereitgestellt werden, entsprechend der Strategie Bildung in der digitalen Welt. Sowohl in Ganztagsangeboten als auch eingebunden in den Unterricht sollten Fachkräfte aus außerschulischen Einrichtungen die Begleitung und Unterstützung von Schüler/innen in der  Medienbildung übernehmen. Im bildungspolitischen Fokus steht derzeit aber der Lernort Schule. Investitionsoffensiven wie der Digitalpakt sollten dort notwendige Entwicklungen ermöglichen. Wenngleich die technische Ausstattung dabei im öffentlichen Fokus steht, ist im Fachdiskurs klar, dass die pädagogischen Konzepte zum Einsatz der Technik eigentlich entscheidend sind. Und obwohl in den vergangenen Jahren an immer mehr Schulen Medienkonzepte entwickelt wurden, zeigt sich noch immer Entwicklungsbedarf hinsichtlich der pädagogischen Unterstützung von Lehrkräften. So gaben im Länderindikator 2018 beispielsweise nur 43,7 Prozent bundesweit befragter Lehrkräfte an, dass sie genügend pädagogische Unterstützung erhielten. Entweder können wir auf die Digitalisierung, einen Kompetenzbedarf und einen digitalen Rückstand reagieren, oder aber mit lebensdienlicher Technik, dekolonialem Design und postdigitalen Praktiken Schule neu gestalten. Wer reagiert, hat eingeschränkte Möglichkeiten und kann nicht viel mehr tun, als didaktische Konzepte zu finden, mit denen man besser unterrichten beziehungsweise mit denen man Kompetenzen für den Umgang mit digitalen Medien besser fördern kann.

Fazit: Die politische und öffentliche Kontroverse über den Digitalpakt lässt sich nur umfassend würdigen, wenn sie in den vorstehend skizzierten Kontext gestellt wird. Denn mit Finanzprogrammen wie dem Digitalpakt werden neben konkreten investitionspolitischen Zwecksetzungen immer auch finanzföderale Ausgleichs und Kompensationsziele verfolgt. Die Finanzkraft zwischen Ländern und Kommunen einerseits und das Finanzvolumen des Digitalpakts andererseits offenbaren dabei bereits eine grundlegende Diskrepanz. Viele Kommunen fehlen seit Langem die Ressourcen für notwendige Schulsanierungen und Erweiterungen. Ein fünf Milliarden Euro umfassendes Investitionsprogramm über fünf Jahre für eine Technologie mit extrem kurzen Innovationszyklen hohen Folgekosten und komplexen technischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen kann daher letztlich immer nur eine Anschubfinanzierung bleiben. Ausgehend von den rund 40 000 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland bleiben für jede Schule nur rund 137 000 Euro. Die Zuweisung der Mittel erfolgt dabei allerdings nicht gleichmäßig auf alle Schulen. Während die Verteilung der Gesamtsumme auf die Länder nach dem Königsteiner Schlüssel berechnet wurde, der sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl richtet, erfolgt die Weiterleitung an die jeweiligen Kommunen und Schulträger in einem wettbewerblichen Antragsverfahren. Hierzu müssen zunächst Länderprogramme mit Kriterien und Verfahren zur Bewertung und Begutachtung von Anträgen der Schulträger aufgesetzt werden (§5 Abs. 1 VV).

Sparen an der Bildung bedeutet Armut

Dabei sollen die Mittel aus dem Digitalpakt nur für die digitale Infrastruktur und Vernetzung in den Schulen selbst Verwendung finden. Eine mögliche Breitbandanbindung der Schulstandorte an das Glasfasernetz soll demgegenüber weiterhin aus Mitteln des Breitbandausbauprogramms des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur erfolgen. Dieses läuft seit 2017 und ist mit vier Milliarden Euro ausgestattet. Bereits diese Doppelstruktur begründet einen administrativen Mehraufwand für Kommunen und Schulträger, zumal die Förderung auf Basis unterschiedlicher Rechtsgrundlagen und Zuweisungsformen erfolgt. Ein grundsätzliches Dilemma besteht dabei nicht nur in den verteilten Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Fachministerien und den föderalen Ebenen. Vielmehr fehlt dem Bund eine verlässliche Übersicht über die detaillierten Bedarfe von Ländern und Kommunen, sodass er letztlich nur Programmpauschalen zur Verfügung stellen kann. Für das kostenintensive Personal, das erforderlich ist, müssen Länder und Kommunen aufkommen, die in ihrer Haushaltswirtschaft nicht zuletzt im Vorgriff auf die ab 2020 vollständig wirksam werdende Schuldenbremse deutlich eingeschränkter sind und in den vergangenen Jahren eher vorsichtig bei Personaleinstellungen agieren mussten.

Die Pandemie zwingt zum Umdenken und Handeln.

Die Folgen erweisen sich inzwischen gleich in mehrfacher Hinsicht als problematisch: Da die Schülerzahlen seit einigen Jahren nicht nur in Großstädten, sondern selbst in Mittelstädten wieder merklich steigt und die demografisch bedingten Rückgänge beim Lehrpersonal höher sind als die Neueinstellungen, wächst der Bedarf an Lehrkräften. Vor allem für die naturwissenschaftlich technischen Schulfächer fehlt es an qualifiziertem Fachpersonal, ein Umstand der für digitale Fächer besonders problematisch ist, da die professionelle Vermittlung hier eigentlich von einer entsprechenden von IT-Techniker und Personen mit rechtlichem Sachverstand in erheblichem Maße benötigt werden. Leider haben wir ein Schulsystem aus dem 19. Jahrhundert!

Wenn es Geld gibt, wird gehandelt

Dazu passt die Tagespresse vom 7.12.20: Schul-Laptops ab Mitte Dezember. Rund 6.000 mobile Endgeräte kann die Stadt Oberhausen anschaffen. 3.200 könnten bald in den Schulen mit 4.100 Schülern ankommen. Angeschafft werden übrigens IPad der Firma Apple. Wann kommen die Geräte wirklich in den Schulen an?

Siehe auch unsere bisherigen Beiträge auch Digitalisierung kein Problem?

Wir wünschen allen Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest 2020 und bleiben Sie gesund.

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1 Gedanke zu „Warum keine Digitalisierung in den Schulen?“

  1. Oma und Opa können mitmachen. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts des Forum Seniorenarbeit NRW, zahlreicher engagierter Älterer und Akteure aus der Seniorenarbeit entstand im Herbst 2020 der Methodenkoffer „Zugänge älterer Menschen in die digitale Welt gestalten“. Auf der Eigangseite unten rechts finden Sie den Zugang zum Methodenkoffer durch drücken des Bildes. Zum Video

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