Digitalstrategie der Bundesregierung

Digitalisierte Gesundheit – Streitfage

Das Bundeskabinett der Ampelkoalition beschäftigt sich am 31. August 2022 mit dem nun 50 seitigen Entwurf zur Digitalstrategie. Dies ist nichts Neues, nur ein neuer Anlauf mit Erkenntnissen aus den zwei Jahren Corona. Damit vor Ende der Legislatur eine Einschätzung über die Akzeptanz und Umsetzung gegeben werden kann, das Wesentliche aus unserer Sicht. Kopien aus der aktuellen Vorlage, Hervorhebungen durch uns.

 

Zielbild

(3.) Die Digitalisierung in den Bereichen Bildung, Kinder- und Jugendhilfe, Arbeit, Gesundheit, Pflege, Mobilität, Nahversorgung, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt führt zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in urbanen und ländlichen Räumen und trägt somit zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei.

Handlungsfelder

  • 1. Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft
    Digitale Infrastrukturen
    Bildung in allen Lebensphasen
    Gesundheit und Pflege
    Mobilität
    Bau, Smart Cities und Smart Regions
    Digitale Zivilgesellschaft
    Kultur und Medien
    Teilhabe, Gleichstellung und digitale Barrierefreiheit
  • 2. Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung
  • 3. Lernender, digitaler Staat

Gesundheit und Pflege

Die Möglichkeiten der Digitalisierung wollen wir für die Gesundheit der Menschen ethisch verantwortlich nutzen und dazu beitragen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle bei Digital Health einnimmt. Davon sollen Versicherte unabhängig von den individuellen Voraussetzungen umfassend profitieren. Die Digitalisierung soll damit auch einen Beitrag zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten leisten. Wir treiben durch konsequente Digitalisierung die Modernisierung und Vernetzung des Gesundheitswesens voran. Damit verbessern wir die Versorgung von Patientinnen und Patienten und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und Gesundheitsberufe. Außerdem heben wir dadurch Effizienzpotential für eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens. Ein resilientes Gesundheitssystem baut auch auf einer starken Gesundheitsforschung auf. Die digitale Vernetzung zum raschen Austausch von Erkenntnissen und Innovationen zwischen lebens- und gesundheitswissenschaftlicher Forschung und Versorgung ist gemeinsame Voraussetzung für eine international wettbewerbsfähige Forschung und für ein exzellentes Gesundheitssystem.

Wir werden im Jahr 2022 einen partizipativen Strategieprozess zur Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen und in der Pflege starten. Dabei werden wir besonderen Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer legen. So werden wir im Dialog mit allen relevanten Akteuren die gemeinsame Vision einer Versorgung der Zukunft formulieren.

Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) werden wir die bislang an verschiedenen Stellen (z. B. Praxen und Krankenhäuser und Öffentlicher Gesundheitsdienst) existierenden bzw. entstehenden Patientendaten digital integrieren. Damit Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringer schnellstmöglich von den besonderen Potenzialen der ePA profitieren können, werden wir die Bereitstellung und Nutzung der ePA erleichtern. Hierdurch wird deren Nutzen und die Nutzung in der Breite der Bevölkerung weiter gesteigert.

Durch die Möglichkeit der freiwilligen Datenfreigabe im Rahmen der ePA wird ab 2023 auch die Forschung und damit die gesamte Gesellschaft im Sinne einer verbesserten Gesundheitsversorgung von der Nutzung der Daten profitieren können.

Elektronische Patientenakte – Herzstück digital vernetzter Gesundheitsversorgung

Seit ihrer Diabetesdiagnose vor 18 Jahren war Elif in mehreren Arztpraxen und Kliniken in Behandlung. Lange Zeit war es nicht einfach, bei den vielen Befunden, Arztbriefen und Laborergebnissen den Überblick zu behalten.

Inzwischen verfügt Elif jedoch über eine elektronische Patientenakte (ePA). In dieser sind alle ihre Erkrankung betreffenden Informationen – auch die Daten aus ihrer Diabetes-App – übersichtlich gebündelt und über eine Suchfunktion schnell auffindbar.

Die täglichen Blutzuckerwerte werden automatisch in der ePA hinterlegt und mit ihrer Einwilligung an ihren Hausarzt übermittelt. Mit diesem tauscht sich Elif regelmäßig per Videosprechstunde oder Messenger über den Therapieverlauf aus. Die wichtigsten Daten zum Therapieverlauf werden nach Absprache in der ePA dokumentiert.

Diese Daten nutzt auch der ambulante Pflegedienst, der seit einem halben Jahr Elifs Wunde am Fuß versorgt. Diese verheilt schlecht und bedarf einer spezialisierten Wundversorgung in Abstimmung zwischen Arzt und Pflegenden. Über die ePA haben alle Beteiligten Zugriff auf das jeweils aktuellste Wundprotokoll. Das nötige Material wird über elektronische Verordnungen direkt bei der Apotheke oder im Sanitätshaus bestellt.

Als sich Elif einmal zu viel Insulin injiziert, muss der Rettungsdienst gerufen werden. Glücklicherweise hat Elif ihren Neffen als zugriffsberechtigten Vertreter bevollmächtigt, so dass dieser die in der ePA gespeicherten wesentlichen Gesundheitsdaten sowie ihren Medikationsplan der Notärztin für eine schnelle und zielgerichtete Erstversorgung bereitstellen kann. Das Krankenhaus wird bereits vor der Einlieferung über ihren Zustand informiert.

Zur Entlassung werden alle Unterlagen in digitaler Form an die passenden Stellen versandt: Elifs Hausarzt erhält den Entlassbrief, der Pflegedienst den Pflegeüberleitungsbogen. Zudem kann sie ihr Entlassrezept komfortabel einer Apotheke ihrer Wahl zuweisen.

Elif möchte, dass anderen Menschen durch ihre Krankengeschichte geholfen werden kann. Deshalb gibt sie ihre Daten aus der ePA für die Forschung frei. Mit ihrer Unterstützung arbeiten nun Forschende an neuen Therapieansätzen für Diabetikerinnen und Diabetiker.

Das erzählt Elif in ihrer Selbsthilfegruppe. Durch den regelmäßigen Austausch erfährt Elif Neuigkeiten und kann auch selbst Tipps geben. Jasmin, die durch ihre Diabeteserkrankung erblindet ist, ist skeptisch, ob sie die ePA nutzen kann. Gemeinsam probieren sie es aus. Durch die barrierefreie Gestaltung der App findet sich Jasmin gut zurecht. Befunde und Therapieempfehlungen kann sie sich vorlesen lassen. Das erleichtert ihren Alltag und Jasmin behält selbst den Überblick über ihre Daten.

  • Wir werden das E-Rezept als Ersatz des bisherigen Papierrezepts als Pflichtanwendung für die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel zunächst in der gesetzlichen Krankenversicherung schrittweise einführen.  – Was sagen die Hausärzte und Apotheker?
  • Wir werden die gematik als digitale Gesundheitsagentur für die zentrale Plattform für digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen (Telematikinfrastruktur) zukunftsfest aufstellen.
  • Wir stärken die Vernetzung der Gesundheitsämter über alle Ebenen hinweg und bauen die Interoperabilität im Gesundheitswesen weiter aus.  – Ziffer 4.3 –
  • Zum besseren Schutz vor Infektionskrankheiten bauen wir das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) zur Nutzung in Gesundheitseinrichtungen und im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) sukzessive weiter aus.
  • In der Pflegeversorgung schaffen wir die Grundlagen für eine vollelektronische Abrechnung im ambulanten Bereich und treiben die Erprobung von Telepflege voran.
  • Wir unterstützen die Pflegeeinrichtungen mit dem Förderprogramm zur Anschaffung von digitalen und technischen Lösungen zur Entlastung der Pflegekräfte.
  • Wir schaffen die Grundlagen für ein Recht der Patientinnen und Patienten auf Interoperabilität und Datensouveränität zur nachhaltigen Verbesserung der Versorgung. Der barrierefreie Zugang zu den Daten wird gewährleistet.
  • Wir fördern die intelligente, verantwortungsvolle und standortübergreifende Nutzung digitalisierter Gesundheitsdaten, um Patientenversorgung und Forschung bedeutend zu verbessern und setzen uns dafür ein, die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Nutzung von Gesundheitsdaten forschungskompatibel weiterzuentwickeln. Dabei bauen wir auf den Erfahrungen des Netzwerks Universitätsmedizin und der Medizininformatik-Initiative auf. – Ziffer 4.3 –

Wir gestalten den Europäischen Gesundheitsdatenraum und bauen ein interoperables Gesundheitsdatenökosystem mit einer dezentralen Forschungsdateninfrastruktur auf. So können die benötigten Gesundheitsdaten z. B. für die Weiterentwicklung der Versorgung und für die Forschung verfügbar und verknüpfbar werden.

Wir (die Ampelkoalition) wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • mindestens 80% der GKV-Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen und das E-Rezept als Standard in der Arzneimittelversorgung etabliert ist (Papierrezept „Muster 16“ lediglich als Rückfalloption).
  • das Gesundheitswesen die Potenziale der Digitalisierung besser ausschöpft und dadurch alle Menschen insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen, umfassend durch eine bessere Versorgung profitieren.
  • sich die Datenverfügbarkeit bei der Gesundheitsversorgung verbessert hat und eine verbesserte Datengrundlage für die Forschung, zur Qualitätssicherung und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht.
  • die Freigabe von ePA-Daten zu konkreten Mehrwerten für Ärztinnen und Ärzte, Patientinnen und Patienten sowie für die Wissenschaft geführt hat.
  • das Pflegewesen durch die Digitalisierung und Robotik eine spürbare Unterstützung und Entlastung erfährt, die Patientinnen und Patienten aber auch deren Angehörigen und den Pflegekräften zugutekommt.
  • wir zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der EU einen „Datenraum Gesundheit“ aufbauen, der europäischen Sicherheitsstandards gerecht wird und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und -forschung erleichtert.Die Strukturen und Prozesse im Gesundheitswesen müssen konsequent neu gedacht werden, und zwar aus der Patientenperspektive. Wie muss ein Behandlungsprozess gestaltet sein, um ein bestmögliches Behandlungsergebnis zu erreichen? Wer muss daran beteiligt sein und wer nicht? Dort wo es möglich ist, sollten Prozesse standardisiert und automatisiert werden, um Freiraum für die komplexen Fälle zu schaffen, die die volle Aufmerksamkeit der Behandler benötigen. Und nicht zuletzt müssen auch Beschäftigte als wichtige Anspruchsgruppe bei Prozessentwicklung berücksichtigt und in die Planungen eingebunden werden.

Wir brauchen einen Neustart des Gesundheitswesens

Nicht die Digitalisierung selbst ist die große Marktveränderung im Gesundheitswesen, sondern die durch die Digitalisierung erst möglich gewordene digitale Transformation.

Kluge Prozesse sind gefordert

Die Strukturen und Prozesse im Gesundheitswesen müssen konsequent neu gedacht werden, und zwar aus

  • der Kunden-, Patienten-, Bewohnerperspektive.
  • Beschäftigte müssen als wichtige Anspruchsgruppe bei Prozessentwicklung berücksichtigt und in die Planungen eingebunden werden.
  • Es darf keine Schranken im Denken geben. Alte Zöpfe müssen abgeschnitten werden, wenn dies sinnvoll ist.

Wir bleiben am Ball und werden uns intensiver mit der Materie „Digitalisierte Gesundheit – Fluch oder Segen?“ auseinandersetzen.

Literaturhinweis

Franz Bartmann contra Andreas Meißner „Digitalisierte Gesundheit“ erscheint am 12.09.2022 im Westendverlag. Wir werden den kleinen Band demnächst zeitnah besprechen.

***********************

Diskutieren Sie mit nutzen Sie die demokratischen Rechte;  nur bei der entsprechenden Akzeptanz kann das Projekt aus 2005 nach 20 Jahren umgesetzt werden.

Bitte beachten Sie die nebenstehenden Veranstaltungen, sie könnten interessant sein. Lernen Sie Gleichgesinnte kennen.

Die zweite verbesserter Auflage „Der Bewohnerbeirat“ ist erschienen. Zur Unterstützung  auch der An- und Zugehörigen von Heimbewohnern, Seniorenbeiräte, Betreuer. Nur wenn wir uns aktiv einbringen wird sich etwas in unserem Sinne ändern. Nutzen Sie Ihren Ärger positiv.

Abonieren Sie unseren kostenlosen Newsletter, diskutieren Sie mit. Ihre Anregungen und Kritik nehmen wir gerne auf.

Ergänzen Sie den Beitrag mit einem Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .