Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG)

Der Folgebeitrag

Die positive Überschrift des Gesetzesvorschlags, vom 5.4.23, lenkt von der 6,6 Mrd. € Belastung der Arbeitnehmer ab. Die Tagespresse berichtet von der ersten Lesung am 26.4.23. Unsere Einschätzung könnte Ihnen Hintergrundinformationen bringen.

Wer soll unterstützt, wer soll entlastet werden?

Eckpunkte des Regierungsentwurfes: Anhebung der Beitragssätze; Erhöhung des Pflegegelds, der ambulanten Sachleistungsbeträge und der Leistungszuschläge zur stationären Pflege; zukünftige Anpassungen an die Preisentwicklung. Die Regierung kommt (nur) der Gerichtsauflage nach. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 zu den Aktenzeichen 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16 und 1 BvR 2824/17 nach gerechter Belastung in der Finanzierung durch die Versicherten soll umgesetzt werden, nicht aus Einsicht der Notwendigkeit einer gerechten Pflege der Bedürftigen, einer überfälligen Reform seit 16 Jahren. Die Niederlande lassen grüßen. Vergleichen Sie!

Wesentliche Inhalte:

  • Anhebung des Beitragssatzes um 0,35 %.
  • Der Zusatzbeitrag für Kinderlose wird von 0,35 auf 0,6 Prozentpunkte angehoben. Gleichzeitig werden die Beiträge bei mehr als 2 Kindern um jeweils 0,15 pro Kind bis zum fünften Kind reduziert. Ab dem fünften Kind bleibt die Beitragssatzentlastung bei 0,6 Prozentpunkten.

Dadurch sollen der SozialenPflegeVersicherung (SPV) in 2023 Mehreinnahmen von 3,15 Milliarden Euro sowie ab 2024 pro Jahr 6,6 Milliarden Euro mehr zufließen. Wer kann sich vorstellen, dies sind über 66 Mrd.€ im Jahr allein für die Pflege, bei fehlenden Pflegekräften.

  • Das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungsbeträge sollen zum 01.01.2024 um 5% auf der Basis von 2017 erhöht, betrifft über 87 % der Pflegebedürftigen in der Häuslichkeit, Ende 2021 über 4,2 Mio.
  • Die Leistungszuschläge zur stationären Pflege werden weiter jährlich um weitere 5% – 10% erhöht.
  • Die Leistungsbeträge zur Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege sollen zu einem Gemeinsamen Jahresbeitrag zusammengelegt werden.
  • Ausweitung des Pflegeunterstützungsgeld für bis zu 10 Kalendertage pro Jahr, analog den Kinderpflegezeiten.
  • Die Sach- und Geldleistungen sollen zum 01.01.2025 und zum 01.01.2028 an die Preisentwicklung angepasst werden.
  • Die Förderung von guten Arbeitsbedingungen in der Pflege soll ausgebaut werden und die Förderung seit 2019 bis mit 100 Mio.€ bis 2030 beibehalten werden. Die 100 Mio.€ für die Digitalisierung seit 2019 sollen auslaufen.

Einsparpotenziale:

Die Anforderungen nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des SGB V an die technischen Verfahren und deren Umsetzung zur Videosprechstunde sind einzuhalten.

Pflegeberatung (die Videopflegeberatung) sind dezentral organisiert. § 7a Absatz 2 geltende Fassung sind Satz 4 und 5 zu streichen. Die Neuregelung zur Einhaltung der DSGVO wird abgelehnt.

Pflegeeinrichtungen erhalten, bei rückgängigen Angeboten, zusätzlich jährlich seit 2019

  • 100 Millionen Euro zur Rückgewinnung von Pflege- und Betreuungspersonal bis 2030
  • 100 Millionen Euro zur Anschaffung von digitaler und technischer Ausrüstung bis 2023 max. 12.000 € je Einrichtung. 
  • Die Sonderleistungen für Corona und Energie nach §§ 150 ff SGB XI nicht zu vergessen.

Kommunen sollen weitere 50 Millionen Euro je Kalenderjahr von 2024 bis 2028  erhalten, damit insgesamt 200 Mio. €. auf der Grundlage der §§ 123 und 124 SGB XI –  Für gemeinsame Modellvorhaben für Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen vor Ort und im Quartier, Verordnungsermächtigung; Wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der gemeinsamen Modellvorhaben für Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen vor Ort und im Quartier. Die Unterstützung nach § 123 SGB XI gibt es bereits seit Dez. 2022.

GKV-Spitzenverband erhält für ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege  10 Mio. €

Pflegegeld in der Häuslichkeit (§ 37 SGB XI)

Die Leistungsbeträge der Geldleistung sollen für die Pflegegrade um jeweils 5 Prozent zum 01.01.2024 erhöht. Verbände fordern ( 15% ). Allein die BAG-Selbsthilfe fordert 18%.

Pflegegrad 2 von 316 auf    332 €   ( 364 €)

Pflegegrad 3 von 545 auf    573 €   ( 627 €)

Pflegegrad 4 von 728 auf    765 €   ( 840 €)

Pflegegrad 5 von 901 auf    947 €    (1.036 €)

Seit 2017 erhöhte sich die Preisentwicklung um ungefähr 2 % pro Jahr. Im Zeitraum 2017-2022 stiegen Bruttolöhne und Gehälter um 19,6 %. Eine Anpassung um 18 % zum 1.1.2024 wäre das Mindeste. Die offizielle Inflation von 2018-2022 betrug bereits 13,7%.´und in 2023 werden 5,2 % erwartet. Die Pflegemindestlöhne stiegen im gleichen Zeitraum im Westen um 38,7% im Osten um 47,61%. Die Arbeit der pflegenden Angehörigen wird durch den fehlenden Inflationsausgleich weiter abgewertet.

Entlastungsbetrag (§ 45b SGB XI) von 125 € monatlich anheben, unter bundeseinheitlicher Voraussetzung.

Lediglich die BIVA forderte: „Angesichts der Probleme, die mit der demografischen Entwicklung auf unser Land zukommen, kann es nicht die Lösung sein, Betroffene noch stärker zu belasten als ohnehin. Pflege ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und muss auch als solches behandelt und finanziert werden. Eine weitere „Pflegereform light“ kann höchstens einen gewissen Aufschub bieten, aber keine Probleme grundlegend lösen.“

Erinnern wir uns

Die Pflegeversicherung wurde 1995 eingeführt zur Entlastung der Sozialhilfe. Arbeitnehmer wurden deshalb zur Kasse gebeten. Die Pflegekassen sind, nach § 12 SGB XI in Verbindung mit § 69 SGB XI für die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten verantwortlich. Sie bedienen sich der privaten und freien Träger. Die Wirtschaftlichkeit der Leistung wird nicht von den Anbietern, nein von den Abnehmern, den Pflegebedürftigen (§ 29 SGB XI) verlangt. Die Einrichtungsträger erhalten nach § 82 SGB IX eine leistungsgerechte Bezahlung, mit Gewinnzuschlag. Die Linke fordert als einzige Partei, dass die Bemessungsgrundlage für die Pflegeversicherung entfallen muss und alle in eine gesetzliche Versicherung einzahlen. Die private zusätzliche Absicherung durch eine Versicherung können sich nur Privilegierte leisten, wie z.B. Abgeordnete und Beamte. Die Belastung würde für alle Versicherten fallen. Dies ist ein notwendiger Akt der vielbeschworenen Solidarität. Vielleicht interessieren sich dann auch wieder mehr Bürger und vertrauen den gewählten Vertretern der Parteien. Die Gesundheit und Pflege geht uns alle an und muss der Klientelpolitik entzogen werden. Die Privatinvestoren und Wohlfahrtsverbände handeln gewinnorientiert.

Wie kann es zu den bundesweiten Insolvenzen kommen?

2019 wurden 725.719 Pflegebedürftige stationär versorgt, 2021 noch 702.059 bei gestiegener Anerkennung von Pflege. Über das Vermögen von 58 Gesellschaften mit über 100 Einrichtungen der Convivo-Gruppe wurde im März vor dem Amtsgericht Bremen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Newcare Holding Essen, gegründet 2019 mit 25.000 € Stammkapital, sichert sich Convivo Standorte in Bremen, Niedersachsen und NRW. Weitere Zukäufe von kleineren bis mittelgroßen Gruppen sind geplant. Das Karussell dreht sich, es liegt nicht am Geld.

Wir brauchen keine weiteren Modellvorhaben, keine weiteren Unterstützungsmaßnahmen. 

Wir brauchen eine schnelle Richtungsentscheidung

  • freier Marktwirtschaft: Abschaffung des Sachleistungsprinzips, keine Subvention der Träger, eine WTG-Aufsicht mit entsprechender personellen und materiellen Ausstattung zur ordnungsrechtlichen Umsetzung. Einheitliches Pflegegeld je nach Pflegegrad. 
  • staatliche Daseinsvorsorge: Umsetzung nach niederländischem Quartiers-Prinzip der Bezugspflege. Weitergehend das dänische Modell.

Die Zeit drängt. Ein weiteres Abwarten bis zur nächsten Legislatur verschlimmert die Lage. Die Träger handeln bundesweit und suchen sich die entsprechenden Rosinen je nach Bundesland. Soll die Pflegeversicherung das Kapital oder die Versicherten schützen?

Die Bundestagsabgeordneten sind in der Pflicht!

Nicht die Regierung macht das Pflegegesetz, sondern der Bundestag. Die Forderungen der CDU/CSU jetzt in der Opposition, könnte die Regierungskoalition befruchten, wenn sie es Ernst meinten. Ist der Sozialflügel in der CDU noch so stark wie unter Norbert Blüm? Herr NRW-Sozialminister Laumann und Vorgänger im Amt als Pflegebeauftragter, stärken wir alle die aktuelle Pflegebeauftragte Frau Moll, die sich aktiv für die pflegenden Angehörige einsetzt. 

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Mit diesem Beitrag hoffen wir grundlegende Informationen zum Verständnis und einer notwendigen Diskussion geliefert zu haben. Sich ärgern bringt keine Änderung. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Missstände müssen benannt und aufgedeckt werden. Verbraucherschutz fällt nicht vom Himmel, wir müssen aktiv werden.

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1 Gedanke zu „Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG)“

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