GELD IST GENUG IM SYSTEM

Seit Jahrzehnten vergrößert sich die Not im Pflegebereich

Fortsetzung wie in „Pflegeversicherung verfassungswidrig“ angekündigt

Mehr und mehr Menschen im alternden Deutschland benötigen Pflege. Angesichts immer höherer Zuzahlungen aus eigener Tasche für Pflegebedürftige und ihrer Familien war eine grundlegende Reform der Pflegefinanzierung kein zentrales soziales Thema bei der Bundestagswahl, es sollten zumindest im Koalitionsvertrag die Weichen  gestellt werden; ein weiteres Aussitzen vergrößert die Misere jährlich um 8%.

Selbst zu zahlende Anteile für Heimbewohner steigen seit Jahren und die Lage verschlimmert sich seit 2010 und gravierend durch das eingeführte Einheitliche-Einrichtungs-Entgelt (EEE) zu Gunsten der Einrichtungen. Die Nettoheimentgelte liegen im Bundesdurchschnitt bei 2.125 Euro pro Monat. Das sind 57 Euro mehr als zu Jahresbeginn und 110 Euro mehr als Mitte 2020, wie Daten des Verbands der Ersatzkassen mit Stand 1. Juli 2021 zeigen.

Oft werden die Heimentgelte auf der Einrichtungshomepage nicht veröffentlicht. Die Darstellungen auf den Pflegekassenseiten sind nicht einheitlich und vermeiden eine differenzierte Darstellung. Wer kann die Forderungen der Pflegeeinrichtungen verstehen. Der Verdacht kommt auf, es soll ein Buch mit sieben Siegeln bleiben; so kann die Not besser an die Wand gemalt werden und Gewinne können weiter erwirtschaftet werden. Zur Klarstellung: Rücklagen zum Erhalt der Einrichtungen sind notwendig. Gewinne werden auf Dauer entnommen, die Bilanz der Einrichtung verkürzt.

Preis und Leistung

Pflegebedingter Preis, Unterkunft und Verpflegung, Investition, Eigenanteil gesamt (aok-Pflegenavigator) oder es wird eine Summe des Anteils des Versicherten ohne Investitionsanteil genannt (pflegelotse). Im über zwanzigseitigen Heimvertrag bleibt die Leistungsbeschreibung wage. Es wird auf die Rahmenvereinbarungen nach § 75 SGB XI hingewiesen.

So heißt es: „Der Träger der Einrichtung überlässt dem Bewohner einen Wohn- und Betreuungsplatz und gewährt ihm Betreuung einschließlich Unterkunft und Verpflegung.“

Transparenz sieht anders aus.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steuerte mit einer Reform schon dagegen. Ab 1. Januar 2022 kommt ein neuer Zuschlag. Der Eigenanteil für die reine Pflege (EEE) soll damit im ersten Jahr im Heim um 5 Prozent sinken, im zweiten um 25 Prozent, im dritten um 45 Prozent, ab dem vierten Jahr um 70 Prozent.

Es werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Die Pflegeversicherung (SGB XI) war immer als Teilkostenversicherung angelegt. Es wurde die Sozialhilfe entlastet und die Öffnung des Marktes folgte dem Ruf „Privat vor Staat“. Die Politiker schoben Ihre Verantwortung auf die neu gegründeten Pflegekassen ab. Als Feigenblatt für den Minister Blüm blieb die Mitwirkung in § 85 Abs.3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB XI übrig. Nur mit dem Nachweis der notwendigen Unterschrift der gewählten Interessenvertreter der Bewohner kann die Pflegekasse eine Vereinbarung abschließen. Ob das Gremium einen rechtsgültigen Beschluss gefasst hat, wird nicht geprüft.

  •  Insgesamt wurden im Jahre 2020 durch die Sozialversicherten 50,2 Milliarden €uro eingezahlt. 
  • Dagegen stehen im Jahr 2020 direkte Ausgaben in Höhe von
    • 16,5 Milliarden Euro wurden für 703.334 Bewohner in  15.380 stationäre Einrichtungen mit 796.489 Beschäftigten ausgegeben. Im Jahre 2020 wurden gegenüber dem Vorjahr 3 Prozent weniger in stationären Einrichtungen gepflegt.
    • 29 Milliarden € = 63,47 %  im ambulanten Bereich für 3.478.535 = 83,18 % Pflegebedürftige. 

Die Pflegegrade (§§ 14f SGB XI) werden in der Häuslichkeit und in den stationären Einrichtungen nach den gleichen Kriterien durch den Medizinischen Dienst erhoben. Gegenüber 2019 wurden in 2020 8,1 % mehr Pflegebedürftige anerkannt. Die Steigerung von 2018 zu 2019 betrug ebenfalls 8,3%. Die jährliche Steigerung wird durch die Baby-Boomer auf über 10 Prozent ansteigen. Für den Bürger wird immer weniger nachvollziehbar, dass die erforderlichen Hilfestellungen in der Häuslichkeit weiter einen anderen Stellenwert als in stationären Einrichtungen erhalten.

Werden die Jahreseinnahmen von  50.000.000.000 € durch die 4.570.000 anerkannt Pflegebedürftige geteilt, erhält jeder Pflegebedürftige im Jahr 10.941 € oder monatlich 911,74 €. Diese Durchschnittsbetrachtung zeigt nicht die Auswirkung für die Grundpflege in der Häuslichkeit und in der stationären Einrichtung bei einer Neuverteilung je Pflegegrad. Wird das derzeitige Verhältnis der Zahlungen auch als Verteilungsgrundlage für eine Neuberechnung angenommen.

Neuaufteilung:

Pflegegrad

2020

Neu

stationär

1

125,00 €

    217,91 €

    125,00 €

2

316,00 €

    550,88 €

    689,00 €

3

545,00 €

    950,09 €

1.298,00 €

4

728,00 €

1.269,11 €

1.612,00 €

5

901,00 €

1.570,70 €

1.995,00 €

Die Neuberechnung nach gegeben Verhältnissen zeigt die Auswirkung, wenn allein der Pflegebedürftige einen Geldleistungsanspruch erhält und zugelassene Träger ihre Leistung mit entsprechender Beschreibung transparent auf dem Markt anbieten müssen.

Die notwendige Krankenpflege nach SGB V kann allein durch examinierte Pflegekräfte ausgeführt werden und ist auch in stationären Einrichtungen nach SGB V gesondert abzurechnen.  Dies kommt auch dem Trend der Rundumversorgung im Bereich der Träger als Marktteilnehmer entgegen. So ergibt sich auch eine klare Schnittstelle zwischen Grund- und Behandlungspflege.

Die Pflegeausbildung wird systemfremd derzeit durch eine Umlage der Pflegebedürftigen bezahlt. Es ist eine Aufgabe der Arbeitgeber für die notwendigen Voraussetzungen zu sorgen, solange an der Dualen Ausbildung festgehalten wird. Wird eine qualifizierte examinierte Ausbildung angestrebt, so kann dies nur durch eine entsprechende Fachhochschulausbildung erfolgen. Die Kräfte werden in der Altenhilfe, wie im Krankenhaus eingesetzt, bei einem derzeitigen Gehaltsgefälle von monatlich 500 €. Allein dieser Unterschied ist eine Erklärung der „Not“ examinierter Pflegekräfte in der Altenhilfe.

Die Ausbildung für die Grundpflege nach SGB XI ist nach einem bundesweit anerkannten Rahmen durch die Länder neu zu gestalten, dies im Einklang mit der Einstufung nach den Pflegegraden.

Der Aufschrei der Träger von stationären Pflegeeinrichtungen ist erwartbar. Werden endlich harte Daten nach der Pflegebuchführungsverordnung abgefragt, wird sich der Sturm schnell legen. Wer öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, hat sich einer Kostenkontrolle, die den Namen verdient, zu unterwerfen. Die derzeitige Quersubventionierung im stationären Bereich wird verhindert, wenn nur Grundpflegeleistungen je nach Pflegegrad durch SGB XI Geldleistungen abgedeckt werden.

Die Pflegekassen werden von Einzelverhandlungen mit den Einrichtungsträgern entbunden. Ihre Aufgabe ist es die gesetzliche Beitragsstabilität nach § 70 SGB XI sicherzustellen.

Die Einrichtungsträger werden gefordert, die Bilderflut der Verschleierung aufzugeben und die Qualität der Einrichtung offen dem Bürger darzulegen. Die Rückkehr zur Solidarität und Mitwirkung von Trägern, Bewohnern und Mitarbeitern ist angesagt.

Die Bewährungsprobe für die Einrichtungsträger sind die Entgeltverhandlungen und die vorherige Mitwirkung der gewählten Bewohnervertretungen nach § 85 Abs. 3 SGB XI.

Wir brauchen eine breite Diskussion, die „Pflege als notwendige Daseinsvorsorge“.

Die AOK fordert von der neuen Regierung, das Thema Doppelfinanzierung bei der Pflege im Krankenhaus möglichst schnell anzugehen. Die Kassen müssen die Pflegebudgets der Kliniken eins zu eins finanzieren. Im Gegenzug sollten die Pflegekostenanteile aus den Fallpauschalen herausgerechnet werden. Ähnliches gilt für die Pflegeeinrichtungen.

Der Wettbewerb von Krankenhäusern untereinander hat enorme Bedeutung für die Behandlungsqualität, so eine Studie des Bundeskartellamts. Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen ist gegeben, gleiches gilt nicht für die Pflegebedürftigen, die An- und Zugehörigen. Die EPD-Studie: „Finanzinvestoren sind die Gefahr der Pflege“

Dazu folgt im Januar der Beitrag: „Mietendeckel in der Pflege“

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