Mehr Entlastung bei Pflegeheimkosten
Mit der Hilfe zur Pflegemüssen die Sozialämter oft einspringen, um einen teuren Heimplatz zu bezahlen. In NRW und Schleswig-Holstein können „Landeskinder“ erleichtert Pflegewohngeld, maximal bis zur Höhe der Investitionskosten, erhalten. Bisher holen sich die Ämter einen Teil von den Angehörigen der Pflegebedürftigen zurück, vor allem von deren Kindern. Damit ist 2020 künftig weitgehend Schluss.
Am 29. November 2019 hat auch der Bundesrat dem Angehörigen-Entlastungsgesetz zugestimmt. Es kann nun wie geplant zum Jahresbeginn in Kraft treten. Demnach wird für Kinder pflegebedürftiger Eltern ab dem 1. Januar 2020 ein Freibetrag von 100.000 Euro beim Jahresbruttoeinkommen gelten.
3,41 Millionen Menschen waren zum Jahresende 2017 in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Gut drei Viertel davon (76 Prozent oder 2,59 Millionen) wurden zu Hause versorgt. Davon wurden 1,76 Millionen Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, sie wurden jedoch teilweise oder vollständig durch ambulante Pflegedienste versorgt. Knapp ein Viertel aller Pflegebedürftigen (24 Prozent oder 0,82 Millionen Pflegebedürftige) wurde vollstationär in Pflegeheimen betreut. Soweit die zuletzt vorliegenden Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Mittlerweile dürfte sich die Zahlen der Pflegebedürftigen noch weiter erhöht haben.
Die Gesetzesänderung
Dafür sorgt ein neues Gesetz. Ab 2020 werden nämlich nur noch Kinder mit einem Jahresbruttoeinkommen über 100.000 Euro zur Kasse gebeten.
Mehr als 1.900 Euro müssen Pflegebedürftige im Bundesdurchschnitt für einen Heimplatz aus eigener Tasche zuzahlen. Und auch die Preise für Pflege zu Hause liegen oft weit über den Sätzen der Pflegeversicherung. Kurzum: Viele Pflegebedürftige können die Pflegekosten nicht aus eigenen Mitteln schultern. Deshalb springen die Sozialämter häufig ein, mit der Hilfe zur Pflege. Bisher versuchen die Ämter jedoch, sich das Geld von den Kindern der Pflegebedürftigen zurückzuholen. Ab 2020 wird das nur noch für diejenigen Kinder gelten, die ein Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 Euro haben. Das sieht das Angehörigen-Entlastungsgesetz vor, dem der Bundesrat am 29. November 2019 zugestimmt hat und das zu Beginn des neuen Jahres 2020 in Kraft trat.
Bisher gilt schon bei der Grundsicherung im Alter (klassische Alterssozialhilfe): wenn die Eltern diese Leistung (nach dem 4. Kapitel des SGB XII) bekommen, dann ist jedes Kind nur dann zum Unterhalt verpflichtet, wenn sein Einkommen nach Abzug der Werbungskosten 100.000 Euro brutto im Jahr übersteigt. Die meisten Senioren können deshalb heute die Grundsicherung beantragen, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Kinder für sie aufkommen müssen.
Erhalten die Eltern dagegen Hilfe zur Pflege (nach dem 7. Kapitel des SGB XII) oder andere Leistungen des Sozialamts, dann gilt die 100.000 Euro- Grenze für die Kinder bisher nicht. Die Ämter versuchen dann, dass Geld zumindest zum Teil von den Kindern einzutreiben. Denn grundsätzlich sind diese unterhaltspflichtig. Für etliche pflegebedürftige Senioren ist die Vorstellung, dass das Amt sich Geld von ihren Kindern zurückholt, schwer erträglich. Manche verzichten deshalb auf die Hilfe zur Pflege oder einen Umzug ins Pflegeheim.
All dies ändert sich ab 2020 grundlegend. Im Prinzip bleibt dann zwar die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren pflegebedürftigen Eltern und umgekehrt die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren volljährigen Kindern bestehen. Die meisten werden von den Sozialämtern aber nicht mehr zum Unterhalt herangezogen. Zur Kasse gebeten werden nur noch Eltern (von volljährigen Kindern) und Kinder (von pflegebedürftigen Eltern) mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen ab 100.000 Euro. Wenn ein Pflegebedürftiger mehrere Kinder hat, dann zählt für die Einkommensgrenze nicht das Gesamteinkommen aller Kinder. Nur das Kind, das im Jahr auf mehr als 100.000 Euro kommt, darf zur Kasse gebeten werden.
Bei Menschen mit einer Behinderung, die Leistungen der Eingliederungshilfe bekommen, wird sogar völlig auf Elternbeiträge verzichtet. Hier werden also auch Eltern mit einem Jahreseinkommen über 100.000 Euro entlastet.
Was zählt als Einkommen?
Nach Paragraf 94 Abs. 1a SGB XII kommt es auf das jährliche Gesamteinkommen im Sinne des Paragraf 16 des vierten Buches an. Das bedeutet: Nicht nur das Arbeitsentgelt (brutto, nach dem Abzug von Werbungskosten) und der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit werden berücksichtigt, sondern auch Kapitaleinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Hinweis: Das Einkommen der Schwiegerkinder bleibt außen vor. Es zählt nur das Einkommen der eigenen Kinder. Das bedeutet etwa: Wenn die Tochter eines Pflegebedürftigen nur einen Minijob hat, muss sie auch dann nicht zum Unterhalt für ihre pflegebedürftige Mutter beitragen, wenn ihr Ehepartner jährlich deutlich über 100.000 Euro brutto verdient. Das Vermögen der Kinder spielt soweit das Gesamteinkommen unter 100.000 Euro liegt künftig keinerlei Rolle mehr.
Vermutungsregel
Nur wenige Menschen in Deutschland verdienen 100.000 Euro oder mehr im Jahr. Deshalb gehen die Sozialämter künftig im Regelfall davon aus, dass die Kinder der Pflegebedürftigen jährlich nicht mehr als 100.000 Euro brutto zur Verfügung haben. Die Sozialhilfeträger können jedoch, wenn es hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze gibt entsprechende Belege über das Einkommen verlangen (etwa den letzten Steuerbescheid). So steht es im Gesetzentwurf.
Unterhalt wird gestoppt
Die Sozialhilfestatistik zeigt: Nur 77,5 Millionen Euro kassierten die Sozialämter 2018 von den Kindern der Empfänger von Hilfe zur Pflege bei insgesamt vier Milliarden Euro, die die Ämter hierfür ausgaben. Doch immerhin: Diese Einkommensquelle der Sozialämter versiegen ab Januar 2020. Ab Januar 2020 dürfen die Sozialämter die monatliche Unterstützungsrate nicht mehr von Konto der meisten zahlenden Kinder Pflegebedürftiger einziehen.
Angehörige können freiwillige Zahlungen einstellen
Nicht wenige unterhaltspflichtige Kinder und Eltern haben bislang freiwillig und ohne Einschaltung des Sozialamtes die durch das Einkommen der Pflegebedürftigen und die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflegekosten übernommen und auf das Pflegewohngeld verzichtet. Ihnen ging es darum, die Dinge innerhalb der Familie und ohne das Sozialamt zu regeln. Immerhin forderte das Amt bislang, soweit es Hilfe zur Pflege leistete, von den Pflegebedürftigen selbst und von Angehörigen eine völlige Offenlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Das ändert sich nun zumindest für Angehörige grundlegend. Im Prinzip können sie damit nun die freiwillige Zahlung der bisher geleisteten Ausgleichsbeträge einstellen. Dann muss beim örtlichen Sozialamt umgehend ein Antrag auf Hilfe zur Pflege gestellt werden. Das muss die pflegebedürftige Mutter oder pflegebedürftige Vater selbst tun außer, wenn die Kinder oder andere Personen hierfür eine Vollmacht haben.
Bei der daraufhin vorgenommenen Bedürftigkeitsprüfung gibt es nur im Hinblick auf die Heranziehung der Kinder die beschriebene Entlastung.
Wichtig: Die pflegebedürftigen Elternteile müssen dagegen nach wie vor ihre Bedürftigkeit nachweisen. Viele vergessen dabei der Ihnen zustehende monatliche „Barbetrag“.
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