Fehlende Wirtschaftlichkeit oder/und Missmanagement

Für das nachhaltige Bestehen einer Pflegeimmobilie bedarf es eines (Personal-)Management.

Der Kommune muss im Insolvenzfall ein Vorkaufsrecht für die Immobilie eingeräumt werden.  „Die fehlende Kontrolle“  der Pflegekassen und Bewohnerbeiräte haben wir problematisiert. Der Erhalt der bestehenden Pflegeeinrichtungen ist möglich und notwendig.  Die pflegerische Versorgung ist gesteuert von finanziellen und rechtlichen Vorgaben, nicht von der Sinnhaftigkeit der Versorgung der Pflegebedürftigen. Das Schlaraffenland NRW muss aufwachen; Pflege ist Teil der kritischen sozialen
Infrastruktur.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) erkennt in einer umfassenden Analyse aus dem Jahre 2022 weiter goldene Zeiten für Investoren, die ihr Geld im deutschen Pflegebereich vermehren wollen. Investoren erwarteten durch die anwachsende Nachfrage von Pflegebedürftigen weiter steigende Preise für die Seniorenimmobilien in (Pflegeheime, Betreutes Wohnen und gemischt genutzte Objekte). Preise mit Vervielfältigern über dem 22-fachen des Jahres-Rohertrags. Besonders attraktiv sind die freivereinbarten Pflegeentgelte und die beständigen Mieteinnahmen. Damit sind die Sicherheiten der Bank für ein hohes Darlehen gegeben. Die Professionalisierung auf der Betreiberseite vorausgesetzt. Heimbetreiber sind für die Öffentlichkeit eine Blackbox. Besondere Missstände werfen Schlaglichter auf die Branche. Heimverbände fallen durch pauschale Forderungen gegenüber den Regierungen auf. 

Pauschale Forderungen wie: „Fraglich und politisch zu diskutieren ist, wie die steigenden Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden sollen. Der Wegfall an Pflegeplätzen aufgrund von Insolvenzen kann die steigende Anzahl an Pflegebedürftigen nicht tragen.“ Oder ein Negieren des Problems, wie in der Pressemeldung der Bundesregierung vom 23.08.2023, helfen nicht weiter. Es sollen die notwendigen Fakten und notwendige Veränderungen aufgezeigt werden.

Je geringer das eingesetzte eigene Kapital, je größer der Gewinn.

2022 wurden im deutschen Gesundheitsmarkt 3,3 Milliarden Euro angelegt – 1,4 Milliarden allein in Pflegeheime und 321 Millionen in Betreutes Wohnen.

Erst im Jahr 2022 gegründet und durch die Übernahme von 16 Pflegeheimen, vom führenden Anbieter Korian Deutschland GmbH, ein Senkrechtstarter, steht die Novent Unternehmensgruppe schon am Abgrund. 

Verschrecken Pflegeheiminsolvenzen die Investoren

Dies wird in einem lesenswerten Beitrag von Herrn Hans-Georg Sausse in dem Beitrag in pflegen-online problematisiert. Finanzinvestoren sind in die politische Diskussion geraten. Der Pflegemarkt wird durch die Insolvenz der Pflegeheimbetreiber und -Investoren durcheinandergewirbelt. Es entstehen neue Betreiber am Markt, die die abgestoßenen Einrichtungen preiswert erwerben. Sie können mit festen Miet- oder Pachteinnahmen im Immobilienbereich rechnen. Die Grundlagen der Refinanzierung der Immobilie wollen wir am Beispiel NRW näher beleuchten.

Im Heimkostensatz werden mit den Pflegekassen die Pflegekosten und die laufenden Betriebskosten (Verwaltung, Küche, Wäsche, Energie Versicherung etc.) vereinbart. Nicht enthalten sind, nach § 82 Abs. 2 SGB XI, die Aufwendungen für das Gebäude, wie Darlehenszins, Abschreibung, Instandhaltung (Kaltmiete). Die Länder sind nach § 9 SGB XI für die Vorhaltung der notwendigen Struktur verantwortlich. Sofern die Länder die Aufwendungen nicht tragen, können die Träger die betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen auf den Bewohner oder den Sozialhilfeträger, nach § 82 Abs. 3 und 4 SGB XI, umlegen, vorausgesetzt die Investitionskosten sind anerkannt.  Es soll sichergestellt werden, dass das Objekt auf Dauer auf dem aktuellen Qualitätsstand gehalten wird. Dies kann nur gesichert werden, wenn die Erlöse aus dem Investitionskostenblock nicht im laufenden Pflegebetrieb ausgegeben und entsprechende Rücklagen zur Substanzerhaltung gebildet werden. Doch wer prüft die Einhaltung in den Bilanzen.

Es kann bei den Insolvenzen in Eigenverwaltung davon ausgegangen werden, dass die notwendigen refinanzierten Sanierungen zum Erhalt der Immobilien in den seltensten Fällen durchgeführt wurden und die formal zu bildenden Bau-Rücklagen nicht vorgenommen, sondern vorab entnommen wurden. Die Bewohner, im Notfall die Bürger der betroffenen Kommunen, werden damit doppelt zahlen. Der neue Erwerber wird die Immobilie neu bewerten. Der „insolvente“ Betreiber realisiert mit dem Verkaufspreis einen Gewinn. Die neu zu zahlenden Investitionskosten je Pflegetag und Monat erhöhen sich, ohne Substanzveränderung allein durch Eigentümerwechsel und fehlendes Korrektiv.  „Krokodilstränen“ wegen steigender Pflegeheimkosten sind nicht angebracht; Veränderungen sind möglich.

In Insolvenzfall muss der Kommune durch die gewährte Finanzierung ein Vorkaufsrecht für die Immobilie eingeräumt werden, soweit § 24 Abs. 1 Ziffer 1 des Baugesetzbuches dieses nicht bereits hergibt. Dies bedeutet nicht, dass sie gleichzeitig die Einrichtung später betreiben muss oder sollte.  Nur so kann ein Teil der Preisspirale bei fehlendem Markt und steigender Nachfrage gebremst werden.

Investitionskosten

Alle zwei Jahre werden die Investitionskosten auf der Grundlage nach § 8a SGB XI nach der Durchführungsverordnung des Alten- und Pflegegesetzes (APG DVO) in NRW im Verhältnis zum Baukostenindex des Landes angehoben. Zwischen August 2021 und August 2023 stieg der Wert um 26,1 Prozentpunkte, gleiches ergibt sich im Jahresdurchschnitt 2022 – 2020. Die Betreiber jubeln, der Verkaufswert für die Investoren steigt. Die Kaltmiete für die Bewohner steigt 2024 bis zu 26%.

Wird nun eine anerkannte Pflegeeinrichtung mit Investitionskostenberechnung übernommen, ist die Grundlage zur Fortschreibung der Abschreibung (1.) des Gebäudes gegeben. Entscheidend ist der Erstbezug und die anerkannten Erstellungskosten, die alle zwei Jahre nach dem Baukostenindex des Landes fortgeschrieben werden. Erhöhend kommen die Zinsen (2.) der neuen Darlehen dazu. Die Grundlage für eine normale Kaltmiete. Dem Betreiber einer Pflegeimmobilie werden darüber hinaus weitere Unterhaltskosten (3.) zur Erhaltung und Sicherung auf Basis aktueller Landesbauwerte gewährt.

Investitionskosten sind:

  1. Abschreibungen und
  2. Zins (§ 5 der APG DVO NRW) von Darlehen und Eigenkapital und
  3. laufende Unterhaltungskosten bisher jährlich 21,25 Euro je qm (§ 6 der APG DVO NRW)
  4. Fortschreibungen von
    1. a) Gebäude und
    2. b) Inventar.

An der Ziffer 3 soll für ein 100 Bettenhaus das Zahlenwerk verdeutlicht werden. 21,25 * 50 qm * 100 ergibt 106.250 €uro bei 95% Auslastung und pflegetäglich 3,06 €. Ab 2024 erhöht sich diese durch den gestiegenen Landes-Bau-Index voraussichtlich um 80 Cent auf dann 3,86 €.

Das Schlaraffenland NRW

Will der Neuerwerber seine Darlehensverträge nicht vorlegen, ist dies in NRW kein Problem. Er teilt Betreiber und Eigentümer in zwei Gesellschaften auf. Der Eigentümer = Investor vermietet an den Betreiber, dieser legt dann den vereinbarten Mietvertrag vor, diese Kosten sind in NRW seit 2017 nicht mehr, wie in Bayern noch gegeben, durch die fiktiven Herstellungskosten gedeckelt.

In § 8 der APG DVO NRW heißt es: Stehen die langfristigen und sonstigen Anlagegüter nicht im Eigentum der Trägerin oder des Trägers der Einrichtung, so sind die tatsächlich gezahlten beziehungsweise vertraglich geschuldeten Miet-, Pachtzinsen oder vergleichbare Nutzungsentgelte zur Gebrauchsüberlassung nach Maßgabe der folgenden Regelungen anerkennungsfähig. Der Landesgesetzgeber anerkennt eine 100% Refinanzierung und darüber hinaus Fortschreibungen, damit die Immobilie auf dem aktuellen Stand gehalten werden kann. Durch die gesetzlich (§§ 276ff HGB) verhinderte und damit fehlende Kontrolle wird der Missbrauch der Verschwendung Vorschub geleistet. Sollten die Erfahrungen mit den Corona Beihilfen nicht hellhörig machen

In der reinen Marktwirtschaft haben alle Marktteilnehmer einen Anreiz, sich anzustrengen, und sie haften für ihr ökonomisches Handel. Im Pflegebereich (SGB XI) ist kein Markt gegeben. Die Verknappung fördert die Konzentration und die Entgelte.

Die noch bestehenden 96 Pflegekassen, mit einem Jahres-Budget ab 2024 von 66 Mrd. €, achten bisher allein auf die Beitragsstabilität und gleichen Mehr-Ausgaben bei fehlenden Kontrollmöglichkeiten bei den gewerblichen Anbietern durch Restriktionen in der Häuslichkeit aus.

Die Krise in der gewerblichen Pflege hat viele Väter. Neben dem Personalmangel durch fehlende eigene Ausbildung und deren betriebliche Unterstützung kommen oft weitere Managementfehler. Die aufgezeigten Defizite zwingen zum Umdenken, wenn der soziale Frieden aufrechterhalten werden soll.

Veränderungen sind notwendig

In unserem Beitrag: „Pflegenotstand durch fehlende (Mit)-Verantwortung“ haben wir notwendige Schritte aufgezeigt, die keinen weiteren Aufschub dulden.

Die Insolvenzen schrecken Investoren nicht ab. Im Gegenteil, die Verunsicherung der Bürger steigert die Gewinnaussichten. Drei Monate Insolvenzgeld für die  Mitarbeiter zum Weiterbetrieb, Angst vor dem Wegfall notwendiger Heimplätze. Die notwendigen Gesetzesänderungen gegen das Immobilienraubrittertum sind nicht erkennbar, nicht einmal die notwendigen Behördenmitteilungen des Amtsgerichtes an die Kommunen, in denen die betroffenen Pflegeeinrichtungen liegen, damit die notwendigen Planungen und Vorkehrungen für die betroffenen Bewohner und sei es zum Angstabbau rechtzeitig getroffen werden. Dem Einwand der fehlenden Manpower kann entgegnet werden, warum nicht die überörtlichen Träger der Sozialhilfe einbinden, die bei den Vereinbarungen über die Heimentgelte bereits mit am Tisch sitzen.

Zur Sicherstellung der Pflege sind die Immobilien aus der Insolvenzmasse mit Landesmitteln, nach § 9 SGB XI, billigst zu erstehen. Millionen an „freie“ Investoren sind kontraproduktiv, an Benko sei erinnert. Ein Vorkaufsrecht der Stadt, der Gemeinde ist nicht nur wünschenswert, sondern auch bereits im „Insolvenzfall in Eigenverantwortung“ notwendig. Die Kommune ist als Beteiligte gesetzlich in die Verhandlungen über die Immobilie direkt oder indirekt einzubeziehen.

Die demografische Entwicklung der kommenden zwanzig Jahre wird die medizinische Versorgung mehr und mehr unter Druck setzen. Durch den Renteneintritt der Babyboomer-Generation (1955 bis 1969) steht dem wachsenden medizinischen und pflegerischen Versorgungsbedarf einer alternden Bevölkerung gleichzeitig ein Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung und damit auch des medizinischen und pflegerischen Personals gegenüber.

Die Hoffnungen des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) über die notwendigen Investitionen durch den „freien“ Markt und die Sicherstellungsgarantie der Pflegekassen nach § 12 SGB XI sind nach 30 Jahren trotz Erleichterungen für die Betreiber durch Streichung von Kontroll- (§§ 80, 80a SGB XI) und Sanktionsmöglichkeiten (§ 122 SGB XI), als gescheitert anzusehen. Die Reparaturversuche durch Geldspritzen für die Träger sind  eine weitere Belastung. Die pflegerische Versorgung und Würde der Person muss oberste Priorität erhalten, darf nicht länger von finanziellen und rechtlichen Vorgaben gesteuert sein. 

Wir hoffen, Denkanstöße für die notwendige Diskussion geliefert zu haben, damit tragfähige zügig Lösungen erarbeitet werden. Ihre Kommentare und Anregungen werden gebraucht.

Demokratie lebt vom (rechtzeitigen) Gestalten, nicht vom Aussitzen, späteren Besserwissen und Fordern.

Zum Schluss ein Hinweis auf eine aktuelle Studie der TU Wien im Ländervergleich:

Der „Markt“ für kritische soziale Infrastrukturen
„In den letzten Jahren haben neben börsennotierten strategischen Investoren zunehmend
Finanzinvestoren (z.B. Private Equity, Pensionsfonds, Versicherungen) in kritische soziale
Infrastruktur investiert. Vor allem in der stationären Altenpflege haben die 25 größten STPI seit
2017 ihre Kapazität in Europa um mehr als ein Fünftel auf geschätzt 455.000 Betten erhöht.“

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