Politisches Geschehen während meiner Kindheit

Gründung der DDR

Die DDR wurde bekanntlich1949 gegründet. Damit änderte sich einiges massiv auf dem Gebiet Ostdeutschlands, z. B. wurden die 5 Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt in 14 Bezirke untergliedert. Das Land Thüringen hatte als Beispiel den Bezirk Suhl, Bezirk Erfurt und Bezirk Gera. Für jeden Bezirk gab es eine Regierung, die nannte sich Bezirkstag. Dort gab es einen Vorsitzenden, analog Ministerpräsidenten. Ferner gab es eine Bezirksleitung der SED, also die Partei, die hatte eigentlich das Sagen. Dann gab es die Bezirksleitung Pioniere, Bezirksleitung FDJ, Bezirksbehörde der Volkspolizei, und, und, und. Die Staatssicherheit gab es auch noch für jeden Bezirk, das heißt es gab also viele Häuptlinge und wenig Indianer. Das wirkte sich natürlich auch auf die Wirtschaft aus. 

Die Gründung der DDR mit ihren 14 Bezirksregierungen wurde auch in der Schule entsprechend in den Pionierunterrichten gewürdigt. Es standen immer drei Begriffe im Vordergrund: a) Freundschaft zur Sowjetunion, b) Frieden und dann – ich spreche mal wie die Funktionäre sprachen – c) die bösen Kapitalisten und Imperialisten. Das waren also die Dinge, die uns in der Kindheit und Jugend eingetrichtert wurden.

Erste Opfer der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED

Es gab bereits 1946 den Vereinigungsparteitag KPD/SPD zur SED. Unser Nachbar, Herr Seeburg – das habe ich erst später erfahren – war schon in der Nazizeit ein grosser SPD-Genosse und hat sich seinerzeit im Untergrund einer Gruppe angeschlossen. Herr Seeburg hatte sich öffentlich gegen die Vereinigung gestellt, ja, und eines Abends wurde er abgeholt.

Ich kann mich daran erinnern, dass seine Frau in unserer Küche stand und weinte. Da ich noch Kind war, bin ich vor Angst stiften gegangen, da ich nicht wusste, was los war. Am nächsten Tag waren sie nicht mehr da. Herr Seeburg wurde noch in der Nacht entlassen. Da packte das Ehepaar  gleich seine Koffer und flohen in den Westen.  – Vor dem Mauerbau war das ja noch möglich

Danach zogen Umsiedler aus dem Osten in deren Wohnung ein, mit denen wir uns mit ganz gut verstanden.

Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953

Wir hatten im Juni 1953 am Ende der achten Klasse nur noch Abschlussprüfungen, dazwischen waren immer mal freie Tage. Im Juni waren wir von unserem Fußballklub so 5, 6 Jugendliche zusammen im Freibad. Das Freibad war direkt neben dem Fußball-Stadion, dass in den 1930-er Jahren gebaut worden war. Es passte beides harmonisch recht gut zueinander. Wir hatten auch Fußball gespielt. Auf einmal kamen LKWs mit jeder Menge Leuten darauf im Blaumann und mit Transparenten, auf denen Sprüche standen, sie haben geschimpft und die Staats- und Parteiflaggen am Stadion heruntergerissen. Oh, was geht denn hier los, dachte ich, und dann waren die auch wieder weg. Eine große rote Fahne flog direkt vor unsere Füße. Einer meiner Freunde nahm die Fahne mit nach Hause. In der darauf folgenden Woche verteilte er rote Turnhosen die seine Mutter genäht hat. Sein Vater war Kriminalkommissar, wenn der das erfahren hätte….

Als ich am Nachmittag nach Hause kam, war meine Mutter in großer Aufregung: „Wo warst du denn? In der Stadt wird doch geschossen.“ Ich wusste nicht, was passiert war. Wir hatten beim Schwimmen überhaupt nichts mitbekommen. Am späten Nachmittag kam mein Vater von der Arbeit. Sein Büro war direkt gegenüber des Gewerkschaftshauses. Er berichtete meiner Mutter – wir haben als Kinder natürlich die Ohren ausgefahren –, dass das Gewerkschaftshaus gestürmt wurde, dass die systemkritischen Menschen Gewerkschaftsfunktionäre oder auch Gerichtsmitarbeiter verprügelt, die Möbel und die Akten aus den Fenstern geschmissen hatten, und da tüchtig Streit war. Panzer von den Russen wären aufgefahren, aber von Schüssen hatte er nichts gehört. 

Dies musste sich mehr oder weniger im Zentrum am Markt von Halle abgespielt haben. Heute steht da eine Gedenktafel, auf der von über 1000 Demonstranten berichtet wird. Es waren so zwei, drei Tage mit ein bisschen Unruhe, dann wurde es ruhiger. Ich hörte von einem Fußballkameraden, dass dessen Schwager und seine Schwester unmittelbar an dem Arbeiteraufstand beteiligt waren und man den  Schwager verhaftet hatte. Die Schwester war irgendwie davon gekommen  und konnte sich nach Westberlin absetzen. Das Schlimme war aber, dass die Familie meines Klassenkameraden jeden Tag die Polizei wegen Hausdurchsuchungen im Haus hatten. Ach von Befragungen war die Rede, so dass man schon als Kind mitkriegte, was da so etwa losging; als Kind fand man das natürlich sehr bedrohlich.

Wir hatten dann Ende Juli 1953 die Schulabschlussfeier, die war, bedingt wahrscheinlich durch die Randale am 17. Juni, etwas gesitteter. Es wurden die üblichen Volkslieder gesungen, die Rede war auch recht unpolitisch, möchte ich sagen, es ging also mehr oder weniger nur um die Entlassung der Schüler und Wünsche für den weiteren Lebensweg. Wir kriegten dann unsere Zeugnisse ausgehändigt, und das Ding war beendet. 

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