Feste und Feierlichkeiten

Heute im Zeitalter der Digitalisierung ist es nur schwer vorstellbar, wie Verabredungen zu Besuchen ohne Telefon, Handy, WhatsApp oder E-Mail möglich waren. Dennoch wurden Freundschaften und Nachbarschaften regelmäßig gepflegt, und auch die Verwandten kamen dabei nicht zu kurz.

Besuche in den 1950er Jahren

Es war üblich, dass die engsten Freunde und Verwandten zum Geburtstag ohne jede Form der Einladung erschienen, dieses war ein Ritual, welches sich verselbständigt hatte und bedurfte auch keiner besonderen Ansprache.

Vorbereitungen für die Gäste

Zu Besuchen wurde also nicht gesondert eingeladen. Man kam einfach, ging einfach hin, wenn irgend etwas anlag, und wurde auch genauso selbstverständlich erwartet. Ein bis zwei Tage vor dem Besuch begann meine Mutter emsig mit den Vorbereitungen. Kuchen wurden gebacken, alle Zutaten für die zu der Zeit üblichen Schnittchen (das waren Brotscheiben belegt mit Wurst, Käse und mit Gürkchen und Ei garniert) wurden besorgt. Diese sogenannten Schnittchen gab es zum Abendbrot. Als Getränk wurde immer eine Bowle für die Damen angesetzt, die Obstsorten waren der Saison angepasst. Das Eierlikörchen durfte unter gar keinen Umständen fehlen, und für die Männer war immer das Bier im Keller kalt gestellt. 

Es waren immer sehr lustige und fröhliche Zusammenkünfte, bei denen gesungen und getanzt wurde, und mein Onkel spielte auf dem Schifferklavier oder der Gitarre. Wir Kinder durften bei besonderen Anlässen etwas länger aufbleiben und haben lauthals mitgesungen. Wir hatten natürlich auch unseren Spaß daran, dass der Alkohol seine Wirkung zeigte. Jedenfalls ist niemand ausfallend oder beleidigend geworden. Bei der Verabschiedung wurde sich herzlichst umarmt, jeder drückte aus, wie schön der Tag und der Abend war und wie sehr man sich auf das nächste Zusammentreffen freute. 

Zu erwähnen sei noch, dass jeder Gast, aber auch die Gastgeber, sich immer mit ihrer Sonntagskleidung herausgeputzt hatten. Uns Kindern brachten die Gäste immer Süßigkeiten mit, worauf wir uns schon lange im Vorfeld gefreut haben; denn Süßigkeiten gab es nicht jeden Tag. Wenn bei solchen Feiern mehrere Kinder anwesend waren, wurde für uns ein Extratisch gedeckt, und wir konnten dann auch rumalbern, ohne einen strafenden Blick befürchten zu müssen. Zu angemessener Zeit musste ich natürlich ins Bett und machte mich dann über die Mitbringsel her.

An der Aggertalsperre mit Oma, 1960

Spontane Besuche

Eine große Leidenschaft meiner Großmutter väterlicherseits waren spontane Besuche, zu denen sie mich meistens mitnahm. So konnte es sein, dass es zu einer Nachbarin in der Nähe, einer guten Bekannten oder Familienangehörigen ging. Überall waren wir herzlich willkommen, denn Gastlichkeit wurde sehr groß geschrieben. Auch wenn nichts Besonderes aufgetischt werden konnte, eine Tasse Kaffee und ein paar Kekse gab es immer. Hauptsache man hatte sich wieder einmal gesehen. In der Regel wurde dann noch der Schuhkarton hervorgeholt und die alten Familienbilder angeschaut, und man amüsierte sich köstlich. So einfach war das.

Besuch der Großmutter

Auf einen Besuch freute ich mich jede Woche ganz besonders, es war der meiner Großmutter mütterlicherseits. Sie kam jeden Montag, blieb über Nacht, und Dienstag Vormittag fuhr sie wieder nach Hause. Immer tranken wir zusammen Kaffee, und die Abendstunden verbrachten wir mit gemeinsamen Gesellschaftsspielen, an denen auch meine Eltern teilnahmen. Meine Mutter hatte sich für diesen Tag immer etwas Besonderes zum Mittagessen einfallen lassen. So gab es an zwei Tagen der Woche immer Sonntagsessen, was ich natürlich toll fand. 

Wirtschaftlicher Aufschwung

Als es allen wirtschaftlich besser ging, zeigte sich dies auch an dem reicher gedeckten Tisch. Anstelle der Schnittchen gab es belegte Brötchen mit Mett, Kartoffelsalat mit Brühwürstchen, Käse-Igel und garnierte Eierhälften (Russische Eier), und nicht zu vergessen, die selbst gemachten Frikadellen und der Krabbencocktail.

Wollten meine Eltern ohne einen bestimmten Grund Freunde einladen, was ab 1957 bei uns öfter vorkam, wurde es schon komplizierter, denn die Einladung musste über den Postweg erfolgen, oder man ging bei demjenigen vorbei und sprach seine Einladung aus. Eine andere Möglichkeit hatten wir nicht, denn es gab in unserer Gegend zur damaligen Zeit noch keine Telefonanschlüsse, denn Leitungen dafür waren nicht vorhanden.

Kuchen, meistens Rührkuchen der unterschiedlichsten Art, wurden an den Wochenenden gebacken und reichten meistens bis zur Wochenmitte. An den Tagen, an denen es keinen Kuchen gab, wurde zum Kaffee Stuten oder Brot mit Marmelade gegessen oder auch selbst gebackene Kekse.

Besondere Anlässe

Bei besonderen Anlässen wie Hochzeit, Taufe, Konfirmation und Kommunion wurde am ersten Tag ganz groß im Familienkreis gefeiert. Am Tag zwei kam die Nachbarschaft geschlossen. Die Hausfrauen standen schon Tage vorher bis in die Nächte in der Küche. Salate, Braten und Torten wurden vorbereitet. Es duftete im ganzen Haus, Gerüche, die ich niemals vergessen werde. Nach den Feierlichkeiten erfolgte das Resteessen. Jedenfalls haben wir damals schon verstanden, so richtig abzufeiern und zu schmausen.

Kindergeburtstag

Das Größte für uns Kinder war natürlich der Kindergeburtstag. Ich durfte etliche Freundinnen einladen, und meine Mutter bereitete eine Menge Leckereien und Spiele vor. Zunächst labten wir uns an den Köstlichkeiten, dann folgten die Spielstunden, bei denen es hoch herging. Für die Gewinner gab es kleine Preise, und zum Abschluss des Tages ging jedes Kind mit einer Überraschungstüte stolz nach Hause. Die Kinder, die etwas weiter entfernt wohnten, wurden von ihren Vätern abgeholt. So kam es dann auch wieder zu einem kleinen Treffen der Erwachsenen.

Kondolenz-Besuche

Zu den traurigen Angelegenheiten gehörten leider auch die Kondolenz-Besuche, wenn ein Nachbar oder eine Nachbarin verstorben war. Es war damals üblich, dass der Leichnam in seiner Sonntagskleidung feierlich in seiner Wohnung aufgebahrt wurde. Bei diesen Besuchen wurde zur Beerdigung mit anschließendem Leichenschmaus, auch Raue genannt, eingeladen. Es wurde in der Nachbarschaft für einen Kranz gesammelt, was immer zwei Frauen übernahmen. Mit anderen Worten: Das Wort Begegnung wurde auch hier ganz groß geschrieben.

Jutta Loose
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