Neue Heimat

Schleswig-Holstein

Auch die anderen wurden auf die Dörfer verteilt, bekamen später auch Siedlungen oder Wohnrecht. Man fand seine Verwandten und teilte sich wieder auf. Ein Onkel von mir hatte schon in der DDR eine Siedlung – dort wurden ja auch die Güter aufgeteilt – und seine Frau und die Kinder siedelten dann nach Mecklenburg. Der Krieg hat allem ein Ende gesetzt und die Grenzen verschoben und wir mussten 1946 im Sommer unseren Grund und Boden verlassen.

Mein Vater litt sehr darunter, dass er jetzt als Hofarbeiter in Anstellung war. Für ihn war es sehr schlimm, dass er seine Selbstständigkeit verloren hatte. Aber wir hatten Anspruch auf Lastenausgleich. Der Herzog hatte viele Güter, die mussten zum Teil als Entschädigung für die Flüchtlinge herhalten. Inwieweit er entschädigt wurde, weiß ich nicht. Zunächst wurden bei der Vergabe nur die Familien mit mehr als drei Kindern berücksichtigt oder wo der Vater kriegsbeschädigt war. Aber meine Mutter fuhr nach Rendsburg – immer wieder, immer wieder – bis ihr dann zugesichert wurde, sie würden im Kreis Plön einen Hof bekommen. Die erste Besichtigung, die war vielleicht genauso wie das Kennenlernen. Es war alles tief verschneit, es war Winter, Februar, und meinen Eltern wurden von den Beamten der Siedlungsgesellschaft die Grenzen der Siedlung gezeigt. Auch Vieh gehörte dazu, aber nur 4 Kühe und 6 Schweine. Und jetzt sollten die sich entscheiden, ob sie das nehmen oder nicht. Der Vorbesitzer hatte schon abgewirtschaftet, konnte etwaigen Geldforderungen nicht mehr nachkommen. Meine Eltern entschieden sich dann für dieses Land und haben es nie, nie bereut. 1950/1952 muss das gewesen sein.

Ruthilde Anders erzählt über den Lastenausgleich

Mutter hatte für die Flucht alle wichtigen Papiere in so ein Familienbuch gepackt, und damit konnte sie ihren Besitz belegen. Manchmal bekamen meine Eltern Post von Leuten aus unserem Heimatdorf, wo sie bezeugen mussten, wem was gehörte, also ob das stimmt, was sie beantragt hatten. Manche hatten sehr hoch veranschlagt, dabei waren es so kleine Höfe.

Man hat sich auch untereinander viel geholfen. Meine Eltern bekamen von den Nachbarn z. B. Hühner, weil ja keine Hühner bei der Übergabe da waren, und Eier muss der Bauern doch haben, nicht? Braucht man doch zum Kochen. Ja, die haben gewusst, was wer braucht. 

Wir haben uns immer so verhalten, dass wir Freunde hatten. Meine Eltern haben auch geschaut: Wer ist jetzt aus Pommern?  Sie haben sich  einen kleinen Freundeskreis aufgebaut, wo sie sich gegenseitig besucht haben –  ein solches Verhalten  verinnerlicht sich bei Kindern, später macht man das auch so, wie die Eltern es gemacht haben.

Meine Eltern haben also in Schleswig-Holstein wieder neu begonnen und mit Freude ihren neuen Hof bewirtschaftet. Wir haben untereinander nach dem Krieg sehr den Kontakt gepflegt, zur Verwandtschaft, die mit uns zusammen raus ist, zur Schwägerin von meinen Eltern und all den Nachbarn. Viele kamen auch in der Nähe von Eckernförde in anderen Dörfern unter. Aber wir haben uns immer noch besucht. Manchmal mussten wir auch 10 km zu Fuß gehen, um sie zu sehen. Da nahmen wir sogar in Kauf, dass wir nur auf dem Fußboden schlafen konnten, bloß um uns nochmal zu sehen. Viele sind auch heute noch sehr pommernverbunden. Mein Vater sagte aber damals schon – da gab es noch Pommerntreffen in Preetz: „Ich bin jetzt ein Holsteiner.“ – Da haben sie ihn so oft mit aufgezogen.

Mein Vater hatte den Hof noch seinem Sohn übergeben können. Meine Eltern hatten Wohnrecht auf Lebenszeit; und die Grabpflege auf dem Dorffriedhof übernahm mein Bruder. Er hat sich verpflichtet, das immer zu pflegen.

Den Hof gibt es heute noch, er wird von den Schwiegersöhnen meiner Eltern betrieben. Frauke, das ist die 3. Tochter von meinem Bruder, die ist ausgezahlt worden. Von dem Geld hat sie sich in Kiel ein Haus bauen können. Mein Bruder bekommt heute noch Pacht.

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