Spiele drinnen
Eva Timm wuchs wohl behütet auf. Lebhaft erinnert sie sich an gemeinschaftliche Spiele in der Familie. ‚Schwarzer Peter‘, ‚Mensch ärgere Dich nicht’, ‚Dame‘ und ‚Mühle‘ waren die Gesellschaftsspiele, die einmal in der Woche, meist samstags abends, mit der gesamten Familie am Esszimmertisch gespielt wurden. Auch gab es noch ‚Gottes Segen bei Cohn’, dem eher bekannten ’17 und 4‘ ähnlich. Es gab Spielgeld und Puppen, sogar eine Käthe-Kruse-Puppe und eine Schildkröt-Puppe besaß die junge Eva, auch ein damals so genanntes ‚Negerpüppchen‘. Weihnachten verschwanden die Puppen regelmäßig, um dann unter dem Tannenbaum neu eingekleidet wieder zu erscheinen.
Spiele draußen
Ein Nachbarn von ihnen fuhr einen Opel, er war Vertreter. Einmal nahm er sie mit seinem Auto mit und fuhr mit ihr um den Block. Es gab ansonsten nur wenig Autoverkehr. Deswegen spielten die Kinder oft auf der Straße: Sie bemalten die Straße mit Kreide, spielten mit Murmeln und sprangen ‚Hopse‘. Eins der Spiele nannten die Kinder ‚Laternenzeck‘. Ihr größtes Glück war ein Tretroller.
Im Sommer fuhr sie oft mit Freundinnen ins Olympiastadion zum Schwimmen. Im Winter wurden die Tennisplätze besprengt, und darauf konnten die Kinder Schlittschuhlaufen.
Eins meiner vielen Interessen war immer schon, das aktuelle politische Geschehen in einem größeren historischen Zusammenhang zu sehen. Was mit Einzelschicksalen in ihrer jeweiligen Zeit passiert, habe ich schon in die Wiege gelegt bekommen, denn beide Eltern waren nach dem 2. Weltkrieg Flüchtlingskinder, mein Vater sogar noch Kindersoldat. Erst nach meiner Pensionierung konnte ich mich mit den Folgen dieser schrecklichen Zeit in der deutschen Geschichte beschäftigen und damit auch mit den Ursachen.
Bei meiner Arbeit ist mir ganz wichtig, immer auf das Alter der Erzählenden zu achten und immer danach (auch der Zuhörer sich selbst in seiner Biografie) zu fragen, inwieweit das politische Bewusstsein schon vorhanden war; und das ist bei jedem Menschen verschieden. Ich möchte ein Mosaikstückchen dazu beitragen, dass junge Menschen ihr persönliches politisches Bewusstsein bilden können; deshalb ist mir die Arbeit an Schulen eine Herzensangelegenheit.
Die Zeitzeugen fühlen sich manchmal unverstanden, wenn aus dem Heute Rückschlüsse nach Gestern geschlossen werden, frei nach dem Motto Warum habt ihr nichts gemerkt?, Wie konnte das passieren?, usw. Und genau hier ist der Punkt, an dem ein Austausch mit der jüngeren Generation stattfinden kann. Indem es den Zeitzeugen gelingt, dass sich die Schülerinnen und Schüler in die damalige Zeit versuchen hineinzuversetzen, können auch Bilder für das eigene Leben, für die eigene Zukunft entstehen.
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