Einkaufen im Wandel der Zeit

Bei unszu Hause war es üblich, dass erst Dinge gekauft wurden, wenn man sie auch selber bezahlen konnte. Das Motto hieß: erst sparen, dann kaufen. 

Es wurden keinerlei Einkäufe getätigt, die aus dem Neckermann – oder Quelle-Katalog waren. Diese Kataloge waren in den 1950er Jahren in aller Munde und eine Sensation, zumal dort eine Vielzahl von Gegenständen für den Haushalt oder Bekleidung für Groß und Klein – auch auf Ratenzahlung – erworben werden konnte. Zum damaligen Zeitpunkt machte ich mir darüber jedoch keinerlei Gedanken, dazu war ich einfach noch zu jung. 

Erst als ich 1966 über eigenes, selbst verdientes Geld verfügen konnte, da ich eine Lehre in einer Arztpraxis zur Arzthelferin absolvierte, wurde mir die Tragweite dessen, was ein Ratenkauf bedeutet, bewusst. Fortan wurde ich von einer Nachbarin regelmäßig darauf angesprochen, bei ihr etwas aus dem Otto Katalog zu bestellen. Ihr Argument: Es sei so praktisch, denn ich könnte monatlich einen bestimmten Betrag zahlen, und die Laufzeit für den Ratenvertrag läge in meiner Bestimmung. Bezahlen müsste ich die monatliche Rate bei ihr, da sie mir den Katalog ausgehändigt hätte und Sammelbestellerin sei. Je mehr Kunden sie nachweisen könne, je höher sei ihr Bonus, den sie dafür bekäme.

Ich habe ihre Angebote stets abgelehnt, denn ich kaufte mir meine Garderobe lieber in Geschäften, in denen ich sie zuvor anprobieren konnte und sie dort sofort bar bezahlt habe.

Es gab in der Stadtmitte von Oberhausen etliche kleine Boutiquen, die mich mit ihren Angeboten lockten. Die farbigen Mäntel, Jacken, Röcke mit den passenden Blusen oder Pullovern, luden mich geradezu zum Betreten der Läden ein. Dort fand ich immer ein passendes Kleidungsstück, was meinen Vorstellungen und meinem Geldbeutel entsprach.

Diesen Luxus; für mich war es einer; konnte ich mir nur erlauben, da ich mein gesamtes Gehalt zur Verfügung hatte und kein Kostgeld an meine Eltern abgeben musste. 

Als ich 1968 mein erstes Giro Konto, auf welches mein Monatsgehalt von meinem Arbeitgeber eingezahlt wurde, eröffnet hatte, dauerte es nicht lange, und man stellte mir einen Dispo Kredit zur Verfügung, mit dem ich mein Konto bis zu einer bestimmten Summe hätte überziehen können. Die dabei anfallenden exorbitanten Zinsen wurden gerne übergangen.

Damit war ich natürlich kein Einzelfall. Sehr viele Menschen, die ebenfalls über einen solchen Überziehungskredit verfügten, machten von diesem Angebot Gebrauch. Dabei denke ich an einige mir bekannten Menschen, die dieser Verlockung nicht widerstehen konnten.

Man stelle sich vor, das Monatsgehalt war schon bei vielen Berufstätigen am Tag der Auszahlung durch die Überziehungsrückzahlungen fast weg, da das Konto durch Anschaffungen, wer weiß wie weit, überzogen war. Die Folgen waren ein voller Kleiderschrank, immer das Neueste an Geräten und anderen Gegenständen in der Wohnung und dazu einen Berg von Schulden. Ein Teufelskreis.

Einer Arbeitskollegin von mir, die mir sehr nahestand, erging es so; alle Gespräche mit ihr brachten keine Änderung ihres Kaufverhaltens, so dass am Ende eine Gehaltspfändung stand.

Man konnte sich nur wundern, denn diese Art des Einkaufs wurde immer beliebter, hatte doch jeder, der ein Girokonto besaß, das passende Scheckbuch (dies war ein Papiermäppchen mit 20 noch auszufüllenden Schecks) stets griffbereit. Natürlich besaß auch ich ein solches Scheckbuch. Nur war es wichtig, seine Ausgaben im Auge zu behalten, was mir gelang, da ich diese Schecks nur selten einsetzte. Viele Kontoinhaber verloren total die Übersicht über ihre Geldausgaben, denn das Zücken des Schecks gehörte inzwischen zum Einkaufen dazu. 

Diese Euroschecks wurden allmählich in den 60er und 70er – Jahren durch IC – Scheckkarten, (im Volksmund auch Plastikgeld genannt), ersetzt. An fast jeder Kasse hörte man seitdem: „Zahlen Sie mit Karte oder bar?“ Das machte das Einkaufen und das Ausgeben von Geld noch einfacher

und trieb so manchen Haushalt in die Schuldenfalle, da viele Menschen auch dadurch die Kontrolle und Übersicht ihres Kontos verloren haben.

Eine andere Art des Einkaufs im Lebensmittelbereich begann für uns 1960, denn da eröffnete ALDI einen Discount Laden nahe unserer Wohngegend. Die Neueröffnung mit all seinen Sonderangeboten wurde großflächig durch eine Briefkastenwerbung angekündigt. Diese Auslieferung von Prospekten ist bis heute unverändert.

Für meine Familie und unsere Nachbarn war diese Einkaufsmöglichkeit ein Segen, wohnten wir noch immer in einer Umgebung, in der die Infrastruktur sich nur langsam entwickelte.

Natürlich suchte auch ich mit meiner Familie diesen Discounter regelmäßig auf, um die dort angebotenen günstigen Lebensmittel zu kaufen. Man wurde in dem Geschäft nicht bedient, sondern man bediente sich aus geöffneten Kartons, die übereinandergestapelt waren.

Was grandios für uns war, war die Frischkäse-Theke von ALDI , die mit allen möglichen Käsesorten bestückt war. Allerdings bediente dort eine freundliche Verkäuferin die Kunden.

In unserem kleinen Lebensmittelgeschäft, in dem wir sonst einkauften, gab es eine bedeutend geringere Auswahl an Käsesorten.

In regelmäßigen Zeitabständen bot der Discounter ALDI, entsprechend der Jahreszeit, zudem Pflanzen verschiedenster Art für Balkon und Garten an, die  günstig zu erwerben waren. Was dazu führte, dass an solchen Tagen ein regelrechter Run auf das Geschäft begann. Auch meine Eltern nutzten diese Gelegenheit zum Kauf dieser Gewächse, die unseren Garten schmückten.

Zu besonderen Anlässen wie z.B. Weihnachten, gab es sogar ein kleines Angebot von Geschenkartikeln käuflich zu erwerben.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden wir immer mehr mit Katalogen verschiedenster Geschäftszweige geradezu überschüttet, die Auswahl der angebotenen Waren nahm deutlich zu. Es war so einfach, eine Bestellung aufzugeben, man suchte sich etwas aus einem Katalog aus, schrieb seine Wünsche auf eine schon vorgefertigte Postkarte, kreuzte den Zahlungswunsch an, frankierte die Bestellkarte und schickte sie ab. Die Paketwagen der Post fuhren immer häufiger durch die Straßen und belieferten die Besteller, die mit der Zeit immer mehr wurden.

Mittlerweile gibt es riesige Unternehmen, die uns, wenn wir es wünschen, innerhalb von 24 Stunden mit allem, was wir haben möchten, beliefern können. Wir bestellen es online, denn die Computertechnik macht es möglich, selbst die Postkarte oder die Anrufe für eine Bestellung sparen wir uns. Was uns nicht gefällt oder nicht passt, wird eben wieder zurückgeschickt. 

Behalten wir die Ware, erfolgt die Begleichung der Rechnung in vielen Fällen über das Online-Banking.

Was uns Bequemlichkeit verschafft, und so wird es uns suggeriert, schadet den Besitzern kleinerer Geschäfte jeglicher Art, da ihre Einnahmen durch unser Bestellverhalten einbrechen und ihre Existenz bedroht, wenn nicht gar zur Geschäftsaufgabe führt.

Natürlich vermisse ich viele Geschäfte in unserer City, die früher zu unserem Stadtbild gehörten und wegen ausfallender Verdienste schließen mussten. So zum Beispiel ein großes Bekleidungsgeschäft mit viel Auswahl an Garderobe für Männer, Frauen und Kinder, ein Geschäft, in dem ich ein Geschenk für einen lieben Menschen erwerben konnte, aber das passende Geschäft nicht mehr zu finden ist, dass ich keinen Feinkostladen oder eine Feinkostabteilung (wie z. B. im damaligen Kaufhof) mehr aufsuchen kann, und es keinen niedergelassenen Metzger mehr in unserer Innenstadt gibt.

Natürlich stelle ich mir häufiger die Frage, da auch ich hin und wieder einen Einkauf online getätigt habe: Habe auch ich durch meine wenigen Bestellungen, wo ich mir den Weg in die Stadt ersparen wollte, zu diesem Zustand beigetragen?

Oder waren die Besuche von uns Kunden in großen Einkaufszentren auswärtiger Städte nicht interessanter, haben wir unseren Fokus nicht zu sehr auf den online-Handel gelegt und die Bequemlichkeit vorgezogen?

Allerdings hat auch die Coronazeit, eine virale Epidemie, die Ende 2019 weltweit über uns hereinbrach, erheblich dazu beigetragen, dass die Bestellungen im online – Handel außergewöhnlich gestiegen sind, und der Einzelhandel dadurch seit fast drei Jahren deutlich darunter zu leiden hatte.

Grundsätzlich kaufe ich persönlich auch heute noch, und dies genauso gerne wie früher, lieber in einem Geschäft, in dem ich Kontakt zu einer netten Verkäuferin oder einem Verkäufer habe, wo ich gut beraten werde, und es mag altmodisch klingen, wo auch mit mir ein Gespräch geführt wird, und ich bar mit dem guten alten Papiergeld bezahlen kann. Dann höre ich häufig die Frage: „Wie, Sie zahlen nicht mit Karte?“ Deshalb gehe ich seit Jahrzehnten in die gleichen noch vorhandenen Läden und hoffe, dass sie mir noch lange erhalten bleiben.

Jutta Loose
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