Unsere erste Wohnung

Als wir, mein Mann und ich, im Mai 1973 heirateten, war unser Wunsch, eine   gemeinsame Wohnung zu beziehen, natürlich groß. Wir hatten ganz spezielle Vorstellungen darüber, wie unser Heim aussehen sollte.

Aber es dauerte noch einige Zeit, bis wir uns unseren Traum erfüllen konnten.

Mein Mann bewohnte, seit seiner Entlassung von der Bundeswehr, ein kleines, möbliertes Appartement in der Stadtmitte von Oberhausen. Auf Dauer war dies keine befriedigende Lösung für zwei Personen; und wir versuchten über mehrere Monate, eine für uns geeignete Wohnung zu finden. 

Beruflich waren wir sehr eingespannt und arbeiteten an unserer Weiterbildung. Hinzu kam, dass mein Mann aus beruflichen Gründen mehrfach im   Jahr, für jeweils einige Wochen zu medizin-technischen Lehrgängen nach Erlangen beordert wurde. 

In diesen Zeiten wohnte ich wieder bei meinen Eltern in Mülheim, da der Weg zu meiner Arbeitsstätte so für mich weniger aufwendig war. Mein Mann hat mich sonst jeden Morgen bei meinem Arbeitgeber abgesetzt, bevor er selbst anschließend mit unserem Auto nach Düsseldorf fuhr.

Eines Tages rief meine Mutter auf meiner Arbeitsstelle an und berichtete mir, dass bei ihnen gegenüber einer Wohnung zur Vermietung ausgeschrieben sei. Wir müssten allerdings, bei bestehendem Interesse, noch am gleichen Tag Kontakt mit dem Vermieter aufnehmen, da sich schon andere Interessenten angemeldet hatten. 

Noch am gleichen Abend wurden wir bei dem Vermieter vorstellig. Das Gespräch verlief für beide Seiten positiv, wegen gegenseitiger Sympathie erhielten wir den Zuschlag für die Wohnung. Wir freuten uns sehr, denn wir waren von der Wohnung begeistert. 

Sie befand sich im Neubau eines Zweifamilienhauses in der ersten Etage, hatte eine Wohnfläche von 105 qm, ein sehr großes Wohnzimmer mit Essbereich, Küche, Diele, Bad, Schlaf- und Kinderzimmer und einen großen Balkon. 

Die Vormieterfamilie zog aus, da sie ein zweites Kinderzimmer benötigten. Die Miete war für uns erschwinglich und wir schwebten auf Wolken, ging doch unsere Wunschvorstellung in Erfüllung. Einen Tag nach der Wohnungsbesichtigung haben wir den Mietvertrag unterschrieben; und ich war wieder an den Ort zurückgekehrt, wo meine Wurzeln verankert waren. Schließlich hatte ich schon seit meiner Geburt dort 23 Jahre meines Lebens verbracht.

Am darauffolgenden verkaufsoffenen Sonntag, nach Unterzeichnung des Mietvertrages, fuhren mein Mann und ich zu dem Möbelhaus Rück nach Oberhausen. Als wir dieses betraten, fiel uns sofort im Eingangsbereich die Kombination einer modernen Wohnzimmereinrichtung ins Auge; sie bestand aus einer Couchgarnitur mit Tisch, einem Sideboard und einem dazugehörigen Teppich. Da uns beiden diese Stilrichtung so gut gefiel, unterschrieben wir spontan einen Kaufvertrag für diese Einrichtungsgegenstände.

Es war für die damalige Zeit eine sehr moderne Art des Wohnstils, aber wir sahen sie schon in Gedanken in unserer neuen Wohnung. Als nächstes haben wir noch das Schlafzimmer ausgesucht und auch da hatten wir auf Anhieb den gleichen Geschmack.

In unserer Euphorie hatten wir vergessen, dass der Vormieter noch eine Abschlagszahlung haben wollte und zwar für eine Poggenpohl Küche, die erst einige Monate alt war, und die wir übernehmen sollten. Da sie in einem makellosen Zustand war und uns zusagte, haben wir diesen Schritt getan. 5800 D-Mark waren für die Küche abgemacht, aber dann kam noch ein ansehnliches Sümmchen hinzu und zwar für den Stabparkettboden im Wohnzimmer, Holzverkleidungen in der Essecke und Küche, sowie Gardinenleisten. 

Mit unseren Finanzen wurde es zunehmend enger, denn das große Wohnzimmer von 58 qm musste ja eingerichtet werden, von der Diele und dem separaten Zimmer, Gardinen und den notwendigen Teppichen ganz zu schweigen.

Wir haben jeden Pfennig mehrmals umgedreht, und mein Mann machte unzählige Überstunden, wir fuhren nicht in den Urlaub, sondern verbrachten diesen, bei schönem Wetter, drei Wochen lang, mit einem Proviantpaket bestückt, welches wir von Zuhause mitgenommen hatten, im Gruga Park  Essen oder in der näheren Umgebung. Aber danach hatten wir es geschafft und das notwendige Geld komplett zusammen.

So erwarben wir in unserem ausgewählten Möbelgeschäft einen Sekretär, ein Highboard sowie einen Esstisch mit sechs Stühlen, eine Stehlampe und einige andere Gegenstände.

Für den 15. November 1973, es war ein Donnerstag, war der Einzug in unsere neues Wohndomizil geplant. Die persönlichen Gegenstände aus dem Appartement meines Mannes, wollten wir mit einem VW-Bus eines Freundes am Wochenende zuvor transportieren. Allerdings hatte dieser Bus bei Kälte Anlassprobleme, was meinen Mann beunruhigte. Daher kam es zu einer Aktion unsererseits, die sicherlich nicht alltäglich war.

Es war Freitag, um 23.30 Uhr, wir lagen schon im Bett, als mein Mann plötzlich aufsprang und mir sagte, er wolle jetzt unsere Sachen zur neuen Wohnung bringen. 

Also haben wir in einer Nacht und Nebelaktion so schnell wie möglich, unsere Habseligkeiten in den Bus getragen, der vor dem Haus stand. 

Zu erwähnen sei noch, dass sich im Keller des Wohnhauses, in dem sich das Appartement meines Mannes befand, eine Diskothek betrieben wurde.

Etliche Besucher standen, während wir Kartons und Gegenstände in den Bus verstauten, angetrunken vor dem Eingangsbereich. Einige von ihnen machten sich über unsere Aktion lustig; gaben dumme Sprüche von sich. Wohl war mir dabei nicht, zumal mich mein Mann zum Ende der Aktion noch eine kurze Zeit alleine zum Aufpassen in dem Bus sitzen ließ, um den letzten Karton aus der Wohnung zu holen.

Gegen 0.45 fuhren wir zur neuen Wohnung, schellten unsere Vermieter aus dem Schlaf und holten uns die Erlaubnis, die Sachen in die Wohnung bringen zu dürfen. Ich glaube sie waren so perplex, dass sie gar nicht anders konnten, als „ Ja“ zu sagen. In unserer neuen Wohnung trafen wir zu unserer Überraschung auf den Vormieter, der mitten in der Nacht mit Renovierungsarbeiten beschäftigt war.

Meine gesamte Aussteuer, die zum damaligen Zeitpunkt fast vollständig war, wechselte am darauffolgenden Tag die Straßenseite, denn sie war im Haus meiner Eltern untergebracht.

Bis auf einige Elektrogeräte war alles vorhanden, diese besorgten wir dann pö a pö nach Bedarf. Angebote der Elektronikmärkte wurden fleißig genutzt. Die Beiblätter aus der Tageszeitung waren eine ganze Zeit unsere tägliche Lektüre.

So gingen wir weiter vor. Immer erst dann, wenn wir wieder Geld angespart hatten, wurden die noch notwendigen Dinge gekauft. Die Gardinen wurden von meiner Mutter genäht. Nur das Wohnzimmer mit einem riesigen Fenster samt Balkontüre und einem weiteren Fenster im hinteren Teil des Wohnzimmers, war meine Aufgabe, denn es sollten Samtvorhänge zum Zuziehen sein, da es keine Rollläden gab. 

So schleppte ich den dunkelbraunen Samtstoff an, den ich bei Hertie in Mülheim erstanden hatte. Schnitt mir die Bahnen zurecht und nähte mehrere Tage abends, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam,  an diesen Vorhängen, die immens schwer an Gewicht waren. Sie passten auf den Millimeter genau und sahen edel aus.

Es war ein längerer Weg bis wir Stück für Stück die Wohnung so eingerichtet hatten, wie es unseren Vorstellungen entsprach, aber wir würden es immer wieder so machen. Nach einigen Jahren haben wir uns von unserer Erstausstattung getrennt und durch einen anderen Wohnstil ersetzt.

Jutta Loose
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