Mittelschule

Schulgeld

In meiner Schuluniform

Im Frühjahr 1938 durfte ich auf die Mittelschule wechseln. Zwar wäre ich auch fürs Gymnasium geeignet gewesen, aber dafür fehlte uns das Geld, denn damals musste Schulgeld bezahlt werden. Das betrug 10 Reichsmark (RM) für die Mittelschule und 20 RM für das Gymnasium. Es reichte also nur für die Mittelschule. Meine hatte allerdings einen guten Ruf, denn sie bot viele praktische Lerninhalte an: Kurzschrift, Maschinenschreiben, Werkunterricht. Das hatte auch die Begeisterung für Jungen stark erhöht.

Wechsel von der Volks- zur Mittelschule

Lehrer

Wie unbekümmert meine Mitschüler und ich den Schulalltag erlebten, zeigen die folgenden Ausführungen. Gerne wurden nämlich den Lehrern Spitznamen verpasst.

Einen Lehrer nannten wir "Papa Dietz", der manchmal im Unterricht Mölmsch Platt sprach. Er war recht sehr väterlich zu uns, denn er nannte uns öfter mal beim Vornamen; das taten andere Lehrer nie. Zu ihm hatten wir ein größeres Vertrauensverhältnis als zu allen anderen Lehrern. Dort hieß es nämlich nur: Heckmann, an die Tafel! – Der Mathematiklehrer Schartz – Spitzname "Jean" – kam immer in einem blauen Anzug mit blauer Krawatte. Regelmäßig wischte er sich die Kreide daran ab und sah auch entsprechend danach aus. Über Politik sprach er mit uns Schülern grundsätzlich nicht.

Ganz anders dagegen war unser Musiklehrer Kleinheisterkamp, von uns nur "Orpheus" genannt. Bei ihm wurden wir mit dem Stock verprügelt, wenn wir beispielsweise einen Dreiklang nicht richtig hinbekamen. – Der aus Heißen stammende Physiklehrer Ternieden bekam den Spitznamen „Der ewig Lächelnde“ – eine zynische Bezeichnung seines Lächelns, während er Backpfeifen verteilte. Sein Physikunterricht bestand zudem aus kriminalistischen Ermittlungen: Es wurde nach Übeltätern gesucht.

Einmal war ich auch davon betroffen. Ein beliebtes Spiel war nämlich "Musik machen", worauf die Lehrer mehr oder weniger empfindlich reagierten. Die  „Musik“ entstand dadurch, dass man eine Nähnadel in eine Spalte der Schulbank fügte, feste daran zog und sie sofort losließ, wodurch das für die Ohren nicht gerade wohlklingende Zirpsen entstand. Wenn der ‚Hui-Ton‘ erklang, folgte die obligatorische Frage:"Wer war das?“ – Selbstverständlich meldete sich keiner, und das „Hui“ kam dann aus einer anderen Ecke. Ternieden ließ alle Tornister nach vorne bringen und auspacken. Zwar hatte ich auch Nadeln dabei, hatte aber nicht gezirpst. Trotzdem wurde ich 'versohlt', wie man das Prügeln früher nannte. Die anderen Schüler waren währenddessen immer froh, dass der Unterricht so schnell vorbeiging und sie selbst diesmal nicht betroffen waren.

Klassenbuch

Ach ja, da gab es ja auch noch den berühmten "Klassendienst" , der  wöchentlich den Verantwortlichen wechselte und die ehrenvolle Aufgabe vermittelte, Schwämme nass zu machen, für trockene Tafeltücher zu  sorgen, das Tintenfass im Pult, wenn nötig, nachzufüllen und das Klassenbuch so hinzulegen, dass der Lehrer es gut erreichen konnte. Als Horst Heckmann einmal an der Reihe war, verschüttete er beim Tintenfassfüllen Tinte genau vorne auf das Klassenbuch. Das löste eine atemlose Stille im Raum aus, zumal Lehrer Thoelke gleich zum Unterricht eintreffen sollte. Wegwischen mit einem trockenen Lappen brachte nicht den ersehnten Erfolg. Thoelke kam rein und stellte sofort die obligatorische Frage: „Wer war das?“ Kleinlaut musste er sich ja melden. Es wurde großes Aufsehen darum gemacht, so als hätte er eine Heiligenfigur umgestoßen. Seine Mutter musste sogar zu Herrn Paulmann, dem Rektor, kommen – sie hatte in den ganzen Jahren die Schule bis dahin noch nicht von innen gesehen. Horst Heckmann bekam einen strengen Verweis. Der Mutter war die ganze Sache äußerst peinlich. Da das Klassenbuch nicht ersetzt werden konnte und in jeder Stunde an den nächsten Lehrer weitergereicht wurde, kam bei jedem Lehrer die Frage: „Wer war das denn?“ Und bei jedem Lehrer hatte sich Heckmann dafür entschuldigen.

Nationalsozialistisches Gedankengut

Der ein oder andere Lehrer erschien in Uniform, allen voran Walter Thoelke, ein Onkel des später bekannt gewordenen Quizmasters Wim Thoelke. Außerdem war er ein hoher HJ-Führer und nebenbei in der Gebietsführung auf dem Kahlenberg (letzter 90 m hohe Ausläufer des Schiefergebirges) tätig. Herr Thoelke hielt einen interessanten Unterricht und verstand es auf seine ihm eigene Art, uns Schülern den Nationalsozialismus schmackhaft zu machen.

 

 

Mein Englischbuch Teil IV

Dieses Bestreben konnte ich nicht bei allen Lehrern festmachen, so z.B. nicht bei unserem Konrektor Naumann aus Mülheim-Saarn, der Englisch unterrichtete. Naumann – mit dem Spitznamen "Äffchen" – hatte noch kurz vor dem Krieg eine Reise nach England gemacht. Uns Schülern berichtete er gerne von den Vorzügen der Engländer, wie diszipliniert sie beispielsweise an Autobushaltestellen stehen und dergleichen. Eigentlich hatten wir auf diese Weise eine gute Meinung über die Engländer. Aber, das Bestreben auch Englisch zu lernen, das war gar nicht so groß, da sie ja Feinde Deutschlands waren. Später passierte dasselbe mit Französisch. Wenn es dann mal hieß ‚Unterrichtsausfall‘, hatten meistens die fremdsprachlichen Fächer das Nachsehen.

 

Der Schulatlas wurde viel benutzt

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939) zog eine Landkarte in unseren Klassenraum ein. Das Vorrücken der deutschen Wehrmacht wurde zeitnah mit Nadeln mit roten Köpfen nachvollzogen. Nach der Besetzung von Dänemark und Norwegen (1940) sollte die Karte verdeutlichten, dass es unbedingt notwendig war, den Engländern im Hinblick auf die skandinavischen Erzvorkommen zuvorzukommen. Die Lehrer hielten uns seit der 5. Klasse jeden Tag politische Vorträge über alle offiziellen Zusammenhänge zum Kriegsverlauf. Mein Selbstbewusstsein, Teil dieser erfolgreichen Nation zu sein, wuchs ebenso von Tag zu Tag.

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